Er war Klosterschüler, Karatelehrer und Musiker. Der Weg des Christian Anders ist sicherlich irgendwie anders, und das nicht nur, weil er heute als Autor esotherischer und umstrittener weltverschwörerisch-sozialkritischer Bücher auffällt, jüngst gar als Sieger aus der Pro 7-Sendung Die Burg hervorging. Interessant ist, daß Anders sich schon früh einen eigenen Musikverlag aufgebaut hat, mit dem er Hits wie 'Es fährt ein Zug nach Nirgendwo' publizierte. Nachdem er in mehreren Klamaukfilmen mitgewirkt hatte, fühlte er sich schließlich zum Kino hingezogen und das hieß nicht wie beim Musikkollegen Jürgen Marcus, ganz schlicht den Soundtrack für einen späten Exploitationfilm (Die Insel der blutigen Plantage) hinzulegen, sondern gleich Drehbuch, Regie, Musik und Hauptrolle zu übernehmen - noch für Produzent Leo Kempkes bei Die Brut des Bösen, über den Anders heute auf seiner Webseite "Habe mich in diesem Karatestreifen ein bisschen wie Bruce Lee gefühlt." schreibt, bei Die Todesgöttin des Liebescamps dann schon mit eigener Produktionsfirma.
Als sei es nicht für Genrefreunde der Obskurität genug, daß sich ausgerechnet ein Schlagersänger in diesen Gefilden freischwimmt, so kann der eigenwillige Musicalcharme ab der ersten Minute für Zwerchfellbeben sorgen, wo Anders als strahlender Guru Dorian - und damit vielleicht seinen späteren Weg ebnend - mit einem Chor blumenbehangener Jünger mittels der Komposition 'Love. Love, Love', welche später aus dem Mund der Anhänger durchaus mal nach 'Bla, Bla, Bla' klingt, relativ frech Harmonien des Songs 'Soley Soley' von Middle Of The Road bedient. Ähnlich wie Umberto Lenzi für Lebendig gefressen stützt sich Anders ferner auf das Schicksal der Gemeinschaft des Peoples Temple unter Jim Jones, die 1978 in Guyana den teils erzwungenen Freitot antraten. Dadurch ist sein Film eigentlich relativ aktuell, wirkt aber optisch und bar jeder Kannibalen, Zombies und Schlitzmonster noch stark nach der vorangegangenen Dekade; aber die Deutschen hängen ja öfter etwas hinterher.
Dabei bedient sich Christian Anders einer recht hübschen Besetzung, zu der sich Laura Gemser in einer weiteren erotischen Nacktrolle zählen darf; hier als 'Die Göttliche', das spirituelle Haupt der sektenähnlichen Organisation, oftmals mit Bezügen zu Bibel und Gandhi auf den Lippen. Das Prinzip des Camp of Loves ist gleichwohl schleierhaft wie klischeetriefend, weshalb abseits einiger Andeutungen mit Vertrauen auf die Vorstellungskraft des Zuschauers einige Detailinformationen zurückgehalten werden. Auch ohne zeitgeschichtliches Vorwissen wird allerdings deutlich, daß Die Todesgöttin des Liebescamps hier noch andere Dinge im Schilde führt, als ihre Gefolgsleute zur grenzenlosen Ausübung der Liebe, vornehmlich des Sexualaktes, zu führen, was tatsächlich bedeutet, daß Mitglieder, die sich einer Person verweigern, später bestraft werden. Abseits der fröhlichen Orgien, bei denen Männer ambitioniert beritten durchaus Gespräche mit dem Nachbarn pflegen oder die wärmeren Genossen sich gegenseitig vorwerfen, der Hübschere zu sein, dienen die anwesenden Damen vor allem auch als Lustmädchen für zahlende Kundschaft. Klar, so ein Camp braucht natürlich eine Finanzierung.
