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 Ehe er Hongkong den Rücken kehrte, um in der Traumfabrik sein Glück zu suchen und dort '93 mit dem Van-Damme-Kracher „Hard Target" einen exzellenten, in Hollywood später kaum mehr getoppten Einstieg vorlegte, spendierte Taubenmeister und Heroic-Bloodshed-Vater, Ballerbalett-Koryphäe und Regielegende John Woo seiner Heimat 1992 mit „Hard-Boiled" ein Abschiedsgeschenk, das auf ewig in die Annalen der Actionfilmgeschichte eingehen sollte: Als Highlight der Wooschen Filmografie, als Meisterwerk des Genres wird das mit um die 230 sichtbaren Erschießungen in Bodycount-Rekordlisten ganz vorne rangierende Bleiepos vereehrt - und das absolut zu Recht. Wenn auch emotionale und inhaltliche Tiefe diesmal in den Hintergrund treten - in Sachen Action toppt Woo hier alles, was es in vorangegangenen Klassikerhits wie „The Killer" zu sehen gegeben hatte. Mit Stammstar Chow Yun-Fat als zahnstocherkauender wandelnder Coolness-Personifikation inmitten eines nicht enden wollenden Kugelhagels entfacht Woo ein zweistündiges Inferno, das noch heute seinesgleichen sucht.

Cop Tequila (Chow Yun-Fat), erbittert ob der Ermordung seines Partners Lionheart bei einem zu einer wilden Schießerei eskalierten Einsatz in einem Teehaus, zieht gegen das Waffenhändler-Syndikat von Gangsterboss Johnny Wong (Anthony Wong) zu Felde, der alles daran setzt, seinen Berufskollegen Mr. Hoi auszuschalten. Zwischen den Fronten befindet sich Undercover-Cop Alan (Tony Leung): In den Reihen Mr. Hois aktiv, versucht Johnny ihn für sein eigenes Team abzuwerben. Und wann immer die schicksalhafte Konstellation um die Präsenz Tequilas bereichert wird, fliegen die Fetzen, bis kein Handlanger welcher involvierten Verbrecherpartei auch immer mehr am Leben ist...

Verglichen mit früheren Woo-Werken ist die Story von „Hard-Boiled" eher schlicht, wenngleich sie im zwischen allen Fronten zermalt zu werden drohenden Part Tony Leungs einen interessanten und fesselnden Dreh-und-Angelpunkt besitzt und inhaltliche Woo-Trademarks wie eine im Zentrum stehende Männerfreundschaft sowie emotionale Momente nicht missen lässt. In der Hauptsache hat der „Mozart der Zerstörung" hier jedoch nur eines im Sinn, nämlich ein rauschendes Blutfest zu komponieren, das der Genrebezeichnung Heroic Bloodshed alle Ehre macht. Neben einem kurzen, aber absolut großartigen Shootout auf einem Boot sind es drei groß angelegte Actionsequenzen, zu deren Verbindung „Hard-Boiled" seine Handlung benötigt: Der Auftakt im Teehaus, ein Lagerhallen-Shotout in der Mitte und der legendäre Showdown im Krankenhaus.

Und was Woo hier an perekt choreografiertem gleichwie inszeniertem Gunplay-Eyecandy auffährt, übertrifft nicht nur alles, was er selbst in seiner gesamten Karriere, sondern wohl auch, was das Actionkino im allgemeinen bis dato aufzuweisen hatte: Die orgiastischen Shootouts sind eine absolut perfekte Symbiose aus Härte und Eleganz, brachialer Gewalt und graziöser Ästhetik. Nicht nur wird in unglaublichen Mengen, mit gigantischen Kollateralschäden an Mobiliar und verwüsteten Settings sowie suppendem Lebenssaft en masse gestorben, vor allem Woos Gefühl für verdelnde Stilmittel und diesen zugrunde liegende Choreografien von sensationeller Kreativität generiert die unbeschreibliche Klasse des Gebotenen. Da wird in Zeitlupe durch die Luft geflogen und beidhändig geballert, unser Held schießt beim eleganten Hinabgleiten eines Treppengeländers ebenso um sich wie an einem Seil von der Decke hängend durch eine Lagerhalle schwingend und die sensationelle Kameraarbeit setzt dem Overkill die Krone auf: Vor allem minuntenlange Plansequenzen ohne erkennbaren Schnitt im Finale, die Chow Yun-Fat und Tony Leung auf ihrem Kugelhagel-Trip durch Gangster-verseuchte Krankenhausflure begleiten, sind schlicht beeindruckend und auch der atmosphärischen Wirkung enorm zuträglich.

Freilich wäre die schönste Action-Bombardierung ohne den passenden Hauptdarsteller nur die Hälfte wert und hier kann Woo mit seinem Lieblingsstar Chow Yun-Fat freilich auf eine mehr als sichere Bank bauen: Den Rang des coolsten Heroic-Bloodshed-Protagonisten aller Zeiten wird dem sympathischen Tequila-Mimen niemand jemals abzulaufen vermögen. Dass er mit Tony Leung einen ebenfalls exzellent aufspielenden Costar zur Seite und mit Antohny Wong einen überzeugenden Badguy gegenüber hat, rundet die gelungene Besetzung perfekt ab.

Fazit: Mit „Hard-Boiled" schuf John Woo 1992 den ultimativen Heroic-Bloodshed-Film, ein Übermeisterwerk des Actionkinos, das zwar inhaltlich etwas schlichter und weniger tiefgründig als frühere Werke daherkommt, dafür aber auf dem Actionsektor ein Feuerwerk abbrennt, das nur mit dem Prädikat „perfekt" zu beschreiben ist: Ein immenser Bodycount, kompromisslose Härte, kreative, dynamische Choreografien, coole Posen, grandiose Kameraarbeit und der stylishe Woo-obligatorische Zeitlupen-Overkill verbinden sich zu einer noch heute ihresgleichen suchenden, ästhetisierten Bleiorgie, die mit Genrelegende Chow Yun-Fat darüber hinaus mit einem der coolsten Actionhelden aller Zeiten auftrumpft. Ein Meisterwerk!

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