Nachdem sich der einstige Drehbuchautor Argento (u. a. "C'era una volta il West" (1968)) von "L'Uccello dalle piume di cristallo" (1970) an bishin zu "Profondo Rosso" (1975) mit seinen vier Giallothrillern einen Namen gemacht hat, entwickelte er das Konzept seiner Trilogie der drei Mütter, mit dem er Giallo und Okkulthorror wirksam miteinander verbinden konnte, wobei er über frühere, ähnlich gelagerte Versuche nicht untalentierter Regiekollegen wie Sergio Martinos "Tutti i colori del buio" (1972) weit hinausging.
Das Konzept, das zumindest die ersten beiden Teile eint, übernimmt die blutigen Mordserien der Giallothriller, hinter denen nun aber kein auf irgendeine Weise motivierter Schlitzer steht, sondern dämonische Kräfte, die jeden ausschalten, der ihnen auf die Spur zu kommen scheint.
Dieses Konzept erlaubte Argento jeweils die Nummernrevue blutigster Untaten - in "Inferno" sind es bisweilen Untaten im wahrsten Sinne des Wortes: keiner tut mehr etwas, während sich die tödliche Katastrophe wie durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ereignet und das Sterben keine Folge einer bewussten Tat, sondern eher eines gespenstischen Seinszustandes zu sein scheint - die kaum mehr durch Kausalzusammenhänge aneinandergekittet werden mussten. "Inferno" ist es auch, der diese annähernde Zusammenhangslosigkeit weiter ausreizt als "Suspiria" - hier besteht die Erzählstruktur weitestgehend nur noch aus einer zeitlichen Abfolge von Ereignissen, und nicht mehr aus einander bedingenden Ereignissen.
Die fiebrige Atmosphäre, die solch ein Zusammentreffen schlimmer Geschehnisse ermöglicht, trieb Argento in den beiden ersten Filmen durch die Musik von Goblin bzw. Keith Emerson, durch die satte Farbdramaturgie und eine eigenwillige Kameraführung und Montage auf die Spitze.
Nach dem zweiten Teil der Reihe schien die Trilogie lange Zeit vorzeitige beendet zu sein... (Luigi Cozzi drehte Ende der 80er einen inoffiziel als Abschluss gehandelten Grusler.)
Mit "La Terza Madre" kehrte Argento 30 Jahre nach Beginn der Reihe zur Trilogie zurück, ließ vom ursprünglichen Konzept jedoch wenig übrig, so dass Filme wie "Phenomena" (1985) viel eher den Tonfall der ersten Teile trafen als dieser Abschluss, der sich nicht so recht ins Gesamtbild fügen mag.
"Suspiria" erzählt [Achtung: Spoiler!] die Geschichte von Suzy Bannion, die als Balletttänzerin eine Tanzschule in Freiburg besucht und schon bei ihrer Ankunft Sonderbares erlebt. Ein junges Mädchen verlässt die Schule bei ihrer Ankunft in panischer Hast, schreit sie wisse um das Geheimnis der blauen Iris und wird noch in dieser Nacht brutal ermordet - einer der irritierenden Höhepunkte von Suspiria: die durch die Glasabdeckung gedrückte, abgestochene Frau, die meterweit in die rot-weiße Eingangshalle stürzt und stranguliert an einem Kabel hängenbleibt, während ein zweites Opfer von den herabgefallenen Glasscheiben erschlagen und zerschnitten am Kachelboden liegt.
Das irgendwas nicht stimmt in der Tanzschule, das sieht auch Suzys neue Freundin so, die nächtens auf Ermittlungstour geht und verstrickt in lauter Drahtrollen der Rasierklinge eines Unbekannten zum Opfer fällt. Auch ein blinder Pianist, der das Haus bald verlässt, wird unter mysteriösen Umständen von seinem Schäferhund zerfleischt, nachdem er angemerkt hat, er hätte gehört, was in der Tanzschule immer vor sich ginge...
