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Als Brian de Palma Ende der 1970er und 1980er zu einem produktiven Regisseur im Horror- und Thrillergenre geworden war, reflektierte er seine Leib- und Magengenres in dem Thriller „Blow Out“.
Schon der Anfang nimmt den Horrorfilm im Allgemeinen und den gerade durch den „Halloween“-Erfolg extrem populären Slasherfilm im Besonderen auf die Schippe. Aus der subjektiven Perspektive wird gezeigt wie ein Killer ein Wohnheim voll leicht bekleideter Studentinnen beäugt, die gerade den typischen Tätigkeiten potentieller Slasherfilmopfer nachgehen – darunter natürlich auch Duschen, wie von De Palmas Vorbild Alfred Hitchcock in dem Slasher-Vorläufer „Psycho“ zu Weltruhm gebracht. Und genau hier will der Killer sein Opfer erstechen, dessen kläglich schlapper Schrei gleich in mehrerlei Hinsicht illusionsbrechend wirkt. Nicht nur unterläuft dies Genreerwartungen, sondern es ist auch der Punkt, an dem sich herausstellt, dass man einen Film im Film sieht, der gerade noch gedreht wird.
Derjenige, der den Schrei bei dieser augenscheinlichen Billigproduktion, die sowohl auf De Palmas Wurzeln im Low-Budget-Film als auch auf die Vorwürfe er mache misogynes Frauenquälerkino anspielt, richten soll, ist Toningenieur Jack Terry (John Travolta). Als dieser nachts nach brauchbaren O-Tönen für seinen Film sucht, nimmt er einen Autounfall auf. Als das Vehikel in den Fluss kracht, springt Jack hinterher und rettet die Prostituierte Sally (Nancy Allen) aus dem Wrack, während für ihren männlichen Begleiter jede Hilfe zu spät kommt. Dabei verlagert De Palma das schon im Titel erkennbare Vorbild „Blow Up“ von der auditiven auf die visuelle Ebene: Bei Antonioni war es Fotograf, hier ist es ein Tontechniker, dort sah der Protagonist eine Leiche auf einem von ihm entwickelten Bild, hier sind es die Tonaufnahmen.

Denn als Jack diese durchgeht, kommen ihm einige Sachen Spanisch vor. Jedoch ist dem Team des Toten jede Vermeidung von Publicity wichtig, handelte es sich bei ihm doch um einen beliebten Gouverneur und Präsidentschaftskandidaten, von dessen Beziehung zu Sally niemand erfahren soll. So hat Jack wenig Hilfe, als er herausfindet, dass auf dem Tonband ein Schuss vor dem Unfall zu hören ist…
Wobei sich „Blow Out“ bisweilen etwas zieht, ehe der Protagonist tatsächlich an den Schuss glaubt, der den Unfall verursachte, während der Zuschauer sich schon deutlich früher sicher ist. Und das nicht das Beste in einem zielgerichteten Thriller, denn das Antonioni-Vorbild war ja Sixties-Gegenkulturkino ohne großen Plot, in dem der (vermeintliche?) Mord dann doch eine Randerscheinung blieb. Hier hingegen ist es der Aufhänger für einen Plot, der zwischen Politthriller und eher klassischem (Frauen-)Mörderfilm pendelt – letzteren hatte De Palma bereits mit Filmen wie „Dressed to Kill“ bedient.
Dabei kann „Blow Out“ den Vorwurf der zumindest leichten Frauenfeindlichkeit, allen Metawitzen zum Trotz, nicht wirklich entkräften. Die meisten Frauen in diesem Film sind ziemliche Dummchen, vor allem ein Prostituiertenopfer des Killers ist haarscharf an der Grenze zur Karikatur, aber auch Sally wirkt stets etwas bräsig, was nicht unbedingt zur Sympathiesteigerung beiträgt. Und die wäre wichtig, ist sie doch eine wichtige Zeugin und ein potentielles Opfer der Hintermänner der Verschwörung, mehr nach als Jack. Der wiederum hat obsessive Qualitäten, die ein wenig an „Der Dialog“ erinnern – eine Verbindung, die dadurch noch unterstrichen wird, dass er früher für die Polizei arbeitete und Informanten verwanzte. Seine Ermittlung in der Ermordung des Senators ist daher auch ein Versuch der Wiedergutmachung, aber ein leicht manischer.

