„Falls du 'ne Schauspielerin brauchst, ruf an! Du hast mich ja schon nackt gesehen!“
Nach seinem missglückten Thriller „The Card Player“ drehte der italienische Kult-Regisseur Dario Argento („Opera“) im Jahre 2005 mit „Do You Like Hitchcock?“ eine Alfred-Hitchcock-Hommage fürs italienische Fernsehen nach einem Drehbuch, das er zusammen mit Franco Ferrini verfasste, mit dem er schon für „Phenomena“ und „Opera“ zusammenarbeitete.
Giulio (Elio Germano, „Nine“) ist Filmstudent und arbeitet an seiner Abschlussarbeit zum deutschen Expressionismus – wenn er nicht gerade durch sein Fernglas seine attraktive Nachbarin Sasha (Elisabetta Rocchetti, „The 3 Faces of Terror“) beobachtet. Eines nachts jedoch wird Sashas Mutter ermordet, vom Täter fehlt jede Spur. Aufgrund der Informationen, die er immer wieder in der Videothek seines Freundes erhält, hegt er den Verdacht, dass Sasha ihre Mutter zusammen mit ihrer Freundin Federica (Chiara Conti, „William Shakespeare's Ein Sommernachtstraum“) nach Vorbild des Hitchcock-Films „Der Fremde im Zug“ umgebracht hat und stellt auf eigene Faust Nachforschungen an – zum Leidwesen seiner genervten Freundin...
„Do You Like Hitchcock?“ entpuppt sich als einzigartiger Wohlfühlfilm für Film-Nerds, betrachtet er doch die Filmversessenheit und den mit ihr einhergehenden Voyeurismus aus einem liebevollen Blickwinkel heraus und wirft mit Filmzitaten nur so um sich. Im reichlich merkwürdigen Prolog sieht man in Form einer Rückblende den kleinen Giulio bei seinen ersten neugierigen Spannereien und welchen Ärger sie ihm einhandeln. Angekommen in der Gegenwart leistet Argento vorzüglichen Fan-Support, indem er Filmfreak Giulio ganz selbstverständlich mit einer wahren Sexbombe von Freundin zusammen sein lässt, mit der er sich eine heiße Erotikszene liefert. Spätestens jetzt sollte er das cineastische Publikum auf seiner Seite haben, und für die Italophilen unter ihnen gibt es reichlich mediterranes Flair mit Geigenmusik, Vespas und südländischem Temperament.
Hitchcockig wird es sodann, als Giulio aus seinem Fenster heraus Szenen wie im Klassiker „Das Fenster zum Hof“ beobachtet, filmnerdig erneut, wenn Giulio über expressionistische deutsche Filme referiert und „Nosferatu“ schaut, ganz zu schweigen davon, wie Argento eine Videothek als eine Art örtlicher Kommunikationszentrale etabliert und diesen sterbenden Geschäftszweig so in Szene setzt, dass einem ganz warm ums Herz wird: Die Videothek als gut sortierter Ort voller Filmklassiker (die auch ständig ausgeliehen werden), in dem man auch noch hübsche Frauen kennenlernt, die mit einem flirten. Fast eine Art Traumwelt für Filmfreunde, und manch einer wird sich in Giulio wiedererkennen (wollen). Wiederzuerkennen ist auch Argentos berüchtigter Stil, zumindest zum Teil: Er rückt wieder Architektur mit einer besonderen Ästhetik in Szene, lässt die Kamera schnittfreie Fahrten unternehmen – und lässt auf eine in bester alter Suspense-Manier aufgebaute Szene eine heftige, explizite Gewalteruption folgen (die in diesem Ausmaß indes die einzige bleibt, ein Splatterfilm ist „Do You Like Hitchcock?“ nicht und er will auch keiner sein). Dramaturgisch stimmt auch alles, Durchhänger habe ich keine bemerkt, womit Argento zugegebenermaßen aber ohnehin nur selten zu kämpfen hatte. Die Dialoge sind teils recht amüsant, werden jedoch nie albern, und vom gefürchteten Servus-Syndrom diesmal keine Spur. Auch schauspielerisch weiß „Do You Like Hitchcock?“ zu überzeugen: Germano nimmt man den studentischen Filmnerd ohne Weiteres ab, Cristina Brondo glänzte bereits im spanischen „Hypnos“ und ist auch hier eine Augenweide. Rocchetti und Conti fügen sich ebenfalls passabel ins Geschehen ein, insgesamt dürfen gleich drei hübsche Darstellerinnen blankziehen. Iván Morales („Das Kovak-Labyrinth“) gibt einen Videothekenbetreiber zwischen kumpelhaft und schmierig zwar leicht überzeichnet, doch wie man sie sich vorstellt.
Sicherlich, es ist schon faszinierend, wie wenig verdeckt Giulio seine Ermittlungen und Beobachtungen anstellt, und von Vorhängen scheint man in Italien auch nicht viel zu halten. Trotzdem wurde die Handlung weit weniger mit dem Vorschlaghammer konstruiert als zuletzt bei „The Card Player“, der im Übrigen weit mehr nach einem TV-Film aussah als diese tatsächliche Fernsehproduktion. Am Ende wird gar das Videothekensterben thematisiert, hier ist Argento in der Tat am Puls der Zeit. „Do You Like Hitchcock?“ ist einerseits eine interessante, leichtfüßige Variante des klassischen Whodunit?-Krimis mit einigen argentoesken Momenten, andererseits eine gelungene Hommage an Hitchcock im Speziellen und die Spielfilmkunst im Allgemeinen sowie den Voyeurismus in so vielen von uns, und all das inklusive eines beachtlichen Wohlfühlfaktors. „Well done“, wie wir Freunde des britischen Kinos zu sagen pflegen.
7,5 von 10 neuen Nachbarinnen hat sich Argento mit diesem von Fans und Kritik zwar ebenfalls gemischt aufgenommenen, bei mir jedoch offene Türen einrennenden Film redlich verdient.