John McNaughton, der 1998 mit "Wild Things" für Furore sorgte, erschuf mit Henry schon 12 Jahre zuvor ein richtiges kleines Miststück, über das äußerst kontrovers diskutiert wurde. Diese Kontroversen waren auch mit ein Grund warum der Film erst 4 Jahre nach seiner Entstehung veröffentlicht wurde.
Amerika hasste zu diesem Zeitpunkt das Vorbild für diesen Streifen: Henry Lee Lucas, einer der schlimmsten Serienkiller in der Geschichte der Staaten. Problematisch war zum Einen das alles noch viel zu frisch war, um auf die Öffentlichkeit losgelassen zu werden und zum anderen Henry selbst. Er gestand unzählige Morde, die er wiederrief und wieder gestand. Dabei kam die Polizei aber viel später zu den Erkenntnissen das sie viele Fälle zu früh zu den Akten legten und aufgrund seiner Geständnisse einige Killer immer noch auf freiem Fuß waren, weil man die Morde eben dadurch nicht weiter verfolgte. 90 Tötungen konnten ihm nachgewiesen werden, bei weiteren 108 war eine Tatbeteiligung höchstwahrscheinlich. Nach seinen Angaben sollen es ca. 500 gewesen sein. Seinen ersten beging er mit 15, das zweite Opfer war seine Mutter.
Der Film selbst porträtierte Henry. Es ist kein gewöhnlicher Thriller der mit Spannung und Polizeiarbeit glänzt. Es wird eher ein Ausschnitt aus seinem Leben gezeigt, das aber nicht zu 100% der Wirklichkeit entspricht. Er wirkt wie ein völlig normaler Mensch der keineswegs richtig unsymphatisch ist. Etwas schüchtern und emotional unerfahren wirkt er, aber keineswegs wie ein besessener Killer der einem Zwang unterliegt. Er betreibt sein mörderisches Spiel eher wie eine Art Hobby. Bei seinen Opfern sieht man weder eine immer wiederkehrende Klientel, noch eine Art der Vergangenheitsbewältigung. Er tötet weil es ihm Spaß macht und wechselt ständig das Mordwerkzeug. Das dies für ihn eine Normalität ist, zeigt der Film schon in den ersten Minuten wenn er zwischen gewöhnlichen Aktivitäten und den hinterlassenen Leichen hin und her schaltet. Mit seinem Kumpan Otis teilt er sich eine Wohnung in die später noch Becky einzieht, die wie die anderen beiden ebenfalls vom Leben gepeinigt wurde. Mit Otis hat er relativ schnell einen Mitstreiter gefunden um sein Hobby auszuleben. Hier weicht der Film von der Realität ab, da Otis bereits ein Massenmörder war als er ihn kennenlernte. Die Hintergrundgeschichte zu Henry und seiner Mutter stimmte dagegen bzw. sie war noch perverser als im Film.
Zusammen gehen sie abends auf Streifzug, suchen sich Opfer aus und bringen sie um. Dabei filmen sie alles mit der Videokamera und sehen sich ihre Taten hinterher nochmal wie einen Film an. Dieses sind auch die heftigsten Sequenzen da der Zuschauer mit beiden zusammen, auf der Couch sitzt und den Geschehnissen im TV folgt.
Der Film ist völlig verstörend, kalt und rücksichtslos. Er weicht von allen Konventionen ab und ist wenn überhaupt mit "Maniac" von William Lustig zu vergleichen. Dadurch das es nicht darum geht ob die Täter gefasst werden, sondern man ihnen nur beiwohnt, hinterläßt er ein absolut ungutes Gefühl in der Magengegend. Hinzu kommt das unglaubliche Spiel von Michael Rooker, den ich in jedem anderen Film sofort mit dieser Rolle in Verbindung brachte. Er spielt ihn nicht, er ist Henry. Wenn man wenigstens ein Mordmotiv oder dem Zuseher irgendeine psychische Krankheit zum Verständnis geliefert hätte, wäre das wahrscheinlich erträglicher geworden. Somit wird man zum fassungslosen Voyeur der händeringend nach einer Erklärung sucht.
Für mich ist dieses Juwel ein kleines Meisterwerk, aber keineswegs eine Empfehlung wert. Man kann auch nicht sagen das man sich gut unterhalten gefühlt hat, denn das hat man nicht. Er verstört und preßt einen in eine immer ungemütlicher werdende Couch. Wer sich gerne mit der Serienkillerthematik beschäftigt, aber keinen spannenden Psychothriller erwartet, sollte sich mit Henry unbedingt mal auseinandersetzen.