John Travolta spielt diesen Getriebenen dann auch recht überzeugend ohne ganz groß zu glänzen. Doch Jacks stoisches Anhören der immer gleichen Aufnahmen, seinen Recherchen, von denen ihn nahezu jeder abhalten will, all diese Facetten der (erst leichten, sich später steigernden) Obsession verkörpert er gelungen. Dagegen fällt Nancy Allen klar ab, was auch an der undankbaren Naivchenrolle liegt, während Dennis Franz in einer Nebenrolle Akzente setzen darf. Ebenfalls stark ist John Lithgow als Profikiller mit psychopathischen Zügen, der etwas zu viel Enthusiasmus bei seiner Arbeit zeigt und dabei ins Psychopathische rutscht.
So ist die Killerfigur, so gut gespielt sie auch ist, eine der Schwächen des Films, denn die große politische Intrige, die hinter alledem steckt, erweist sich als vergleichsweise banal und das meiste gefährliche Treiben lediglich als Werk des überenthusiastischen Assassinen. Das ist schade, denn hin und wieder gelingen De Palma treffende Spitzen in Richtung der Politik, vor allem in Sachen Vertuschung und gewahrtes Images, die wichtiger sind als die Wahrheit.

Viel stärker ist allerdings die bitterböse Schlusspointe des Films, die Bezüge zu De Palmas Werk, zu seinem Vorbild Hitchcock und zu den Genres Thriller und Horror allgemein herstellt. Denn „Blow Out“ ist auf seiner Metaebene wesentlich stärker als auf seiner inhaltlichen. Nicht nur hängen andauernd Poster von (Billig-)Horrorfilmen wie „The Boogeyman“, „Squirm“ und „Without Warning“ in den Kulissen, Ermittlungsarbeit und Filmdreh werden als Parallelen dargestellt, vor allem dann, wenn Jack aus Fotografien des Unfalls und seinen Tonaufnahmen eine Art Film bastelt (der wiederum an den Zapruder-Film der Kennedy-Ermordung erinnert). „Blow Out“ ist insofern auch ein Film über das Genrekino und als solcher ergiebiger als als klassischer Thriller.
Was nicht bedeutet, dass „Blow Out“ grundsätzlich langweilig wäre. Wieder setzt De Palma seinen Stilwillen gewinnbringend ein, von Splitscreens über eindrucksvoll Steadycam-Aufnahmen ohne Schnitte bis hin zu aufmerksamkeitssteuernden Großaufnahmen ist alles dabei, während einzelne Kabinettstückchen den Puls hochtreiben, etwa wenn der Killer ein Opfer belauert oder Jack eine halsbrecherische Autofahrt (unter anderem durch eine Parade hindurch) hinlegt um Sally vor drohendem Unheil zu warnen. Das ist immer wieder souverän, jedoch eben meist auf einzelne Szenen begrenzt.

So hinterlässt „Blow Out“ leicht gemischte Gefühle, denn inszenatorisch ist De Palmas Film ebenso stark wie als Metakommentar zum Filmemachen, zum Genrefilm und zu De Palmas Werk an sich. Da kann die eigentliche Handlung kaum mithalten, die als Politthriller eher zahnlos ist und wenig Überraschendes erzählt, da zumindest der Zuschauer Tathergang und Killer schon früh kennt. Auf oberflächliche Weise spannend und zumindest im Subtext hintergründig ist „Blow Out“ trotz seiner inhaltlichen Schwächen dann aber doch, insofern ist das Meckern auf gehobenem Niveau.

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