Es ist das Jahr 1992, Hongkongs Action-Aushängeschild hat seinen Abschied bereits beschlossen. John Woo wird dem Ruf des Geldes folgen und sich auf in den Westen machen (das er hier dann nie wieder zu alter Stärke zurückfinden sollte, konnte damals noch keiner ahnen). Vorher wird er dem Hongkong Kino noch einen letzten Film abliefern, der alles zeigen soll, was der Großmeister des Actionballet in den vergangenen Jahrzehnten gelernt hat. Ein letztes Mal will er noch zeigen warum er zu Recht der Gott der Bleihaltigen Action ist.
Doch wie es so oft ist, wenn man etwas besonders gut machen möchte, scheitert man an Dingen die man im Schlaf beherrscht. Das John Woo hier auf höchstem Niveau scheitert sei gleich zu Beginn angemerkt. Nach über 2 Stunden "Hard Boiled" sitzt man da und stellt sich unweigerlich die Frag, ob es das schon war. Oh man hat ohne Zweifel drei der großartigsten Shoot Outs aller Zeiten gesehen, die choreographisch wohl auf Ewigkeiten unerreicht bleiben. Alle drei wurden perfekt auf den Film verteilt. Die Teehausschießerei zu Beginn, die dem Zuschauer unmissverständlich den Weg aufzeigt, den es in den nächsten 128 Min zu bestreiten gilt. Es passt alles, die Härte, die blutigen Einschüsse, die Zeitlupen, die ausgefeilten Kameraeinstellungen, die Dynamik, der Rhythmus der Szenen ist perfekt, alles wirkt noch mehr nach einem Tanz, nach einem Todesballet, das sich nahe der Perfektion zu einer Musik bewegt die wohl nur John Woo hören kann.
Genauso verhält es sich auch mit der zweiten großen Actionszene, in der zwei verfeindete Mafiabanden in einem Lagerhaus aufeinander treffen und letztlich auch noch Woos Alltime Favorit Chow Yun Fat mitmischt und den Bodycount unaufhörlich in die Höhe treibt. Auch hier passt alles perfekt, fügen sich die Details und der Einfallsreichtum zu einem ganzen zusammen.
Auf die Spitze getrieben wird das alles natürlich im fast 40 minütigen Showdown in einem Krankenhaus in dem das ganze Können John Woos in einem nicht enden wollenden Shoot Out gipfelt, den man so noch nicht gesehen hat, den man nur mit offenem Mund bestaunen kann. Hier zeigt sich dann letztlich die ganze inszenatorische Kunst und Kraft John Woos, wenn er seine Helden Minutenlang ohne Schnitte durch das Gebäude tanzen lässt und dabei das Ende von "A better tomorrow" wie einen Kindergeburtstag aussehen lässt. Das ist fern jeglicher Realität, das ist so bigger than life, das ist pures reines Adrenalinkino. Das ist grandios!
So kann man sich also durchaus fragen wo Woos Scheitern liegt. Dieses "Scheitern" (es sei noch mal darauf hingewiesen, da andere Regisseure einen solchen Action-Film wohl niemals zustande bekommen werden, auch wenn sie es noch so viele Jahrzehnte versuchen sollten - gell Mr. Bay) findet zwischen den fulminanten Actionszenen statt. Hier stellt sich recht schnell Ernüchterung ein, denn die Geschichte, die Woo um seine Actioneinlagen gebastelt hat, ist doch recht dünn geraten. Zwar besteht auch sie aus einer Art best of aus Woos Filmen, wieder geht es um 2Männer, der eine ein Cop (Chow Yun Fat), der andere eingeführt als Gangster, der sich jedoch bald als Undercovercop herausstellt (Tony Leung), die sich anfangs noch erbittert bekämpfen aber schon bald ihre Gemeinsamkeiten entdecken und gemeinsam auf die Jagd nach den Bad Boys gehen. Dabei lässt sich Woo nicht nur zu viel Zeit um dieses Nichts auszuleuchten, er scheint auch kein wirkliches Interesse an seinen Figuren zu haben. Sie bleiben den gesamten Film über erstaunlich blass, wirken nur in den Über-Lebensgroßen Actionorgien wirklich interessant und lebendig. Dazwischen sind viel heiße Luft und viel Leerlauf, und das wo Woo sich doch immer durch eine interessante und gefühlsbetonte Charakterisierung seiner Figuren ausgezeichnet hat. Aber vielleicht sind das auch die ersten Anzeichen einer gewissen Müdigkeit die Woo bei sich selber festgestellt hat, und die letztlich auch ausschlaggebend war für den Wechsel in den Westen. (und dort stört es ja irgendwie keinen wirklich wenn die Charaktere in Actionfilmen flach wie ein Blatt Papier sind).
So bieten Chow Yun Fat und Tony Leung zwar ambitionierte Leistungen, die aber auch nicht wirklich gegen das angehen können was sie, unter Woos Regie schon geleistet haben. Beide wirken zwar extrem cool und unnahbar, wenn es auch Tony Leung noch am ehesten gelingt etwas wie Gefühl einzubringen, aber irgendwo sind die beiden doch zu sehr im eindimensionalen Drehbuch gefangen. Insbesondere Chow Yun Fat bekommt fast gar keine Gelegenheit seiner Figur mehr zu verleihen als eine unmenschliche Coolness.
Trotz dieser eindeutig nicht von der Hand zu weisenden Kritikpunkte stellt "Hard Boiled" einen der besten Action-Filme der 90er Jahre dar, der aber eindeutig hinter einem Meisterwerken wie "The Killer" zurückstecken muss. Dafür wirkt das alles zu sehr wie aufgewärmtes vom Vortag, schmeckt immer noch gut, ist aber eben nur das was man schon mal hatte. Ein Actionspektakel das seines gleichen sucht ist der Film trotzdem und deshalb gibt es auch lockere 7 Punkte, auch wenn ich den Film für eine der schwächsten gemeinsamen Arbeiten des Duos John Woo / Chow Yun Fat halte.