Review

Auf zur fröhlichen Talfahrt, Kinder! - Plausibility Missing Part 6


Der Trilogie zweiter Teil

Mmh... Was soll man zu „Inferno" aka „Horror Infernal" aka „Feuertanz" aka „Feuertanz der Zombies" sagen?

"Eiertanz" wäre mit Blick auf die haltlos mäandernde Handlung der wohl geeignetste Titel gewesen, um dem Publikum einen Hinweis auf das zu Erwartende zu ermöglichen. Denn wie bereits in den drei frühen Gialli Argentos zu erkennen, geht es dem so bezeichneten Meister in seiner Arbeit weniger um ein Gesamtkonzept oder einen schlüssigen Kommentar zu seiner eigenen Sache, als vielmehr um die Herstellung einzelner bildlicher Motive, die sich nicht notwendiger Weise zu einem Gesamtkunstwerk zusammenschließen müssen.
In den Gialli funktionierte dies durch die Einhaltung und Ausfeilung der Genrekonventionen noch ganz gut, zumal die Narration im italienischen Kino generell eher zweitrangig behandelt wurde. Im Genre fand Argento aber offenbar genug Halt für seine visuellen Ideen, die in einen recht festen Rahmen eingespannt wurden und sich vom Zuschauer noch erschließen ließen.

In „Suspiria" ging Argento seinen Weg konsequent weiter, erschuf aber innerhalb der sehr dünnen Handlung genug Schauer und Atmosphäre, um den mit Grimms Märchen aufgewachsenen Kulturkonsumenten zumindest auf halber Strecke abzuholen. Der Zuschauer musste hier den Rahmen für die Bilder bereits mehr selbst mitbringen, was angesichts der sehr klassischen Hexengeschichte, die lose im Hintergrund läuft, recht gut funktionierte.

In „Inferno" sind die Motive und szenischen Sequenzen nun aber zu kaum einem Zeitpunkt so ausgefeilt und eindrucksvoll wie im Vorgänger, der zudem noch zumindest im Ansatz konventionelle Wege des Erzählens einschlug, was hier vollkommen abgeht. Fleißig wirbelt man die Figuren durcheinander, die so schlecht eingeführt werden, dass eine Zuordnung und Trennung auch vollkommen unmöglich scheint. 

Zwei ähnlich aussehende Frauen, eine hat einen Bruder, beide werden ermordet. Was verbindet sie? Welche von beiden hat eigentlich diesen komischen, wenn auch sehr schönen, Tauchgang? Eine ist in Rom, eine in New York. Der Bruder lebt auch in Rom und besucht dann New York, nachdem ihn seine Schwester eingeladen hat, oder? Und was will die Hexe eigentlich?

Huiuiui, hier hat Argento richtig verkackt. Und diesmal kommen nicht Udo Kier und Rudolf Schündler um die Ecke, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Zu Beginn gibt es zwar eine kleine Einführung zu den Hexen, nett gesprochen von Siegfried Schürenberg, aber was das alles mit der Handlung zu tun haben wird, muss man halt raten. Der zur Hauptfigur mutierte Bruder Mark ist dabei ebenfalls vollkommen ahnungslos, mehr noch als der Zuschauer, was die Spannung vollkommen killt. Was soll man mit einem Helden, der weniger in der Lage ist, das Geschehen voranzutreiben als man selbst?

Neben der inhaltlichen Konfusion und den im Vergleich zum Vorgänger geringeren Schauwerten haut Argento dann auch noch tonal vollkommen daneben. Hatte „Suspirira" mit seinem avantgardistischen Soundtrack von Goblin in der Kombination von wilden Kamerafahrten und diesem überdrehten Farbspiel eine Art formale Einheit gebildet, so fliegen hier Bild und Ton teils gefühlt in verschiedene Richtungen. Die klassischeren Stücke mögen noch gehen, das Hauptthema empfinde ich als lächerlich und als Zeichen für Argentos sinkendes Vermögen, die Wirkung seiner Ideen beim Zuschauer vorherzusehen. In „Opera" von 1987 zerstört das fast Argentos ganzen Film, hier ist es bereits ein erheblicher Störfaktor. 

Ebenso störend empfinde ich die (nicht vorhandene) Figurenzeichnung und die darstellerischen Leistungen, an denen Argento keinerlei ernsthaftes Interesse zu haben scheint. Statt eine Verbindung über die Figuren zu ermöglichen, schließt einen der Film gefühlt aus und degradiert den Zuschauer zum reinen Zaungast, der allem nur aus sehr großer Distanz folgt. Empathie und eine empfundene Katharsis werden schlicht unmöglich und „Inferno“ wird so zum Bilderrätsel ohne jede Emotionalität.


Fazit

Bei mir festigt sich der Eindruck, dass es sich bei Dario Argento um einen grundsätzlich überschätzten Regisseur handelt, dessen Fähigkeit zur bildlichen Kreation seine Schwächen zu Beginn seiner Karriere noch kaschieren konnte. In „Inferno" treten seine Stärken aber deutlich hinter seinen Schwächen zurück. Die dünne und stümperhaft erzählte Story und die nicht mehr nachvollziehbaren Figurenhandlungen nerven hier erstmals so sehr, dass die bunte Schaufensterbeleuchtung nicht mehr ausreicht, das Ruder herumzureißen. Es kommt kaum Spannung auf und die teils schönen Szenenbilder verlieren sich in der erzählerischen Konfusion. Argento hätte nochmal den Dramaturgiekurs für Anfänger belegen sollen oder im Team mit gutem Drehbuchautor und strengem Produzenten arbeiten sollen, die seiner visuellen Schaffenskraft die klar erzählte Geschichte hätten geben können. Argento selbst scheint nur an einer Hälfte des Filmemachens interessiert zu sein. Und dafür gibt's dann auch nur die halbe Miete von 5/10 Punkten. "Inferno" ist ein unterdurchschnittlich erzählter Film, der überwiegend überdurchschnittlich bebildert wurde. Dass Form und Inhalt sich verschränken lassen, hielt Argento während der Produktion wohl für Hexenwerk. Nach dem Erfolg von „Suspiria“ leidet der Regisseur hier offenbar an einem hohen Maß an Selbstherrlichkeit, indem er den Zuschauer aus der umfänglichen Erfahrung des Film einfach ausschließt.

Allerdings konnte ich den Film nur auf einer eher mäßigen vermutlichen Bootleg-DVD sehen, wie schon das pixelige Menu nahelegt. Eventuell hätte mich eine gut remasterte HD-Version mit gutem Bild mehr gepackt.

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