Die Untiefen des italienischen Trash-Kinos der Achtziger zu ergründen, kann zu einer wirklichen Obsession werden.
Regisseur Ruggero Deodato („Mondo Cannibale 2 - Der Vogelmensch“, „Cannibal Holocaust“) gehörte zu den Vertretern seiner Zunft, die ganz begierig darauf waren, brutalen Nonsens auf das Publikum zu lassen. Nun gehört „Atlantis Inferno“ nicht zu seinen arg plakativen, geschmacklosen Gewaltorgien, ganz koscher ist der Film dennoch nicht...
Aber bedeutet Fun für die Leute, die ein Faible für jene Trash-Stoffe haben, zumal der abgedrehte Fantasy-Horror-Streifen, der sich quer durch die Versatzstücke verschiedener Genres klaut, ansehnlich und bisweilen atmosphärisch umgesetzt ist.
Den Rest besorgen die Oliver Onions, allen Spencer/Hill-Fans ein Begriff, mit ihren fetzigen Musikbeilagen.
Der Titel verrät es schon. Hier geht es um Atlantis. Das taucht nämlich aus dem Meer wieder auf, als Amerikaner auf einer Ölplattform versuchen ein russisches Atom-U-Boot zu heben. Die wirre Erklärung, warum deswegen nun ausgerechnet die Insel unter einer Glaskuppe auftaucht und Horden von mordlüsternen Rocker-Gangs, die sich scheinbar in allen greifbaren Requisitenläden für ihre abgedrehten Endzeit-Kostüme bedient haben, die sonstige Welt unsicher machen, vergisst man am besten auch gleich wieder und frönt stattdessen den putzigen Modelltricks.
Da überrollt nämlich aufgrund der massiven Wasserverdrängung zunächst eine riesige Flutwelle die Plattform, worauf nur eine Handvoll Überlebender, die wir vorweg noch fix vorgestellt bekommen haben, der üblichen Stereotypen (Wissenschaftler, Helipilot, Archäologin, etc) im Wasser schwimmt und von den beiden Söldnerkumpel Mike Ross („Amulett des Bösen“, „Die Rückkehr der Wildgänse“) und Washington (Tony King, „Asphalt-Kannibalen“, „Jäger der Apokalypse“), der eigentlich Mohammed heißt, aufgefischt wird. Doch die Vietnam-Veteranen (Was sonst?) wollten ja eigentlich nach Trinidad (Ich brech’ ab..)
Während auf der Rest der Welt gar heftig der Herbstwind weht und die Bewohner von Atlantis munter morden und brandschatzen, was im übrigen dank sich verdunkelnder Himmel sogar ganz cool ausschaut, schippert der überlebende Rest übers Meer, bis zum Festland....
Der Rest ist ein einfaches Fluchtszenario mit anschließender Begehung von Atlantis, denn die Insel will ja wieder geflutet und gen Meeresboden gedrückt werden. Doch bis dahin vergeht noch etwas und siehe da, „Atlantis Inferno“ ist nicht langweilig, aber auch nicht wirklich gut.
Punkten kann auf jeden Fall schon einmal der unfreiwillige Humor. Wenn einer der überlebenden Intelligenzbestien euphorisch aus den Barrikaden hüpft und sich mit den Worten „Das sind Menschen. Die werden auf Argumente hören“ (Höhö) den nun wirklich nicht gerade nach Diskussionspartnern ausschauenden Meucheltruppen stellt oder einer sich ein zweiter mit den Worten „Ich geh’ raus und erkunde die Gegend“ vorübergehend verabschiedet, obwohl ringsherum noch die Atlantaner alles und jeden belagern und ihn folgerichtig nur Sekunden später als Spielzeug missbrauchen, ist das schallende Gelächter groß.
Denn naiv ist der treudoofe Trash allemal, aber er macht Laune. Denn auch an Action wird einiges geboten. Sobald die Protagonisten erst einmal an Land sind und sich in der zerstörten Welt, die echt ein cooles Endzeitfeeling dank der Menschenleere und der als Zierde aufgehängten Leichen mit sich bringt, umschauen, stoßen sie nämlich regelmäßig auf ihre Peiniger, verschanzen sich und laden die Schrotflinten durch oder werfen Molotow Cocktails, um die Invasoren zu verkohlen.
