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Befragte man David Cronenberg in der Vergangenheit nach seiner Meinung zum Begriff „Body Horror“, reagierte er normalerweise mit Ablehnung. Das ist nicht ganz unverständlich. Medien neigen schließlich dazu, künstlerisches Schaffen auf das Vordergründige zu reduzieren. Sie sehen die Knospe, aber nicht das Wurzelgeflecht unter der Erdoberfläche. Oder, um bei den Topoi Cronenbergs zu verweilen: Sie versammeln sich schaulustig um das Symptom, anstatt der beschriebenen Krankheit auf den Grund zu gehen.

Doch nicht nur Medien verfahren auf diese Weise, wenn sie filmisches Schaffen in wenigen Zeilen für den halbseitigen Interview-Teil der Tageszeitung aufbereiten müssen. Es ist auch die bevorzugte Strategie vieler B-Movie-Produktionen, die sich der Schlüsselreize eines Originals bemächtigen und diese zur Ausschlachtung in Fortsetzungen freigeben. Von denen werden dann so viele produziert, bis sie kein Geld mehr einspielen, wenn das Publikum der Markenzeichen endgültig überdrüssig geworden ist – im Fall von „Scanners“ wären das die pulsierenden Adern und explodierenden Köpfe.

„Scanners II“, inszeniert vom damals unerfahrenen Christian Duguay, scheint auf dem Papier zweifellos ein solcher Kandidat zu sein. Jede Verbindung zu Cronenberg selbst ist gekappt, sogar die komplette Darsteller-Riege wurde komplett ausgetauscht. Das Original stellt nur noch die Prämisse und den Titel zur Verfügung. Dem neuen Drehbuchautoren B.J. Nelson obliegt es, die ausgelegten Fäden zu einem völlig neuen Muster zusammenzusetzen. Bedenkt dann noch, dass der erste Teil sein aufreizendes Suspense-Building immer wieder auf dem Höhepunkt versiegen ließ, musste man fast zwangsläufig einen gestiegenen Anteil an SFX-Sequenzen erwarten, würde man doch bestimmt die berühmte Mir-platzt-der-Schädel-Sequenz in allen Farben und Formen durchkonjugieren wollen, wo man einmal die lästige Pflicht los ist, einen anspruchsvollen Unterbau bieten zu müssen.

Bahn frei also für telekinetische Masturbation und ausladende Splatter-Orgien? Wer von „Scanners II“ solche Exzesse erwartet, sieht sich schnell eines Besseren belehrt. Duguay ist überraschenderweise darum bemüht, nicht nur Story-Ideen des Originals aufzunehmen, sondern auch Anschluss zu halten an Cronenbergs unergründliche Nebelfelder, zu denen auch die undurchdringliche Mischung verschiedener Genres gehört. Komplett in Montreal gedreht, stellt der neue Regisseur ebenso wie sein Vorgänger eine Mixtur auf die Beine, die mit „Horror“ nur unzureichend beschrieben ist. Die kanadische Metropole tritt als kalte Betonwüste in Erscheinung, in deren Eingeweiden ein Nebeneinander aus Steampunk- und Noir-Verästelungen sowie klinischem Labor-Ambiente besteht, fast wie eine retrofuturistische Version des New Yorks, wie es in den Filmen der 80er Jahre eingefangen wurde. Cronenberg deutete diese Ästhetik in „Scanners“ durch gelegentliche Establishing Shots der Schauplätze an, Duguay taucht nun tief in sie hinein und opfert damit die auf Distanz bedachte, analytische Perspektive seines Vorgängers. Dabei lässt er sich intuitiv von der Perspektive der neuen Hauptfigur leiten, die David Hewlett mit der Naivität eines Unschuldigen verkörpert, oder, wie es im Film heißt, eines „jungfräulichen“ Scanner-Exemplars.

Der Wille, dem Original gerecht zu werden, scheint jedenfalls groß. Schon die Tagline „The New Order“ enthält viel von Cronenbergs Ideen zur Restrukturierung des Bewusstseins angesichts physiologischer Veränderungen des Körpers. Die „Neue Ordnung“ als Prinzip evolutionärer Überlebensstrategien, so etwas wäre ein Themenkomplex, den man auch Cronenberg hätte zutrauen können. Die organische Integration politischer und gesellschaftlicher Subtexte erschwert es, beim Sequel von anspruchsloser Genre-Ware für Schaulustige zu sprechen.