Verdacht fällt auf die Leiterin der Tanzschule, deren Röcheln die gesamte Tanzhalle erfüllt, in der alle zusammen nächtigen, nachdem die Zimmer von Maden übersät vorgefunden werden. Suzy selbst wird zudem vom Arzt des Hauses in einem schläfrigen Dämmerzustand gehalten.
Eines Tages erhält sie vom Psychoanalytiker Dr. Mandel (Udo Kier) einen Vortrag über schwarze Magie und Hexen. Elena Markos, so sagt er, sei eine berüchtigte Hexe und eine berühmte Tänzerin gewesen.
Und bald gerät Suzy durch eine geheime Tür, die über die Abbildung einer blauen Iris geöffnet wird, in verborgene Räumlichkeiten der Tanzschule, in der die älteste Hexe des Hauses, die Mutter der Seufzer ruht, auf deren Konto das gesamte Treiben ebenso geht wie auf das ihrer zwielichtigen Verbündeten, die allesamt in der Tanzschule tätig sind. Im Alleingang kann Suzy die Hexen ins Verderben stürzen und der Tanzschule entkommen.
"Suspiria" beginnt wie ein Giallo, endet aber wie ein Gruselmärchen. Und zwischendurch breiten sich Ahnungen und Merkwürdigkeiten aus, die dem Film schnell eine gespenstische Atmosphäre verleihen. Der Film verdankt dabei viel dem Soundtrack von Goblin, der zu einem ihrer einprägsamsten Werke zählt. Das hysterische Schrillen und Klingeln, gemischt mit geflüsterten Botschaften und lautem Geheul, erschafft eine bedrohliche, nervenaufreibende Stimmung, während die agressive Beleuchtung in Rot, Grün, Gelb und Blau in Verbindung mit der farbenprächtigen Innenausstattung der Tanzschule auf dem aufgekauften Filmmaterial aus Kodaks Technicolor-Restbeständen eine ungewöhnlich satte Farbdramaturgie liefert, die einen wahren Farbenrausch erzeugt.
Das Haus Zum Walfisch liefert dabei eine ansprechende Kulisse, die viel zur unwirklichen Wirkung beiträgt. Auch die Motive Eschers, der mehrfach auf Bild- und Tonspur erwähnt wird, fügen sich stimmig in das Gesamtbild ein.
Etwas bedenklich geraten hier Argentos Morde an schönen Frauen, die er vehementer auslebt als in seinen Gialli, und die immer stärker zum Kritikpunkt vieler Rezensenten geraten sind. (Unvorteilhafte Höhepunkte bilden hier "La Terza Madre", der bishin zur Verstümmelung des weiblichen Genitalbereiches geht und die Oberhexe von einem Phallussymbol zerquetschen lässt und "Le Cinque giornate" (1973), der das Unbehagen des Protagonisten vor dem weiblichen Geschlecht zu vulgären Witzen ausnutzt.)
Vielfach wird hier auf Thomas de Quinceys - von dessen "Suspiria de Profundis" sich Argento nach eigener Aussage vage inspirieren ließ - Mischung aus Erzählung und Essay "On Murder Considered as One of the Fine Arts" verwiesen. Hat man diese erst einmal gelesen, muss man sich fragen, ob die Verweisenden sie auch gelesen haben. De Quincey propagiert den Mord und seine Darstellung dort nicht als ästhetischen Genuß, sondern parodiert die Clubatmosphäre und beschäftigt sich satirisch mit der ästhetischen Rechtfertigung des Mordens, die er einzig zur Erzeugung schwarzen Humors thematisiert. Argento geht jedoch weiter und nutzt solch eine Geisteshaltung nicht zur Erzeugung schwarzen Humors, sondern stilisiert seine Morde mehr und mehr zu irritierenden Gewaltperformances, deren Wirkung sich der Zuschauer oftmals kaum entziehen kann. Auch der vielfach angeführte E. A. Poe, für den der Tod einer schönen Frau den Gipfelpunkt der Poesie darstellte, eignet sich eigentlich nicht für einen Vergleich, denn der Tod ist nicht das Sterben und schon gar nicht die Tötung. (Außerdem ist auch das Frauenbild bei Poe vor diesem Hintergrund schon ein überaus problematisches, was man gerne unter den Tisch fallen lässt.)
