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Für Regisseur Joel Schumacher („Falling Down“, „Flatliners“) war „Tigerland“ ein Neuanfang. Nach bösen Reinfällen wie „Batman & Robin“ oder „8MM“ blieben die Angebote der Major-Studios aus. Ihm haftete das Stigma eines Flop-Regisseurs, dem man lieber kein großes Budget geben sollte, an. Da an „Tigerland“ an keine großartigen, finanziellen Erwartungen geknüpft waren, fiel seine Arbeit hier wesentlich befreiter, zwangloser und vor allem kompromissloser aus. Er schuf neben Filmen wie „Full Metall Jacket“ einen der beeindruckendsten Antikriegsfilme, die sich des Themas „Ausbildung“ annahmen.

In grobkörnigen, blassen, farblosen Bildern verpackt, ist „Tigerland“ ein leicht surrealistischer Touch nicht abzusprechen. Die Handkamera ist ständig in Bewegung und wankt, selbst wenn sie nur eine Stelle fokussiert. Der Film bekommt durch sie einen dokumentarisch, authentischen Anstrich und lässt den Film umso realistischer wirken.

1971 ist der Vietnamkrieg schon weit fortgeschritten, das Militär hat aus seinen anfänglichen Fehlern gelernt und beginnt ihren Drill den Begebenheiten in Vietnam anzupassen. Roland Bozz (Colin Farrell) ist einer der Rekruten, die auf die bevorstehende Hölle hintrainiert werden. Schon während der ersten Tage im Ausbildungslager wird klar, dass er ein Rebell ist, der sich den Autoritäten widersetzt und dafür auch strapaziöse Strafen auf sich nimmt. Obwohl er Soldat sein will und sich am richtigen Ort wähnt, ist er nicht bereit alles mit sich machen zu lassen. Er will Mensch bleiben und sich nicht zur seelenlosen Killermaschine umfunktionieren lassen.

Nicht nur die harte Ausbildung in Matsch, Regen und Feuchtigkeit mit Schlafentzug, willkürlichen Aufgaben und Erniedrigung wird thematisiert, sondern auch die einzelnen Individuen, die sich freiwillig aus den unterschiedlichsten Motiven gemeldet haben, ins Auge gefasst. Neben gescheiterten Ehen und Arbeitslosigkeit ist auch der fehlende Lebenssinn ein Grund. Bozz fehlt er nicht, er kann die militärischen Gesetze auswendig und ist so juristisch beschlagen, dass er den Kameraden aus der Maschinerie heraushilft, die an ihr kaputt gehen würden. Sehr zum Missfallen seiner Vorgesetzten, die ihn nur möglichst bald in Vietnam sterben sehen wollen. Sie nehmen ihn extra hart ran, doch das schluckt Bozz ohne Murren – wohl wissend die damit nur noch mehr gegen sich aufzubringen. Unter den Kameraden kristallisieren sich aufgrund seines Verhaltens zwei Parteien heraus: Die einen respektieren ihn, die anderen hassen ihn. Und das soll Folgen haben…

Joel Schumacher zeigt den unmenschlichen Drill ohne zu beschönigen. Lässt die Ausbilder mit aller Härte gegen die Rekruten vorgehen, da angeblich nur diese führende Hand ihnen in Vietnam das Leben retten kann. Ob es wirklich etwas gebracht hat, wird erst „Tigerland“ zeigen. Ein Ausbildungslager, das ganz nach Vietnam-Stil nachgebaut wurde. Hier soll Buzz auf einen Kameraden treffen, bei dem schon längst eine Sicherung durchgeknallt ist, der grenzenlosen Hass auf ihn hat und während der Übung scharfe Munition mit sich trägt.

Colin Farrell gelang mit diesem Film der Durchbruch. Aus ihm ist inzwischen DER angesagte Topstar Hollywoods geworden, der wohl nur aus Dankbarkeit noch einmal beim ebenfalls schmal budgetierten „Phone Booth“ von Joel Schumacher vor der Kamera stand. Die Rolle des sich nicht unterordnenden Rekruten, der trotz seiner Haltung oder gerade deswegen vom Außenseiter zur Führungsfigur avanciert ist ihm auf den Leib geschrieben. Dabei darf man aber die weiteren Schauspieler nicht außer Acht lassen. Kein Ausfall und keine unglaubwürdige Darstellung sind auszumachen. Schauspielerisch insgesamt eine hervorragende Leistung aller.

Fazit:
Joel Schumacher schuf mit „Tigerland“ eine kritische Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Militärapparat, die in einem Zug mit Klassikern wie Oliver Stones „Platoon“ oder Stanley Kubricks „Full Metall Jacket“ genannt werden darf. Frei von Kitsch und Klischees besticht der Film vor allem durch seinen hohen Grad an Realismus. Die gnadenlose Ausbildung wird genau so realitätsnah gezeigt, wie auf die Psyche einzelner Figuren eingegangen wird. Absoluter Geheimtipp, der nicht durch spektakuläre Kampfszenen, sondern eine nüchterne Darstellung überzeugt. Alles andere als leicht verdauliche Kost!

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