Gleichwohl gerät Duguay trotz der lobenswerten Ansätze so einiges in den Grenzbereich zur Exploitation. Schon die Einführung des Antagonisten spricht diesbezüglich Bände. Raoul Trujillo eröffnet den Film als wiehernder Psychopath, den seine Gabe offenbar an den Rand des Wahnsinns geführt hat. Erst entert er die Automaten einer Spielhölle und provoziert mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten die anwesenden Gäste, dann nimmt er ein altes Lagerhaus voller Mannequins auseinander, während auf dem Hof die Streifenwagen das Einsatzlicht kreisen lassen und die Agenten auf einen geeigneten Moment für einen Zugriff warten. Beide Szenarien erinnern an B-Actioner jener Zeit, insofern sie einen unberechenbaren Bösewicht willkürlich Chaos stiften lassen. Später wird es unabhängig davon noch ein Überfall-Szenario in einem Supermarkt geben, bei dem die Räuber auf ungewöhnlich wehrhafte Kunden treffen. Doch wo sich in solchen Situationen normalerweise ein Lundgren oder Seagal dem Verrückten in den Weg stellen würden, greift nun das Cronenberg-Prinzip von pharmazeutischer Forschung und Verschwörungen auf den höheren Regierungsebenen. Die übernatürlich begabten Handelnden der Geschichte werden zu den Marionetten der passiven Planer, die sich wie Schachspieler über das Spielfeld beugen und ihre Figuren strategisch von einem Feld zum nächsten springen lassen.

Wo es dann aber darum geht, die behandelten Kontexte mit Substanz zu füllen, fällt die Fortsetzung zurück. Worin genau die „Neue Ordnung“ beispielsweise besteht, wird gar nicht weiter ausgeführt; Yvan Ponton legt den machtgierigen Polizisten und Haupt-Antagonisten John Forrester an wie einen Bond-Villain, dessen Weltveränderungspläne ebenso größenwahnsinnig wie abstrakt sind, ein MacGuffin letztlich, um den Helden in Bewegung zu bringen. Auch die für den ersten „Scanners“ noch so wichtige Retro-Computer-Ästhetik spielt im zweiten Teil keinerlei Rolle mehr. Die Videospielautomaten aus dem Prolog bleiben reine Ausstellungsstücke, die den angestoßenen Diskurs in keiner Weise weiterführen; das hatte Cronenberg zwischenzeitlich ohnehin bereits mit „Videodrome“ (1983), „The Fly“ (1986) und „Dead Ringers“ (1988) selbst erledigt.

In der zweiten Hälfte häufen sich dann auch noch manche Ungereimtheiten im Drehbuch, insbesondere was die recht bemühte Verlinkung mit den Ereignissen des ersten Teils angeht, die einige Fragen bezüglich der zeitlich-örtlichen Einordnung aufwerfen. In der Schlussphase geschehen einige Dinge sehr abrupt und sind spürbar darauf ausgelegt, einen Knalleffekt zu erzeugen. Der bis dahin nur moderat actionlastige Streifen sprüht plötzlich Funken, lässt Gesichter schmelzen und schleudert Menschen durch die Luft – nicht wie im kontrollierten Effekt-Finale zwischen Stephen Lack und Michael Ironside, sondern geleitet von Chaos und Anarchie.

Trotz aller Mängel funktioniert „Scanners II“ als B-Film mit Ambitionen relativ gut. Horror und Action sind sauber inszeniert, gut dosiert und nehmen keine Überhand. Montreal liefert eine stimmungsvolle Kulisse. David Hewlett ist als Darsteller von einem ähnlichen Format wie Stephen Lack (gecastet vor allem, weil er als Scanner optisch gut passt, nicht weil er ein besonders herausragender Schauspieler wäre), Trujillo versprüht als sein direkter Gegenspieler durchaus Charisma, auch wenn er gegen Ironside und seine immer noch durch Mark und Bein gehende Ansage „I’m gonna suck your brain dry“ kein Land sieht, egal wie hoch der Irrsinn in seinen Augen steht. In der Mitte entstehen ein paar Längen und am Ende ein paar konstruierte Auflösungen, weil die „Neue Ordnung“ inhaltlich nicht weit genug ausgearbeitet wurde, als dass man mit ihr in die A-Liga aufsteigen könnte. Aber es gibt eben nur einen Cronenberg.

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