Wenn man mal ehrlich ist, lassen sich gute, kinotaugliche Thriller aus Deutschland an einer Hand abzählen. Man kann es also durchaus als gewagtes Unterfangen bezeichnen wenn sich ein junger Regisseur, der bisher erst zwei Filme gedreht hat, an einen Lupenreinen Serienkiller-Thriller macht, dazu auch noch selber das Drehbuch schreibt und das ganze, um es vorwegzunehmen, auch noch sowohl inhaltlich als auch optisch absolut gelungen umsetzt.
Der junge Regisseur ist Christian Alvart und er zeigt noch bevor die Anfangscredits über die Leinwand flimmern, dass man auch in Deutschland realistische, spannende und vor allem optisch ansprechende Cop-Action inszenieren kann. Hier ist es ein Polizei EInsatz, an dessen Ende, und damit am Beginn des Films, die Festnahme von Gabriel Engel (nah gut, subil ist das nicht grade) steht, der sich als Massenmörder und Kinderschänder präsentiert, der seinen Opfern, kleine Jungen, das Blut aus den Adern lässt um damit Bilder zu malen. Die Festnahme dieses Monsters ist der Anfang für eine Tour der Leiden für den Dorfpolizisten Michael Martens. In seinem Dorf wurde vor einigen Jahren ein kleines Mädchen bestialisch ermordet und noch immer ist kein Täter gefasst. Das Dorf mit seinen knapp 250 Einwohnern lebt seither in der Ungewissheit ob nicht einer unter ihnen der Mörder ist. Martens bekommt die Chance sich mit Engel zu treffen um so herauszufinden ob dieser auch für den Mord an dem Mädchen verantwortlich ist. Aus dieser Begegnung entwickelt sich ein Psychologisches Duell, das Martens in einen tödlichen Strudel reist. Er beginnt mehr und mehr zu zweifeln, an sich, seiner Familie, seinen Werten und seiner Moral. Engel gelingt es mehr und mehr die Selbstzweifel zu schüren bis Martens letztlich sogar seinen Teenagersohn als Mörder sieht und nur noch einen Ausweg kennt diesen Makel in seinen Wertvorstellungen, kirchlich geprägter Moral .und eigenem Versagen zu beseitigen.
Es ist teilweise extrem harter Tobak, den Christan Alvart hier auffährt. Der Zuschauer wird selber mit gerissen in diesen Strudel des Zweifelns, wird durch geschickt gelegte Fallen und Irrwege immer wieder selber vor die Frage gestellt, wie würde ich reagieren? Und wie dem Protagonisten fällt es schwer eine Entscheidung zu treffen. Alavart gelingt es meisterlich die Distanz, die man all zu oft zwischen Zuschauer und Leinwand hat zu reduzieren.. Immer wieder drängen durch alle Fiktionen eben auch hier die Tatsachen, die man als Zuschauer nicht ausklammern kann, es gibt Menschen wie Engel und was würden wir machen wenn wir mit einem dieser konfrontiert würden. Sicherlich trägt auch die Vertraute Optik dazu bei, die Distanz klein zu halten. Das ganze spielt nicht in den USA in einer Welt weit weg, es spielt direkt hier, in einem Ort, wie es sie zu Tausenden in Deutschland gibt. Da ist die fast schon zu übertriebene und konstruiert wirkende Auflösung des Films dann schon fast eine Erleicheterung, auch wenn auch hier noch einmal ein Moment davor steht, der zum Diskutieren und Nachdenken anregt.
Letztlich hat es dann schon fast etwas märchenhaftes, wenn der Tod, der der einzige Antikörper gegen die Brutalität und Unmenschlichkeit des Menschen zu sein scheint, durch ein Symbol der Reinheit und Klarheit abgewendet wird.
Von der technischen Seite her gesehen gibt mit der einleitenden Polizeiaktion ein echtes Highlight. Alvart inszeniert diese Aktion als spannende und mitreißende Actioneinlage, die in düstere Bilder getaucht die Hoffnung zulässt, das man in absehbarere Zeit doch vielleicht auch mal wieder einen kompletten Film aus Deutschland sieht, der mit solchen Stilmitteln aufwartet. An technischem Können mangelt es jedenfalls offensichtlich nicht. Im weiteren Verlauf des Films dominiert dann aber doch wieder biedere Tatortoptik, die höchstens mal durch eine etwas ausgefallenere Kameraposition an Dynamik gewinnt. Wobei klar gesagt werden muss, es geht dem Film nicht um Dynamik, es geht um die Geschichte und die entwickelt sich durch aus auch ohne technische Spielereien zügig, nimmt sich aber immer an den richtigen Stellen ausreichend Zeit.
Auf Seiten der Darsteller wird dem Film durch André Hennicke in der Rolle des Gabriel Engel ganz klar der Stempel aufgedrückt. Er spielt den Kinderschänder und Mörder mit einer Präsenz und Ausstrahlung die zwischen kühler Berechnung und darunter schwelendem Wahnsinn pendelt. Auch wenn man mit solchen Vergleichen sicher Vorsichtig ein muss, das steht einem Anthony Hopkins nicht wirklich viel nach, auch wenn Engel ausdrücklich betont, dass er nicht Hanibal Lector ist.
Auch Wotan Wilke Möhring spielt einmal mehr glänzend auf. Als hin und her gerissener Dorfpolizist, der sich mehr und mehr in einem tödlichen Spiel verliert, zeigt er deutlich warum er in den letzten Jahren immer wieder als einer DER Charakterdarsteller in Deutschland gehandelt wird.
Enttäuschend dagegen ist Heinz Hoenig, der den harten Großstadtcop woh lals Aufforderung zum Overacting gesehen hat. Noch dazu ist seine Rolle die schwächste im Script und hat außer dem einen oder anderen blöden Spruch und etlichen Klischees nicht wirklich viel zu bieten.
"Antikörper" ist eine brutale (weniger optisch als inhaltliche) Mischung aus Drama, Thriller und Krimi und zeigt in knapp 120 Minuten das man durchaus auch in Deutschland eindrucksvolle Genrebeiträge drehen kann. Auch wenn der Film einige Schwächen hat und sicherlich kein großer Hit an den Kinokassen wird, kann man durchaus mal einen Blick riskieren. 7 von 10 Punkten.