"Lost Soul"
Ein schäbiger Wohnblock bei Regen. Dieses Graffitti an der Wand. Bezeichnend. Bei einer Nacht- und Nebelaktion soll der Serienvergewaltiger und -mörder Gabriel Engel dingfest gemacht werden. Das gelingt auch. Nun ist es Aufgabe der Polizei, dem vermeintlichen Killer auch ein Geständnis zu entlocken. Das gelingt auch. Doch er gibt zu, nur 13 Jungen vergewaltigt und ermordet zu haben. Doch wer hat die junge Lucia auf dem Gewissen ? Dies gilt es ab jetzt für Michael Martens, ein Polizist eines kleinen katholischen Dorfes, herauszufinden. Nicht nur, dass es schwer genug ist. Er stößt bei seinen Ermittlungen an die Grenze des Erträglichen, er gerät immer mehr in den Sog des Killers. Bis er auf ein schreckliches Geheimnis stößt.
Gabriel Engel ist so eine, im Prolog angedeutete, "lost soul", eine verlorene Seele. Wie viele in diesem Film. Seien es die schon verstorbenen Opfer, der introvertierte Christan, Michaels Sohn, oder eben gegen Ende Michael selbst. Wobei der Name, Gabriel Engel, herrlich assoziativ klingt. Ironisch gemeint. Da mal wieder pausenlos über die Bibel und deren Inhalt gesprochen, diskutiert und philosophiert wird. Dass dann dem Ende entgegen auch noch akkustische Bibelzitate zu hören sind, gesprochen von einer ach so besinnlichen Stimme, macht die Peinlichkeit dann perfekt. Gabriel, der Erzengel. Naja, aber vielleicht hat man ja auch Zufall dem Bösewicht diesen Namen auferlegt. Dieser erfüllt übrigens aber auch wirklich jedes Klischee und erinnert an eine Mixtur von Killern, die Kinogeschichte geschrieben haben. Seine Zelle und der Weg dorthin erinnert stark an Hannibal Lector. Was auch unserem Gabriel Engel selbst wohl irgendwie so vorkommt. ("Wen haben sie erwartet? Hannibal Lector?"). Natürlich auch der ganze Handlungsstrang, dass der längst geständige und hinter Gittern sitzende Killer mit der Polizei mehr oder weniger "zusammenarbeitet" stammt aus "Das Schweigen der Lämmer". Natürlich will Engel seine Geheimnisse und sein Wissen über den Mord an der kleinen Lucia auch nicht so einfach preisgeben. Da müssen schon Spielchen her. Er bestimmt, wie gesprochen wird, was Martens sagen darf und was nicht, er stellt die Fragen und nicht der Polizist. Dass Ende erinnert dann, zumindest mich, wieder einmal an "Sieben". Ist ja auch nicht das erste Mal.
Auch der Gute, Michael (der Drachentöter? der Erzengel? man, was für eine Symbolik!), ist vom Stapel. Aus einem kleinen katholischen Dorf stammend, hat er natürlich keine Ahnung von den städtischen Ermittlungsmethoden. Auch sonst wird es so dargestellt, als ob Michael während des Films zum ersten Mal sein geliebtes Dorf verlässt. Was heißt hier geliebt. Dort ist er nicht sonderlich beliebt. Sowohl bei seinem Stiefvater, der schon mal Michis Hund abknallt, als auch bei den restlichen Einwohnern, da diese nicht begeistert von der Idee sind, eine DNA-Probe von den Dörflern zu nehmen, ob sich nicht vielleicht doch der Mörder unter ihnen befindet.
Auf jeden Fall wird Martens dann mehr oder weniger auf Engel angesetzt, weil er einer der Wenigen ist, die den Mann mit dem biblischen Namen nicht für den Mörder von Lucia halten. Wider Erwarten meistert er das erste gemeinsame Treffen gekonnt und "professionell", worauf man sich zur Feier des Tages in einem Puff wiederfindet. Der in diesem Film sehr extrovertierte Heinz Hoenig kann natürlich ganz und gar nicht verstehen, wie Martens so tolle Amusements wie halbnackte Damen einfach so von sich wegschubst. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Doch ich will den Film nicht so schlecht machen. Klar findet man noch das ein oder andere Klischee im Film wieder (ich denke nur an den Wandel von Martens, seinen dreckigen Sex mit einer ihm fremden Frau usw.), doch er kann natürlich auch recht gut unterhalten und auch ein wenig fesseln. Durch gekonnte und solide Kameraeinstellungen und eine für mich doch recht passende Musikuntermalung wird wirklich für die ein oder andere recht spannende Szene gesorgt. Es ist garantiert kein Reinfall, sich diesen Film anzusehen, er unterhält perfekt und zumindest für ein einmaliges Ansehen an einem langweiligen Abend unter der Woche ist er sichtlich geeignet.
Da der letzte Eindruck aber meistens überwiegt oder, was mein Review anbelangt, überwiegen soll, muss ich noch die Kritik anbringen, dass ich nach knappen 80 Minuten dachte, dass der Film jeden Moment aus sein würde. Was er aber dann nicht war. Nicht dass das jetzt das Problem wäre. Nur wird dann irgendwie Wendung für Wendung gestrickt und das leider teilweise so, dass alles wie konstruiert und aneinandergenäht rüberkommt, ohne Sinn und ohne richtigen Fluss. Dass das Ende natürlich trotz allem eine Überraschung zu bieten hat, die nicht unbedingt SO an den Haaren herbeigezogen, aber irgendwie von "Sieben" inspiriert worden ist, mag wiederum ganz positiv sein, doch das hätte man alles auch weitaus undramatischer haben können. Wobei das Wort "undramatisch" in diesem Zusammenhang wirklich als Kompliment gemeint wäre. Und diese süßen Bambi-Verschnitte zum Schluss. Wahnsinnsarbeit, was die da an den Computern geleistet haben...Und dann setzt eben diese Bibelstimme ein. Hm.
Nun gut, das solls gewesen sein. Gute, solide Unterhaltung mit teilweise guten Einfällen und Momenten. Leider zu klischeebeladen und gegen Ende zu verworren und konfus. Für Abende mit wenig Hirn bekommt man aber viel geboten. Das ist doch auch schon mal was.
5,5/10 Punkte.