In einigen Fällen wirkt dieses „beruht auf einer wahren Begebenheit“ ja ziemlich abgedroschen, sofern denn überhaupt ein realer Hintergrund existiert.
Bei „Savage Messiah“ bewirkt dieser Satz allerdings das Gegenteil, denn mit dem Hintergrundwissen, dass sich in den 80ern tatsächlich Derartiges in Kanada zugetragen hat, stimmt der Film doch derbe nachdenklich.
Im Jahre 1993 wurde der Sektenführer Roch Thériault zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, da ihm unter anderem der Mord an einer seiner Frauen und einem Kind nachgewiesen wurde. Der Film erzählt die Ereignisse kurz vor seiner Verhaftung.
Auf den ersten Blick wirkt die Kommune um den charismatischen Sektenführer Roch (Luc Picard) wie eine glückliche „Kelly-Family“ im Wald.
9 Frauen und 17 Kinder, unter religiösem Vorwand wird ein abgelegenes Paradies errichtet, Einklang mit der Natur, Lebensmitteltausch, Polygamie, - „wir lieben Gott und einander…“
Doch der Himmel auf Erden entpuppt sich als Hölle für alle, die nicht Roch sind.
Es herrschen Hass, Alkohol und Gewalt. Totale Kontrolle und vollkommene Hörigkeit der Frauen und Kinder. Sie werden für Nichtigkeiten hart bestraft und sind dem Tyrannen hoffnungslos ausgeliefert.
Das erfährt auch Paula Jackson (Polly Walker) vom Kindernotdienst, die eigentlich nur Hilfsmittel für den Winter zur Kommune bringen will und schon bald hinter die Fassade blickt.
Ein eindrucksvoller TV-Film, der ohne vordergründige Gewaltdarstellung und Effekthascherei auskommt.
Das liegt hauptsächlich an der schlichten und schnörkellosen Umsetzung der Geschichte, die den Zuschauer emotional stark in seinen Bann zieht.
Es ist erschreckend, wie sich Menschen der Diktatur eines unberechenbaren Mannes unterwerfen und sogar nach seiner Festnahme noch zu ihm halten.
Selbst, als Paula Jackson per Gerichtsbeschluss bewirkt, dass sämtliche Kinder weggebracht werden, halten die Frauen unbekümmert zu ihrem Anführer.
Wäre dieser Stoff pure Fiktion, könnte man mit Unwahrscheinlichkeiten argumentieren, aber Tatsache ist, dass Roch Thériault sogar während seiner Haft Kinder mit den verbliebenen Anhängerinnen zeugte.
Tatsache ist auch, dass sich professionelle Gerichtsgutachter von den wirkungsvollen Reden des Gurus beeinflussen ließen.
Ruhig wird dieses Psychodrama erzählt und greift nur selten auf direkte Gewaltdarstellungen zurück, etwa wenn ein Siebenjähriger seine eigene Mutter mit Faustschlägen ins Gesicht bestrafen muss oder eine Frau ein Messer durch die Hand gestoßen bekommt.
Ansonsten herrscht psychische Gewalt, die per Aussagen der Opfer vor Gericht verdeutlicht wird und dem Zuschauer die Nackenhaare zu Berge stehen lässt.
Ganz stark sind auch sämtliche Darsteller, denn nicht nur die verängstigten und eingeschüchterten Frauen des Tyrannen agieren glaubhaft.
Luc Picard glänzt in der Rolle des unberechenbaren Schlächters, seine Erscheinung gleicht zwar äußerlich einem „Mann aus den Bergen“, doch sein finsteres Spiel und der diabolische Blick sitzen. Allein die Szene, in der er Reiki missbraucht, um einer Kellnerin zu helfen („gib mir deinen Schmerz“) ist beeindruckend.
Als Gegenpart glänzt Polly Walker, die facettenreich und glaubhaft als couragierte, toughe Frau überzeugen kann.
Handwerklich liefert Regisseur Azzopardi solide Kost, in einigen Rückblenden setzt er zwar Blaufilter ein, konzentriert sich ansonsten aber stark auf die Story
Kamera und Schnitt sind sicherlich nicht das gehobene Niveau, entsprechen aber einem brauchbaren TV-Standard.
Nein, es ist diese packende Story, die diesen Streifen durchweg sehenswert macht.
Dieser kleine psychische Schneeball, der gegen Ende als emotionale Lawine über den Zuschauer hereinbricht.
Nicht übel für einen TV-Film, der ohne den wahren Hintergrund sicher ein austauschbares Drama wäre, - soviel sei der Fairness halber gesagt.
Aber diese Realitätsnähe, die der Film vermittelt, wuselt einiges beim Zuschauer auf.
Knapp
8 von 10 Punkten