Argento zieht also aus dem Mord ästhetischen Reiz und bildet da einen fragwürdigen Gegensatz zum sonstigen Splatterfilm, dessen Untaten vor allem schockieren und anwidern sollen. Argento hingegen betonte mehrfach, er lasse in seinen Filmen besonders gerne schöne Frauen morden, da der Anblick hübscher sei als der einer Ermordung einer hässlicheren Frau.
Als Zuschauer muss man diese zweifelhafte Ansicht nicht teilen, um dennoch einen ganz eigenen Reiz dieser Szenen zu erleben, der gerade daraus resultiert, dass ein unangenehmes, schockierendes Motiv derartig ästhetisiert wird, bis es quasi hübsch anzusehen ist. Der krasse Gegensatz solcher Szenen ruft ein in sich widerstrebendes Gefühl im Zuschauer hervor, der gleichsam genießt und abgestoßen ist und diese Gleichzeitigkeit verdauen muss - es sei denn er denkt wie Argento, dann genießt er nur. Das eigentliche Monster entdeckt er bei diesen Szenen in sich selbst, wenn er den (zwar gestellten, aber eben trotz artifizieller Überhöhung nach der Realität gestellten) Mord tatsächlich als schöne Kunst betracht und dabei eben keine schwarzhumorige Absicht im Hinterkopf hat.
Auch wenn Argento vereinzelt peinliche Dialoge einbringt und nicht alle Ereignisse und Figuren zwingend nötig waren und bisweilen einen etwas faden Nachgeschmack hinterlassen, ist "Suspiria" einer der großen Horrorklassiker überhaupt: ein verstörendes, sinnliches Erlebnis, angesiedelt zwischen Thriller, Gruselfilm und Märchen. Der große Erfolg führte dazu, dass Argento den Stoff ausweitete zu einer geplanten Trilogie um drei Häuser in Freiburg, Rom und New York, in denen die drei Mütter - Mater Lachrymarum, Mater Suspiriorum, Mater Tenebrarum - ihr Unwesen treiben.
8/10.
"Inferno" gibt sich weit kryptischer, tauscht die aufklärenden Ermittlungen der Spielbälle böser Mächte immer stärker ein gegen einzelne Stationen, in denen diese Mächte in die Alltagsrealität einbrechen.
Eine junge Frau [Achtung: Spoiler!] stößt in ihrer Wohnung in New York auf ein Buch des Architekten Varelli, der seinen Worten nach für die drei Mütter drei Häuser gebaut habe: In Freiburg, in New York und in Rom. Bald befällt sie der Verdacht, sie könne in einem dieser Häuser wohnen und dieser Verdacht wird ihr das Leben kostet. Darüber hinaus auch nahezu jedem anderen, dem sie sich anvertraut.
Der Tod all dieser Personen gerät dabei zu einer Nummernrevue, die stille Höhepunkte des Films bildet. Da ist der Bibliothekar, der zuviel wusste und von Ratten zerfetzt wird bis ihm ein Fleischer zur Hilfe eilt, nur um ihn dann den Kopf abzuschlagen, da ist die vermeintliche Protagonistin, der man den Hals durchtrennt, eine Pflegerin verbrennt bei einem Unfall fast und stürzt dabei in den Tod, während ein Dämon einem Diener die Augen ausreißt, da ist ein Nachbar, der kurz nach dem Sicherungskasten guckt und mit einem langen Messer im Hals wieder auftaucht, nur damit kurz darauf die Freundin des Bruders der als Protagonistin eingeführten jungen Frau durch dieses Messer auch ihr eigenes Leben lassen muss.
