Jules Bass und Arthur Rankin Jr. haben sich in ihrer langen gemeinsamen Zusammenarbeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die meisten ihrer Animationsfilme wurden nur für das amerikanische Fernsehen gedreht, Tolkiens „Hobbit“ und „Die Rückkehr des Königs“ verschandelten sie in völlig untragbarer Weise und ihren größten Hit landeten sie mit „Das Letzte Einhorn“ im Jahr 1982. Obwohl der Film in aller Deutlichkeit das mangelnde Talent des Duos, insbesondere für inhaltlich komplexere Stoffe, verdeutlicht, wurde er zu einem internationalen Erfolg und hat als einziges Werk von Rankin/Bass im Kollektivgedächtnis des Publikums überdauert. Auch wenn der Film durchaus als beste Arbeit seiner Macher bezeichnet werden kann, so ist er gleichzeitig ein Referenzwerk ihres Versagens. „Das Letzte Einhorn“ will nämlich mit aller Gewalt ein Disneyfilm sein, ein bittersüßes Märchen für alle Generationen.
Der Film verhebt sich einerseits schon an seiner poetischen Vorlage, der die kitschige Illustration in keinster Weise gerecht wird, und gibt sich bereits mit dem Charakterdesign des Einhorns der Lächerlichkeit preis. Das eigentlich stolze und starke Fabelwesen wirkt wie aus der Fantasy-Barbie-Kollektion entsprungen und passt bestens als Stofftier in das Zimmer kleiner Mädchen im Kindergartenalter. Sämtliche andere Charaktere sehen schlichtweg so aus wie alle Menschen und menschenähnlichen Figuren in den Filmen von Rankin/Bass, einem bestenfalls mittelmäßigen Zeichenstil, der sich nicht zwischen Überzeichnung und Naturalismus entscheiden kann. Kennt man aber mehr als einen Film des Duos fällt bereits die Beliebigkeit auf, mit der sie beinahe allen Nebenfiguren einen ähnlichen Anstrich geben. Animationstechnisch bleibt man meilenweit hinter dem offensichtlichen Vorbild Disney zurück, die Schablonenfiguren wandern durch eine leblose Welt. Detailreichtum oder besondere zeichnerische Finesse sucht man vergebens: Vergleicht man den Film mit dem vierzig Jahre älteren „Bambi“, dann zeigt sich, wie konkurrenzlos der Status des Disney-Konzerns einmal war.
Getragen wird der Film nicht etwa von einer narrativen Dichte, die dem konfusen Erzählfluss völlig abgeht, sondern einzig und allein durch den Soundtrack mit dem Pop-Rock von America. Seinen bescheidenen Kultstatus verdankt der Film lediglich diesen Songs, die eine gewisse Melancholie erzeugen, zumindest in der Originalfassung seine atmosphärischen Momente. Die deutsche Version als Annäherung an die Neue Deutsche Welle zu gestalten gibt dem Film dann aber den Rest – genauso wie eine grauenhafte Gesangseinlage, die von den Figuren vorgetragen werden. Jeff Bridges und Mia Farrow trällern hier selbst und sie ‚singen’ als leicht zu identifizierende Laien. Kurioserweise spricht Christopher Lee seinen Part nicht nur im englischen Original sondern ist auch in der deutschen Synchronisation selbst zu hören.
Letztlich versagt „Das Letzte Einhorn“ gleich an mehreren Fronten: Für Erwachsene dürfte der kitschige Grundton nur schwer erträglich sein während die Jüngsten wiederum verschreckt werden durch einige gruselige Sequenzen, die nur wenig Sensibilität für familienfreundliche Unterhaltung aufweisen; Darüber hinaus lässt sich der Geschichte nur schwer ein echter pädagogischer Wert andichten. Wenn der Film dann mal wirklich poetische Töne anschlägt, die er freilich nur kurz darauf wieder im Pathos ertränkt, dann nur, weil man in denkbar einfallsloser Weise in einem Off-Kommentar aus der literarischen Vorlage zitiert. Der stilistischen Anmut der Sätze kann die Adaption keine eigenen Impulse entgegen setzen – und was hätte aus dem Stoff für ein schöner Disneyfilm werden können. Perlen vor die Säue, sozusagen.
Über die Jahre hinweg ist „Das Letzte Einhorn“ zudem sehr schlecht gealtert und wirkt heute befremdlich, wie ein Relikt der frühen 80er und kann nicht neben den wirklichen Klassikern des Genres bestehen. Durch die maßgebliche Beteiligung japanischer Studios an der Produktion entsteht der Eindruck eines frühen Animefilms, viele Aspekte der aufs Wesentliche reduzierten Zeichnungen deuten auf ihre Herkunft hin. Leider konnten die Animatoren dennoch keine wirklich eigenständigen Figuren entwickeln, die sich deutlich absetzen vom Rankin/Bass-Stil. Zur Zeit der Entstehung rückte der japanische Zeichentrickfilm immer entschiedener in die amerikanische Pop-Kultur und stand somit kurz vor der endgültigen internationalen Etablierung. „Das Letzte Einhorn“ ist somit in filmhistorischer Hinsicht ein interessantes Übergangswerk, das aber nie zu einer stimmigen Verquickung seiner Einflüsse kommt und letztlich in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.
Fazit: Eindeutig überbewerteter, unfreiwillig komischer und maßlos verkitschter Fließbandfilm, der nicht einmal annähernd den angestrebten Disney-Zauber zu entfalten vermag. Schlampig inszeniert von einem Kreativduo, das dem Animationsgenre keinen Gefallen getan hat mit einem vor Beliebigkeit und Unfähigkeit strotzenden Gesamtwerk. Immerhin führt ein solcher Käse einem nochmals deutlich vor Augen, was man beispielsweise am „Dschungelbuch“ hat – ein Klassiker lässt sich nicht aus dem Ärmel schütteln, selbst wenn man es so verzweifelt versucht, wie Rankin/Bass beim „Letzten Einhorn“.
2,5 / 10