Review
von Cineast18
Im zweiten Teil seiner Trilogie über die mystischen Drei Mütter führt Italiens berühmter Horror-Regisseur Dario Argento seine in "Suspiria" begonnene Hexen-Story weiter aus: Eine junge Frau findet in New York ein Buch über die Drei Mütter und beginnt nachzuforschen. Sie kann gerade noch ihren Bruder Mike in Rom alarmieren, bevor sie brutal ermordet wird. Als Mike in dem Wohnhaus ankommt, in dem seine Schwester gewohnt hat, wird er in einen Strudel unheimlicher und blutiger Ereignisse verwickelt.
"Inferno" ist ebenso wie "Suspiria" ein Musterbeispiel für die barocke Üppigkeit, mit der Argento seine besten Filme inszeniert: lang gezogene Gruselszenen, die in krassen Schockeffekten münden, eine mysteriöse Story, deren Zusammenhänge lange Zeit im Dunkel bleiben, grelle Lichteffekte, die viele Szenerien in künstliches Grün, Blau und Rot tauchen, und drastische Gewaltszenen - das alles untermalt von einem irrwitzigen Soundtrack zwischen Hardrock und Chormusik. Argentos stilistisches Prinzip ist das der gnadenlosen Überhöhung; so schafft er es, sogar unoriginelle und vorhersehbare Schocksequenzen intensiv und verstörend zu gestalten: Wenn etwa am Anfang in der Unterwasserszene der jungen Frau eine vermodernde Leiche vor die Nase getrieben wird, dann hat man als erfahrener Genre-Fan schon mit so etwas gerechnet und ist angesichts der derben Ekeleffekte doch überrascht und schockiert. Auch die künstlichen Settings, denen man in fast jeder Szene die Studiokulisse ansieht, verstärken (zusammen mit den kontrastreichen Lichteffekten) das Surreale der Atmosphäre, die sich mit fortlaufendem Film immer mehr verdichtet. Am Ende hat man das Gefühl, der Logik eines Albtraums zu folgen - und das ohne Ausweg.
Zu dieser stilisierten Inszenierung gehört auch das Zusammenwürfeln zahlloser kaum zueinander passender Elemente: Da hat Mike Visionen von einer mysteriösen Frau mit Katze; eine Bewohnerin des seltsamen Hauses wird von wilden Katzen attackiert, während ein bösartiger Nachbar von Ratten angefallen wird. Und immer wieder werden die Erwartungshaltungen des Zuschauers drastisch unterwandert: In der Rattenszene etwa rennt ein Hot Dog-Verkäufer, der den Angriff bemerkt, los und auf das Opfer zu - doch anstatt ihm zu helfen, hackt er ihm mit seinem Messer ins Genick.
Inhaltlich ist das oft genug nicht wirklich nachvollziehbar und neben einigen bewusst nur angedeuteten Hintergründen gibt es Handlungsstränge, die im Nichts versanden oder nur für eine derbe Schockszene gebraucht werden. Auch die Figuren bleiben blass und umrisshaft - von Charakterisierung oder Einbettung ins Umfeld keine Spur. Jeder neu auftretende Akteur wird schlagartig in die düstere Handlung eingeführt und sofort von unheimlichen Gestalten verfolgt. Das ist vielleicht auch ganz gut, denn in den ruhigen Szenen merkt man den Darstellern eine gewisse Steifheit an, die durch die lieblose deutsche Synchronisation noch verstärkt wird.
Solchen Schwächen stehen dann wieder technische Kraftakte wie komplizierte Kamerafahrten und kluge Detailaufnahmen gegenüber. Letzten Endes bezeugt "Inferno" den heftigen, gewöhnungsbedürftigen Stil, der Dario Argento berühmt gemacht hat. Wer sich auf die bewusst künstliche und übertriebene Inszenierung einlässt, kann mit einem faszinierenden Okkult-Schulter belohnt werden, der mit krassen Schockeffekten und superber Musik bestens zu unterhalten weiß. Ein durchaus künstlerisch wertvoller Horrorfilm!