Durch den gesamten Film tummeln sich dabei kontinuierlich die unheimlichen Gestalten und vage Anzeichen einer Bedrohung liegen in eingestreuten Großaufnahmen scheinbar unbedeutender, ja bisweilen gar alltäglicher Ereignisse: schwarze Handschuhe schneiden Papierfiguren die Köpfe ab, eine Eidechse frisst einen Falter, eine dämonische Figur treibt ihr Unwesen in der Bibliothek, Katzen fressen genüßlich Mäuse im Keller, etliche Nachbarn geben sich verschwiegen, rätselhaft und unnahbar und schmiden insgeheim ganz eigene, finstere Pläne. Dem Bruder Mark der ursprünglichen Protagonistin, der diese bald ablöst, erscheint in der Universität eine Schönheit, die kurz darauf verschwindet, eine fremde Frau baumelt erhängt in ihrer Wohnung, Ameisen wimmeln zuhauf in den Wohnungen.
Der Film mixt daraus einen Rausch aus unheilvollen Begebenheiten, die den Verstand der Figuren übersteigen wie den des Zuschauers. Ganz am Ende erkennt Mark dann, dass Varelli noch im Gebäude lebt und er selbst tatsächlich einer der drei Müttern auf der Spur ist, die zusammen der personifizierte Tod sind - Mark kann sein Leben nur mit aller Macht retten, während das verrufene Haus niederbrennt.
Mit seiner kaum noch vorhandenen Dramaturgie stieß "Inferno" überall auf Ablehnung, wo die Zuschauer eine Handlung erwarteten. Solche Zuschauer wurden freilich enttäuscht und mussten das Gefühl haben, sie wären verarscht worden.
Im deutschsprachigen Raum war es dann vor allem Norbert Stresau, der auf die eigentliche Qualität des Films hingewiesen hat: "Drei Gegenstände tauchen in Nahaufnahme auf. Ein Schlüssel. Ein Messer. Ein Buch. Erst dann fährt die Kamera zurück und die Besitzerin dieser Objekte, Rose, rückt ins Bild. Unterschwellig sagt die Reihenfolge schon einiges aus: die Dinge waren vor dem Menschen da; sie sind sich selbst genug, besitzen vielleicht sogar ein Eigenleben. [...] Das Böse ist mit den Dingen liiert, zwischen beiden besteht eine natürliche Affinität, die um so tödlicher wird, je näher die Dinge dem Menschen stehen." (Stresau: Der Horrorfilm. Von Dracula zum Zombieschocker; München: Heyne 1987. S. 59.)
Auf diesem Wege verzichtet der Film nach Stresau auf eine gewöhnliche Narration und macht die Grundlosigkeit des eigenen Geschehens zu seinem Thema.
Arno Meteling widmet der "Verschwörung der Dinge" ein gleichnamiges Kapitel in seiner Dissertation "Monster. Zu Körperlichkeit und Medialität im modernen Horrorfilm" und schließt in Anlehnung an Stanley Cavell: "Der Verdacht der Beseeltheit der Dinge erzeugt das Unheimliche." (Meteling: Monster. S. 293.)
Die satten Farben - vor allem Blau- und Rottöne - sorgen in Verbindung mit vielen irritierenden Nah- und Großaufnahmen und einer ausgeprägten Beleuchtung für eine ganz unwirkliche Atmosphäre, die das Geschehen wirksam unterstützt.
Dabei präsentieren sich dem Zuschauer bisweilen einige der schönsten bzw. wirksamsten Bilder des italienischen Horrorfilms der 80er Jahre: eine unter der Mitarbeit Mario Bavas entstandene Szene in einem überfluteten Zimmer etwa, in welchem Rose einem Schmuckstück nachtaucht um dort auf einen treibenden Leichnam zu stoßen, oder die ebenso erschreckende wie irritierend schön Szene, in welcher zur Musik Verdis der abgestochene Nachbar mit dem quer im Hals steckenden Messer durch das Zimmer taumelt.
