Review

John Woo hat den Ruf des Meisters des Hongkong-Actionkinos inne. „Hard Boiled“ gilt als eines seiner besten Werke, das außerdem mithalf, das „Heroic Bloodshed“-Subgenre im Actionsektor zu etablieren. Die Frage ist nun: Haben Woo und „Hard Boiled“ ihren Ruf zu Recht?

Viel Feind, viel Ehr
Tequila (Chow Yun Fat) ist ein knallharter Cop, der einem Waffenschmugglersyndikat auf den Fersen ist. In einem Teehaus kommt es zu einer ersten opferreichen Konfrontation, in deren Verlauf Tequila nicht nur seinen Partner verliert, sondern auch unwissentlich einen undercover agierenden Doppelagenten erschießt. Klar da, dass sein Vorgesetzter nicht gerade erbaut von seiner Leistung ist und ihm zur Strafe den Fall entzieht. Doch Tequila lässt sich so einfach nicht kaltstellen und ermittelt auf eigene Faust weiter. Schon bald kommt er einem Krieg zweier verfeindeter Waffenschieberbanden auf die Spur, die sich gegenseitig unablässig befehden. Hier beginnt auch die Geschichte von Undercover-Cop Tony (Tony Leung), der zuerst für Waffenboss Hoi arbeitet, sich allerdings bald aufseiten von dessen Erzrivalen und Konkurrenten Johnny schlägt, nachdem dieser die Oberhand im Bandenkampf zu erlangen scheint. Kurze Zeit später treffen Tequila und Tony aufeinander und stehen sich anfangs feindlich gegenüber, bis sie realisieren, dass ihre Absichten gar nicht so sehr auseinander gehen und verbünden sich im gemeinsamen Kampf gegen Johnny`s skrupelloses Syndikat.

Chow Yun Fat enttarnt: Cheateinsatz!
Schon bei „The Killer“ habe ich mich nicht nur einmal gefragt, ob Fat`s Charaktere nicht in Wahrheit Computerfiguren aus Ego-Shootern sind, bei denen ein übereifriger, erfolgssüchtiger Spieler (in diesem Falle Regisseur John Woo) ein paar Cheats eingegeben hat. Folgende fallen mir ein: Godmode. Fat ist nahezu unverwundbar. 99% aller gegnerischen Kugeln zischen an ihm vorbei und treffen scheppernd in Wände, Boden oder Gegner neben, hinter und über ihm. Auch können in nächster Nähe neben ihm Handgranaten oder andere explosive Dinge in die Luft gehen, er hechtet kurz zur Seite und ballert weiter.
Infiniteammo: Nachladen? Nicht nötig! Im ganzen Film werden höchstens 2 Magazine gewechselt. Aber bitte, wie sollen denn sonst auch die 20 anstürmenden Gegner in kurzer Zeit plausibel den Tod finden? Diese Dinge hätten mich früher gestört, denn da begriff ich noch nicht, dass sie für das Heroic Bloodshed-Genre typisch sind. In diesem geht es um Freundschaft, die bis in den Tod geht. Um explosionsgeladene Feuergefechte mit riesigem Bodycount und der expliziten Bitte, physikalische Gesetzmäßigkeiten doch freundlicherweise außer Acht zu lassen. Denn anders könnten diese Filme nicht verstanden werden. John Woo legt die erwartete Mischung aus knallharter Action (die Indizierung dieses Streifens ist absolut nachzuvollziehen) und Story mit Freundschaftsmotiven vor, die schon „The Killer“ zu einem seiner größten Erfolge werden ließen. Allerdings kann der Plot von „Hard Boiled“ nicht mit oben genanntem Film mithalten. Vor allem, weil ihm die dramatischen Elemente fehlen. Hier ist das Ganze vielmehr auf Buddymovie ausgelegt und die Entwicklung der „Freundschaft“ ist mit Sicherheit nicht so intensiv und aufbauend wie im vielgelobten Referenzwerk Woo`s. Hier halten sich die Kerle jeweils eine Waffe an den Schädel, drücken jedoch nicht ab und schon beim nächsten Aufeinandertreffen bezeichnen sie sich als Freunde und fangen für den anderen schon die eine oder andere Kugel ein. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man hier von einer gewissen Oberflächlichkeit sprechen, die Woo hier ergriffen hat. Ansonsten kann man nicht viel Negatives über diese prächtig choreographierte Shootout-Orgie berichten. Gut, die Szenen besitzen keine Hochglanzoptik, aber vielleicht soll gerade das die Dreckigkeit der Umgebung widerspiegeln. Spielereien wie der häufige Einsatz von Zeitlupe in besonders actionreichen (oder blutigen) Situationen wissen zu gefallen. Auch die Schauspieler liefern eine recht passable Vorstellung ab, auch wenn man hier nicht wirklich von forderndem Schauspiel sprechen kann. Was nur leider ziemlich stört: Die unerträgliche Synthiemusik, die einem den letzten Nerv raubt. Glücklicherweise tritt sie eher selten zwischen den bleihaltigen Auseinandersetzungen auf.
Von Chow Yun Fats grässlicher Don Johnson-Synchronstimme kann man das leider nicht behaupten…

Take it or leave it
Filme wie “Hard Boiled” kann man nur mögen oder nicht. Ein Mittelding gibt es nicht. Für den mitdenkenden Zuschauer, der es gern realistisch und nachvollziehbar mag, sind derartige Filme sicher nichts. Zu sehr pfeifen sie auf die Gesetzmäßigkeiten des modernen Actionkinos.
Auch blutgeile Spläddakiddies werden zwar (leider!) ihren Gefallen an den ausufernden, sehr blutigen Schießereien haben, allerdings den metaphorischen Botschaftscharakter der Stories, die vor allem Motive wie Freundschaft, Liebe und Leid in den Kontext stellen, nicht verstehen und sie allein stupide auf den (riesigen) Bodycount und große Explosionen reduzieren und sich wie ein Schnitzel drüber freuen. Für alle anderen, die ebenjene Sehgewohnheiten nicht für sich beanspruchen, ist „Hard Boiled“ ein guter Vertreter des Hongkong-Actionkinos, der zwar nicht an Woo`s „The Killer“ heranreicht und auch sonst so seine kleineren Schwächen hat, allerdings schon alleine wegen der Actionszenen Referenzcharakter besitzt.

7 von 10 100-Schuss-Berettas

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