Der Bodycount ist hoch, die Inszenierung gut und die zerstörten Kulissen überraschend atmosphärisch. Die in der zweiten Hälfte stattfindende Dauerhatz macht aufgrund ihres moderaten Tempos, der ordentlichen Inszenierung und der harten Action tatsächlich sehr viel Spaß. Es gibt eine vorzügliche Waffenbestückung im lokalen Polizeirevier und die Buskaperung zwecks Flucht gen Heli, worauf dann einige Absperrungen durchbrochen werden, schaut bisweilen spektakulär aus – für die herrschenden Verhältnisse.
Gänzlich dubios wird es dann jedoch, wenn sich die dezimierten Protagonisten (u.a. auch Ivan Rassimov und Italowestern-Veteran George Hilton) entschließen per Helikopter das Heil in den Lüften zu suchen und nach Atlantis düsen, um dort magisch angezogen zu werden und sich gleich mit dem Obermotz, der natürlich das unschuldige, geistig aktive und attraktive Fräulein der Truppe ausgeguckt und entführt hat, anzulegen. Der hat nicht nur selbst eine Glaskuppel auf dem Hals, sondern sitzt hinter einem Raum voller Laserstrahlen.
Natürlich wird auch auf Atlantis noch eifrig gekillt und gestorben, weil die Hallodris die Insel durchstreifen und dort noch mehr Einwohnern ihnen nicht ganz so freundlich gesinnt sind. Überschaubar wird es deswegen allemal.
Wie es ausgeht, kann man sich dann auch denken und ich muss sagen, dass „Atlantis Inferno“ zur besseren Sorte gehört, was Italiens Trashabteilung in den Siebzigern und Achtzigern so hervorbrachte, denn das Tempo ist angenehm hoch und es ist ständig etwas los. Soll heißen, ständig wird irgendwer umgebracht.
Regisseur Ruggero Deodato macht seine Sache insgesamt richtig gut. Ich schätze ihn wegen seiner Geschmacksverirrungen der kannibalistischen Art nicht sonderlich, aber aus den offensichtlich mal wieder beschränkten Mitteln hat er einiges gemacht. Gut, „Atlantis Inferno“ ist strunzdumm, steckt voller Plotholes und nimmt sich auch, abgesehen von einigen spaßigen Dialogen, total ernst, kann darüber hinaus jedoch mit schicker Pyrotechnik und einer Riege solider Darsteller glänzen, die sich ganz brauchbar durch das Szenario schlagen und für keinen Stunt zu schade sind.
Besonders der frisch herbeigeführten Endzeitwelt, die erst so still, zerstört und unheimlich menschenleer wirkt, bevor das Inferno ausbricht und die Gangs des Tages und des Nachts durch die Straßen ziehen, kann ich mich als Fan von B-Movies, die sich mit postapokalyptischen Themen beschäftigen, nicht entziehen.
Nicht zuletzt deswegen wird „Atlantis Inferno“ mal wieder nur die Fraktion beinharter Liebhaber befriedigen. Niveau sucht man in diesem Film jedenfalls vergebens und sofern man kein Zugang zu diesen Trash-Stoffen hat, fällt die Unterhaltung auch gänzlich flach, wohingegen der Charme dieser Produktion sich denen eröffnet, die das italienische Kino lieben gelernt haben.
Fazit:
Spaßig blödsinniger Quatsch von Regisseur Ruggero Deodato, der hier nach einem Drehbuch von Tito Carpi („Leg ihn um, Django“, „Geheimcode: Wildgänse“) und Vincenzo Mannino („Das Krokodil und sein Nilpferd“, „Die Rückkehr der Wildgänse“) ein urkomisches Trashfest zelebriert, das man einfach mit Humor neben muss. Die stimmige Atmosphäre, die ordentlichen Darstellern und die gute Action machen den Zusammenklau diverser Ideen teilweise immerhin wieder wett. Wahrlich kein guter Film, jedoch ein sympathischer.