Zugleich leidet "Inferno" allerdings auch unter den Problemen, die auch Lucio Fulcis ähnlich arbeitenden "L'Aldila" (1980) durchziehen. Neben Unerklärlichkeiten, die sich durch die Annahme übernatürlicher Kräfte zwar noch immer nicht erklären, aber in ihrer Existenz nachvollziehen lassen, gibt es auch hier etliche Szenen, die sich fernab solcher Mächte ereignen und dennoch unerklärlich oder zumindest unwahrscheinlich bleiben: ein Nachbar geht zum Sicherungskasten und verspricht seiner Gastgeberin unentwegt zu reden um ihre Angst zu beseitigen, woraufhin er in völliges Schweigen verfällt und erst auf ihr furchtsames Schreien wieder reagiert. Dies kann man - ebenso wie Roses Tauchaktion, bei der sie ihrem Schmuckstück nachjagt - bei aller nicht nachvollziehbaren Motivation noch auf einen etwas eigenen Charakter schieben... ebenso den Umstand, dass Marks Bekannte für ihren Gast Musik auf volle Lautstärke stellt um dabei mit Mark zu telefonieren... oder dass Rose sich kein Stückchen irritiert zeigt, als eine vermummte Gestalt in der Bibliothek in einem brodelnden Bottich herumrührt... oder dass einem Diener ein Unglück widerfährt und seine Auftraggeberin bei dem polternden Geräusch ohne zu zögern ihn dahinter vermutet, gleichwohl noch zig andere Personen in der Nähe sind... und weshalb kann Rose minutenlang problemlos unter Wasser bleiben - das ist nicht einmal mit einem eigenartigen Charakter zu erklären...
Hier konfrontiert Argento den Zuschauer mit Seltsamkeiten, Unwahrscheinlichkeiten, ja gar Unmöglichkeiten, die der Film auch mit seiner übernatürlichen Ebene nicht nachvollziehbar werden lässt... und während das eigenwillige Verhalten zwielichtiger Gestalten noch unheilvoll anmutet, gerät seltsames Verhalten von Identifikationsfiguren wie Rose oder Marks Bekannter zur eher unfreiwillig komischen Begebenheit. Selbst in einem Film, dessen Narration weitestgehend in Stücke geschlagen worden ist, bleibt noch Argentos gerade im Spätwerk häufig zu erkennende Unfähigkeit sichtbar, Motivationen glaubwürdig zu vermitteln. Hinzu kommt das nicht immer befriedigende Spiel der Akteure, die mal steif, mal theatralisch spielen.
Dass bei einer Katzenattacke die Tiere beinahe ebenso durch die Gegend geworfen werden wie die Ratten in Bruno Matteis "Rats - Notte di terrore" (1984) wirkt sich zusätzlich nachteilhaft aus.
Insgesamt ist "Inferno" von solchen Szenen durchsetzt, was dem Film einen recht unverträglichen Hauch unfreiwilliger Komik verleiht. Nun mag unfreiwillige Komik charmant sein, ein Qualitätsmerkmal ist sie jedoch gewiss nicht...
So gerät "Inferno" zu einem rauschhaften Gruselthriller, der durch den angestrebten Verzicht auf Zusammenhänge und durch die Hervorhebung rätselhafter Zustände und Momente eine ganz eigene Wirkung erreicht, gleichzeitig stechen kleinere Unfeinheiten immer wieder hervor und mildern den Genuss ein wenig.
Schwache 7/10.
