Review

Es ist wirklich kaum zu fassen - da ist eine Story vorhanden mit einem Potential wie die Geschichte um Charles Manson gar und noch dazu mit dem Hintergrund einer ebenfalls wahren Begebenheit und es gelingt nicht, daraus einen auch nur halbwegs spannenden, geschweige denn emotional mitreissenden Film zu machen. "Savage Messiah" gehört daher ganz klar in die Kategorie von Filmen, die storytechnisch die allerbesten Voraussetzungen hatten, aber erzähltechnisch so realisiert wurden, dass man sie diesbezüglich als gescheitert bezeichnen muss.

Die Geschichte um den charismatischen Sektenführer Roch Thériault und seine Kommune aus überwiegend Frauen und Kindern, welche er wie Sklaven und meist mit sadistischer Grausamkeit behandelt, ist wirklich sehr, sehr krass. Geht man von der Kurzdoku (in Textformat) aus, welche eine der wenigen special features der EMS DVD Veröffentlichung ist, so hält sich der Film auch relativ streng an den Ablauf der realen Ereignisse. Immerhin, denn eine zusätzliche dramatische Ausschmückung durch fiktionale Elemente hat diese menschliche Tragödie absolut nicht nötig und wäre wohl auch ethisch eher fragwürdig. So kann man den Erzählstil denn auch fast als dramatisierte Dokumentation bezeichnen.

Was den Gesamteindruck dabei leider stark herunterzieht sind handwerkliche Mängel, wie beispielsweise die doch ziemlich vor sich hin stolpernde Inszenierung. Bisweilen hat man das Gefühl als fehlten ganze Erzählabschnitte, da die insgesamt streng lineare Handlung desöfteren sehr zügig voranschreitet, um gezielt die relevanten Entwicklungen im Fall des Sektengurus Thériault anzusteuern. Dadurch beschränkt sich der Film darauf, lediglich die Fakten zu zitieren, ohne jedoch dabei Zusammenhänge und Hintergründe zu beleuchten, oder den beteiligten Personen eine eigene Persönlichkeit zuzugestehen. So unterscheiden sich etwa die Frauen in Thériaults Sekte in ihrer Darstellung auch quasi überhaupt nicht voneinander und wirken wie bloße Statisten, nicht aber wie individuelle, menschliche Schicksale.

Ferner klaffen durch die genannte Erzählweise immer wieder auch Löcher in der Struktur des Films auf. Beispiel: Paula Jackson, die Sozialarbeiterin des Kindernotdienstes, findet bei ihrem ersten Besuch der Kommune noch einen weiteren erwachsenen Mann außer Thierault vor. Dieser scheint sich im weiteren Verlauf jedoch in Luft aufzulösen, bis er in der Gerichtsverhandlung am Ende des Films auf der Zuschauerbank plötzlich wieder auftaucht. Derartige Ungereimtheiten sind - auch für einen Spielfilm auf TV-Niveau - so unverzeihlich wie vermeidbar. Auch kann man dem Film keinen gescheiten Spannungsbogen attestieren. Paula Jackson erringt fortlaufend ihre Etappensiege im Kampf gegen Thériault, was sich für den Zuschauer ziemlich unspannend darstellt. Derweil leiden die Mitglieder der Kommune in ihrer selbstgewählten Hölle glücklich weiter.

Hätte sich Regisseur Mario Azzopardi doch wenigstens dafür entschieden, einen bestimmten Kontext ausführlich zu beleuchten (also z.B. entweder die juristische Seite, die religiösen Hintergründe der Sekte oder schlicht die zwischenmenschlichen Aspekte), oder sich für eine ganz konkrete Perspektive entschieden (etwa den Blickwinkel eines der Opfer), dann hätte der Film insgesamt sehr an Wirkung und Substanz gewonnen. So aber fehlt bei "Savage Messiah" einfach ein klarer Fokus. Eben noch im Gerichtssaal, fragt sich der Zuschauer, wieso Thériault ob der geschilderten Ungeheuerlichkeiten nicht angeklagt wird (gibt es in Kanada keine Staatsanwaltschaft?), schon ist der Typ wieder im Wald bei seinem Harem. Paula Jackson spaziert vor Ort ohnehin ein und aus wie es ihr gerade gefällt. Eine zeitlicher Rahmen ist ebenfalls nicht erkennbar (zwischen den einzelnen Szenen könnten Stunden, oder aber auch Wochen liegen).

Ein weiterer Kritikpunkt sind die sehr mäßigen schauspielerischen Leistungen. Vor allem die weibliche Hauptdarstellerin tendiert schon mal zum Chargieren. Die Nebenrollen, insbesondere die weiblichen Mitglieder der Kommune, erwecken dagegen den Eindruck von Statisten, die meist reichlich überfordert damit wirken, überzeugende Gefühlsregungen zu zeigen und i.d.R. nur verlegen in die Gegend starren. Dadurch entsteht nicht etwa der Ausdruck von Hörigkeit, sondern vielmehr beschleicht den Zuschauer das Gefühl, als könnten die Damen nicht bis auf drei zählen - was wohl kaum der Eindruck sein kann, den der Film vermitteln will. Es werden jedenfalls keine intrapsychischen Einblicke geboten und das ausgerechnet bei einem Film, in dem die meisten Charaktere nicht mehr ganz bei Trost sind (abgesehen von ein paar privaten Rückblenden der Sozialarbeiterin, die für die Handlung aber eher irrelevant sind).

Unangenehmerweise zählt "Savage Messiah" zudem zu der Art Filmen, bei denen der Zuschauer im Grunde überhaupt nicht mehr selbständig denken muss - dank den expliziten Erklärungen in Form von Paula Jacksons Monologen! Spätestens als diese Thériaults Frauen in der Kommune aufsucht, um ihnen einen Vortrag über die vorherrschenden Verhältnisse zu halten, wird einem klar, dass man für den Rest des Films das Hirn ausschalten kann. Hier wird ohne Unterlass all das verbalisiert, was sich einem durch die dargestellten Ereignisse ohnehin erschließt. Ergo bleibt nur die emotionale Wirkung des Dramas, welche zwar durchaus aufwühlend sein kann, allerdings mehr aufgrund des bekannten realen Hintergrunds, als aufgrund einer passablen filmischen Umsetzung.

Fazit: Eine gute Story garantiert noch keinen guten Film. Es kommt eben auch darauf an, wie die Geschichte erzählt wird. "Savage Messiah" erzielt seine bisweilen verstörende Wirkung nicht etwa durch eine als gelungen zu bezeichnende, filmische Bearbeitung des Stoffes, als vielmehr durch die beklemmende Gewissheit, dass sich die geschilderten Ereignisse tatsächlich zugetragen haben. Die entsetzliche Geschichte um Roch Thériault und seiner "Ant Hill Kids" Kommune hätte definitv eine würdigere Auseinandersetzung in Form einer qualitativ angemessenen Verfilmung verdient. Leider dringt "Savage Messiah" nicht unter die Oberfläche eines entsetzlichen Phänomens vor und unternimmt hierzu auch nicht einmal den Versuch. So bleibt es bei der Nacherzählung der gröbsten Fakten in einer handwerklich sogar unterdurchschnittlichen TV-Inszenierung, welche die Fragen nach dem Wie und Warum erst gar nicht stellt. Sehr schade! (4,5 / 10 Punkten).

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