"Die Chorknaben" von Robert Aldrich ist ein Paradebeispiel dafür, warum man Filme bei der Beurteilung ihrer Relevanz und ihres Unterhaltungswertes immer auch im Rahmen ihrer Entstehungszeit betrachten sollte. Der abgehärtete Zushauer der 70er Jahre hatte natürlich schon allerhand Cop-Filme gesehen, aber selten zuvor war eine Polizeitruppe im Kino so offen anarchisch, infantil und fröhlich amoralisch aufgetreten. Diese Jungs waren in keinster Weise daran interessiert, die braven Bürger ihrer Stadt zu schützen und Lichtjahre entfernt von dem pflichtbewussten Ordnungshüter, als den man sich seine Staatsgewalt gern vorstellt. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft, nur sich selbst verpflichtet, die soffen, hurten und prügelten, dass es eine Lust war. Selbst der Autor Joseph Wambaugh, ein Ex-Polizist und Verfasser diverser Cop-Thriller distanzierte sich von dieser Verfilmung seines Romans und ließ seinen writing credit entfernen. Kein Wunder also, dass die dreckigen Witze, ständigen Flüche und gedankenlos-brutalen Geschehnisse in Deutschland auch ohne übertriebene Gewaltdarstellung prompt ein Erwachsenen-Rating kassierten. Als Sinnbild für die damalige Rezeption mag hier die behandschuhte Faust dienen, welche im Vorspann ein buntes Kirchenfenster einschlägt, woraufhin ein Männerchor zu singen beginnt: "We're the members of the Police Force..."
Formal handelt es sich bei Aldrichs Film um eine Mischung aus Satire, Thriller und Ensemble-Drama - der Film beginnt mit der Alltagsdarstellung eines Haufens lockerer Jungs in Uniform (u.a. James Woods, Charles Durning, Randy Quaid, Louis Gossett Jr., Perry King, Burt Young und Charles Haid), die ständig blöde Sprüche klopfen und sich gegenseitig durch den Kakao ziehen. Über seine Laufzeit hinweg wird er dann zunehmend grimmiger und endet (trotz einem angeklatschtem, von der Romanvorlage abweichendem "Happy End") auf einer ernsten Note, nachdem einer der Männer bei einem Saufgelage einen Zivilisten erschießt. Es wird also keineswegs nur herumgeblödelt wie z.B. bei "Police Academy"; vielmehr wird der regelmäßige alkoholische Exzess (die sogenannte "Chorprobe") für die Männer vom LAPD als Ventil für aufgestaute Traumata, Frustrationen und Wut dargestellt. Durch die Belastung seines Berufes mutiert der Ordnungshüter selbst zum Sicherheitsrisiko, treibt im Vollsuff mit seinesgleichen derbe Späßchen und balanciert ständig am Rande des Abgrunds entlang. Das einzige, was man Aldrich bei der Umsetzung der Idee vorwerfen könnte wäre, dass "Die Chorknaben" seine eigene Gesellschaftskritik nicht wirklich ernst nimmt und sich etwas zu sehr darum bemüht, seinem Publikum das Ganze immer noch möglichst gefällig bzw. lustig-unterhaltsam rüberzubringen.
Fazit: Für einen Thriller insgesamt zu albern, als Satire nicht bissig genug und für eine Komödie zu dramatisch, für mich aber dennoch ein kleiner Klassiker des Polizeifilms, der bislang leider noch keinen DVD-Release erfahren hat und zu Unrecht fast vergessen ist. Nach heutigen Standards erscheint "Die Chorknaben" zwar handwerklich etwas altbacken, hat aber nur wenig von seiner Relevanz oder seinem Unterhaltungswert verloren, zumal es durchaus interesssant ist, sich einmal den unmittelbaren Vorfahren solcher Serienformate wie "The Shield" oder "Hill Street Blues" zu Gemüte zu führen.
Bewertung: 8/10