"La Terza Madre" entstand schließlich zu einer Zeit, in der Argentos überzeugenden Filme 2 Jahrzehnte zurücklagen. Was der letzte Maestro des italienischen Horrorfilms, der gerade zum Zeitpunkt seines künstlerischen Abstiegs sogar von seinem nur ansatzweise überzeugenden "Schüler" Michele Soavi um Längen überboten worden ist, in den letzten Jahren vor "La Terza Madre" auf sein Publikum losgelassen hat, kreiste im Prinzip immer in der Nähe des belanglosen Durchschnitts und die Hoffnungen auf ein grandioses Comeback, das an alte Zeiten anknüpfen würde, wurden begleitet von Befürchtungen, Argento würde seiner eigenen Trilogie hiermit einen peinlichen Todesstoß versetzen.
Tatsächlich erfüllt sich weder die eine, noch die andere Vermutung. Zwar ist "La Terza Madre" immer genau dann am beeindruckendsten, wenn Argento seine Vorgänger zitiert - etwa "Inferno", wenn die Heldin des Films bei einem Alchemisten aus einem Buch über die Häuser der drei Mütter liest und die Kamera dabei in extremer Großaufnahme über die Zeilen des Textes gleitet, was darüber hinaus auch Erinnerungen an die grandiose Kameraführung in "Profondo Rosso" erweckt; oder "Suspiria", wenn während der nächtlichen Taxifahrt der infernalisch rauschende Soundtrack zitiert wird und das geflüsterte "Witch, witch, witch..." gegen "Mother, mother, mother..." eingetauscht wird (01:15:53-01:17:00) - aber auch ansonsten bietet der Film noch einige kraftvolle Momente. Abgesehen von einem stimmungsvollen Vorspann sei hier etwa der erste Mord erwähnt, der detailfreudig über lange Zeit Verstümmelung, Ausweidung und Tötung präsentiert, mit seiner Farbdramaturgie aus Blau- und Rottönen, die dennoch kein Plagiat von "Inferno" bilden, den Brutalitäten aber auch einen unangenehm berührenden Reiz verleiht. Das missverstandene Konzept vom Mord als einer schönen Kunst ist deutlich spürbar. Ebenso sind einige Einstellungen von Moran Atias in der Rolle der Mater Lachrymarum sehr faszinierend geraten. Durch Bildkomposition und Kostümierung bleibt ihr Gesicht bei etlichen Großaufnahmen verdeckt - ein in höchstem Maße reizvoller, erotischer Anblick, was dem Bild einen fast fetischistischen Reiz im Sinne Baudrillards verleiht.
Doch neben Anflügen stilvoller Oberflächengestaltung sind auch die Schwächen kaum zu übersehen. Das fängt bereits bei der Handlung an, die vom Unerklärlichen der ersten Teile stärker Abstand nimmt und sich immer ganz konkret und erklärungssüchtig gibt.
In "La Terza Madre" wird [Achtung: Spoiler!] auf einem alten Kirchhof eine magisches Requisit in einer Truhe ausgegraben. Asia Argento öffnet als Sarah mit einer Kollegin ebendiese, als ein Blutstropfen aus dem just in diesem Augenblick verwundeten Finger der Kollegin auf die Kiste fällt - mit dramatischen Folgen. Denn kaum verschwindet Sarah für einen Augenblick, als drei Dämonen aus dem Nichts auftauchen und ihrem Opfer einen unangenehmen Tod bescheren.
Kaum kehrt Sarah an den Ort des Geschehens zurück, ist sie auf der Flucht vor den bösen Mächten, die sie fortan verfolgen. Zugleich gerät das magische Requisit in den Besitz von Mater Lachrymarum, um die sich ein Hexenzirkel bildet, der aus hysterisch kichernden Frauen besteht, die in Rom einen schlechten Eindruck und eine Spur der Verwüstung hinterlassen, welche einhergeht mit einer Welle von Wahnsinnsausbrüchen. Sarah und ein Freund, der ihr beisteht, sammeln nach und nach bei Priestern und Alchemisten - und auch durch die Hilfe von Sarahs toter Mutter (Daria Nicolodi), die selbst bereits in Freiburg Erfahrungen mit dem Hexengesindel gesammelt hat und nun der Tochter als Geistererscheinung beisteht - diverse Informationen um die drei Mütter, ehe es in geheimen Kellergewölben beim infernalischen Hexensabbat zum Finale kommt.
