HENRY ist kein wirklich guter Film - eine lobenswerte Idee, die nicht angemessen umgesetzt werden konnte.
Besonders die Figur des Henry selbst bleibt über weite Strecken des Filmes zweidimensional und ist in ihrer Zeichnung und Darstellung unausgereift.
Höchstens in den Momenten mit Becky (Otis' Schwester) kommt ein wenig Tiefe in die Figur (wird - in Ansätzen - Henrys Unfahigkeit zu einer echten Beziehung deutlich, seine Gehemmtheit, seine Komplexe gegenüber Frauen, aber auch sein Getriebensein). Ansonsten fällt die Darstellung von Henry steif aus. Die Person dahinter ist nicht zu spüren, seine Taten und sein Umgang damit vollkommen unverständlich.
Die Darstellungen Bettys und Otis' finde ich schon gelungener, wobei letzterem eine passable Leistung bescheinigt werden kann - Otis ist die einzige Figur in dem Film, die mehrere Facetten besitzt, die plastisch ist und eine Seele hat (wenn auch eine verdorbene). Betty schafft das nur in Ansätzen und Henry's Figur bleibt rudimentär.
Der nüchterne Blick auf den Protagonisten und seineTaten erinnert an Lustig's Meisterwerk MANIAC (der durchaus für McNaughton's Film Pate gestanden haben könnte). Anders aber als bei Lustig, ist nicht McNaughton's Blick (d.h. die Kamera) nüchtern und sachlich, sondern das Betrachtete an sich (um nicht zu sagen: stellenweise steril, vor allem die zahlreichen Mordopfer zu Beginn).
Wirklich schockierend und verstörend und letztlich auch beeindruckend (außer bei den "Tischszenen") fand ich den Film nur in zwei Sequenzen: erstens in der Szene mit dem Mord an der Familie, den Henry und Otis mit der Videokamera aufzeichnen - vielleicht, weil wir als Zuschauer durch die Kameraperspektive zu passiven Mittätern werden (eine ähnlich Rolle hat der Zuschauer in MANN BEISST HUND und FUNNY GAMES) und uns so der eigene Voyeurismus vor Augen geführt wird (das, was Otis so offensichtlich erregt). Und zweitens in der kompletten Sequenz von der Vergewaltigung von Becky durch Otis bis hin zur Zerstückelung seiner Leiche in der Badewanne - vielleicht, weil uns hier die zerstörte und zerstörerische Beziehung der Hauptfiguren so unmißverständlich deutlich wird und wir ungewollt Zeugen ihres (familiären) Dramas werden.
Ansonsten fand ich den Film eher (auf eine perverse Art) unterhaltend - mehr aber nicht. Wirklich gefesselt, wirklich erschüttert hat er mich nicht. Und auch nicht wirklich überzeugt.