Zu den Liebes- und Gehorsamkeitsbekundungen gehört außerdem für jede Dame ein Deflorationsritual, bei dem der 'Die Göttliche' stets bewachende Muskelprotz Tanga (Sascha Borysenko) der Initiierten sein für uns unsichtbares Gemächt kräftig reindonnert, wobei ein wenig Blut zu Boden tropft. Ansonsten besteht sein Aufgabengebiet aus Cheffin massieren und die Jünger, denen selbstverständlich jederzeit ein Verlassen der Sekte genehmigt ist, auf dem Heimweg in die Schlucht zu stoßen. Für versierte Kinogänger wie selbstverständlich hat die machtlose Polizei einen Undercoveragenten (Gabriele Tinti) eingeschleust und die Senatorentochter Patricia (Simone Brahmann) hat sich dummerweise in Dorian verguckt.
Seinen Reiz übt Die Todesgöttin des Liebescamps jedoch keinesfalls über seine Dramaturgie aus, die auf dem Niveau eines durchschnittlichen Bahnhofskinofilms rangiert und damit kaum verheimlicht, worum es in der Klamotte eigentlich ging: Christian Anders wollte eine gemeinsame Sexszene mit Laura Gemser drehen! (Was durchaus verständlich ist.) Nein, im Ernst, zumindest die Exportversion konzentriert sich schon sehr auf den Nahkampf der Geschlechter, die wenig sensationell photographiert immerhin durch eigene Anmut zu begeistern wissen, auch wenn Penetrationen hier nicht glaubwürdig inszeniert wurden. So vollgeladen mit nackter Haut dennoch so teutonisch zugeknöpft zu wirken, ist schon eine Kunst für sich.
Gemischt mit schreiendem Kitsch, der sich neben dem Soundtrack, der eindrucksvoll getanzt und zeitweilig im Playback performt wird, besonders in Dialogen und Details niederschlägt. Man sollte zum Beispiel auf die Lektüre Tangas achten oder die schlichte Direktheit eines Sets bestaunen, das an der Wand eines karg ausgestatteten Raumes eine nahezu prophetische Botschaft wiedergibt: 'We are all lost.' Auch von Anders Kampfqualitäten bekommen wir hier kein überzeugendes Exempel geboten, welches glaubhaft machen könnte, daß er einen Schwarzgurt in Karate trägt. Sein Kampf ist schlecht choreographiert und Treffer gehen meilenweit daneben, was andererseits zu den streichelnden Peitschenhieben einige Minuten vorher paßt. Leider fehlt mir bis dato Vergleichsmaterial, so daß ich über einen Unterschied zu Die Brut des Bösen oder seine immerhin für seinen (laut eigener Aussage) Freund John Liu gespielte Rolle in In den Klauen des C.I.A. keinen Vergleich anstellen kann.
Verhalten versuchen Rezensenten heute, Jahre nach dem die eigentlichen Verrisse abgeklungen sind, zu erklären, wie das absurde Kabinett der Unglaublichkeiten, welches Anders in Form von Die Todesgöttin des Liebescamps einst kredenzt hat, tatsächlich unterhalten kann. Eins ist nämlich klar, von Qualität im herkömmlichen Sinne kann keine Rede sein. Ob man im Zuge internationaler DVD-Veröffentlichungen nun gleich eine Kultgefolgschaft vermuten muß, sei mal dahin gestellt. Jedoch kann der Film, zu dem der Urheber löblicherweise heute immer noch zu stehen scheint (vgl. die Filmographie auf christiananders.de), im Gegensatz so manch anderer geheimen Perle, die durch ein Hartboxlabel ausgegraben wurde, seinen Zuschauer wirklich konstant binden, ohne daß der Blick verhalten zu Gegenständen auf dem Stubentisch gefolgt von der Zeitanzeige wandert.
Diese Art der Rezeption ist mindestens so unfaßbar wie der Film, kaum zu beschreiben und sicherlich auch sehr subjektiv geprägt. Eine Punktbewertung könnte in der Theorie willkürlich auf der Skala liegen und immer einen korrekten Eindruck wiedergeben. Die Todesgöttin des Liebescamps ist ein Film zum entdecken, spinnen, wundern, spontan im Freundeskreis kommentieren. Man muß ihn erlebt haben, um wirklich ein ungefähres Bild davon zu haben, was aus einem Schlagersänger werden kann, wenn er ein paar Penunzen auf der hohen Kante und willige Sexakteure zur Verfügung hat. Ein ungewöhnlicher, wenn auch griechisch co-produzierter, deutscher Film. Ein Relikt, welches gewürdigt und in Erinnerung behalten werden sollte. Weil man es kann.