Hierbei misslingt gleich einiges: Die Welle an Wahnsinnstaten, die Rom überflutet, soll eine apokalytische Wirkung erzeugen, die leider völlig im Gegensatz zum Mikrokosmos der vorherigen Filme steht, in denen die Mütter und ihre Hexenbrut von aller Welt verborgen bleiben. Und zudem hatte Argento auch gar nicht das Budget, diese apokalyptische Wirkung ansprechend umzusetzen und die bevorstehende Apokalypse besteht aus knapp fünf eingestreuten Einzelszenen randalierender und mordender Passanten im gesamten Film. Eine Stadtansicht aus der Vogelperspektive soll die Assoziation erwecken, das Geschehen breite sich überall aus, davon sieht man als Zuschauer jedoch nichts.
Die aufdringliche Art der Hexen, die kreischend, pöbelnd und lachend die Gegend unsicher machen ersetzt das zurückhaltende Auftreten des Bösen in den vorherigen Filmen durch ein unpassendes Auftreten, dass das mysteriöse Wesen des Bösen ins Profane rutschen lässt.
Durch das Auftauchen des Geistes von Sarahs Mutter baut Argento zwar erstmal wieder die Nicolodi in einen seiner Filme seit knapp 20 Jahren ein und nimmt so auch vage Bezug auf die Vorgänger, stattet aber sogleich seine Heldin mit dem Draht zur Geisterwelt und infolge dessen auch mit weiteren übersinnlichen Fähigkeiten aus, was die Opferrolle der vorherigen Filme auch deutlich verändert: hier gerät keine Normalsterbliche ins Wirken düsterer Mächte, sondern hier kämpfen letztlich quasi gute Hexen gegen böse Hexen. Darüber hinaus macht sich auch hier das Schwinden der versprochenen Produktionsgelder während des Drehs bemerkbar, denn durchschaubarer hätten die unterdurchschnittlichen CGI-Effekte nicht ausfallen können. Auch einige Splatterszenen sind von schwachen Effekten nicht ganz unbehelligt geblieben.
Handwerkliche Mängel sind zwar ansonsten eher spärlich gesät, allerdings gibt es bis auf vorhin bereits erwähnte vereinzelte, kurze Höhenflüge auch keine extravaganten Pluspunkte auf diesem Gebiet zu bewundern. Die Ausstattung bleibt weitestgehend stimmig, die Kameraführung ist durchgängig sauber, der Sountrack unterstützt die Bilder wirksam, bleibt allerdings kaum hängen im Vergleich zur Musikuntermalung der Vorgänger.
Eine kleine Kuriosität am Rande liefert der Auftritt Udo Kiers, der bereits in "Suspiria" dabei war und hier einen Priester mimt, der Böses ahnt und dafür böse enden muss: seine Helferin hackt ihn geradezu zu Brei.
Alles in allem hat Argento einen annehmbaren Okkulthorrorfilm mit Splattereinschlag gedreht, der letztlich gerade mal unterhaltsamen Durchschnitt abgibt. Ärgerlich ist das jedoch, wenn man ihn direkt mit seinen Vorgängern vergleicht, denn an die farbgesättigten Fieberträume mit ihrer aufpeitschenden Musik und vielfach nicht völlig fassbaren Handlung wirkt dieser Abschluss wie eine banale Fahrt durch die Geisterbahn und wenn Sarah sich samt Freund nach dem Finale in den Abspann lacht, dann wird man das Gefühl nicht los, Argento habe erkannt, was dieser dritte Teil seiner Trilogie eigentlich ist: ein lachhafter Abschluss, wenngleich vom Bodensatz noch weit entfernt.
6/10.