Der neue Dario Argento! Das von mir sehnlich erwartete neue Werk meines Lieblingsregisseurs! …ein Fernsehfilm... Für eine Reihe von Fernsehthrillern, bei denen jede Folge eine Hommage an jeweils einen bestimmten Großmeister des Genres darstellen soll, drehte Dario als Pilotfilm „Ti piace Hitchcock?“. Obwohl es sich um eine TV-Produktion von RAI handelt (der man ihre Herkunft aber nicht sonderlich ansieht) war abzusehen, dass der Film international verkauft werden und weitaus mehr Aufmerksamkeit ernten würde als jeder andere italienischer Fernsehkrimi der letzten Jahre. Ob eine solche Produktion den Fans das Vertrauen, das sie nach Darios jüngsten Kinofilm „Il Cartaio“ nicht ganz zu unrecht verloren hatten zurückgeben kann?
Tatsächlich kann ich persönlich nach der Sichtung diese Frage mit „Ja“ beantworten. „Ti piace Hitchcock“ wird niemals die gleiche Begeisterung wie dem etwas überschätzten weil wenig originellen „Sleepless“ zuteil werden doch er kann mit dem Minimum Argento überzeugen, das „Il Cartaio“ und der Kurzfilm „Jenifer“ unterschritten und sich damit blutige Köpfe holten.
Darios neuester Streich ist keine genialisch durchkomponierte- und konstruierte Schaueroper voller minutiös choreographierter Tötungsakte und akrobatischen Kamerafahrten zu Goblin-Klängen (um einmal die Charakteristiken aufzuzählen auf die man seine beliebtesten Filme bedauerlicherweise oft reduziert), wohl aber ein stellenweise schon fast elektrisierend spannender Thriller, der in homöopathischen Dosen letztgenannte Stilmittel (Ja, schon gut- es gibt einige kleine, aber feine Kamerafahrten und einen saftigen Mord, zufrieden?!) in eine Handlung einstreut, die sich- ebenso wie jene von „Il Cartaio“- an Darios frühesten Werken orientiert, die er vor „Profondo Rosso“ drehte. Aber eben auch- das ist allerdings nun einmal Teil des selbst gewählten Konzepts mit dem Dario freimütig jongliert- an einigen Hitchcock-Klassikern. Besonders „Rear Window“ und „Strangers on a train“ scheinen es ihm und seinem Stammautor Franco Ferrini angetan zu haben.und werden kräftig zitiert. Pino Donaggio ("Trauma"), der für das Toppic des Filmes als inoffizieller stilistischer Nachfolger von Bernard Herrmann eindeutig die erste Wahl sein musste beschwört mit seiner ungewohnt dezenten aber gelungenen musikalischen Untermalung ein zusätzliches Retro-Hitchcock-Ambiente. Und doch ist „Ti piace Hitchcock“ dramaturgisch durch und durch Argento und versucht nicht, Hitchcock anno 2005 zu sein. Das bedeutet leider auch, das die Charakterzeichnung der Protagonisten eher holprig und nicht immer glaubwürdig ausgeführt wird, manche Handlungen entlocken dem Zuschauer doch ein Kopfschütteln was allerdings nicht die Schuld der Darsteller ist, die nicht überdurchschnittlich aber gewohnt solide agieren. Aber wenn wir ehrlich sind- das ist uns bei einem Argento-Film doch eh schnurz, oder?
Dario beschert seinen Fans auch hier keine formalen Visionen doch er nimmt von dem kühlen Realismus des Vorgängers Abstand. In dem Interview, das auf der deutschen DVD enthalten ist erläutert er die Hintergründe, warum „Il Cartaio“ so nüchtern ausgefallen ist. Jammerschade, das dieses aufschlussreiche Interview nicht schon früher zugänglich war. Hier wird einem nämlich einiges klar. Nur wenigen ist nämlich offenbar klar geworden, das sich mit „Il Cartaio“ ein Kreis in Darios Schaffen geschlossen hatte, der direkt zu seinem Debüt „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ zurückführte. Und mit eben selbigen lässt sich „Ti piace Hitchcock?“ am ehesten vergleichen, auch wenn ersterer zweifellos der mit Abstand hochwertigere Film ist. Das „Sehgefühl“ ist jedoch das gleiche. Der Augenmerk liegt hier wie dort nicht (ausschließlich) auf formaler Spielerei und der Darstellung der Morde an sich sondern auf der spannenden und beinahe geradlinigen Umsetzung einer verzwickten und weniger geradlinigen Handlung. Und man kann nicht abstreiten das die populärsten Gialli aus Darios Hand wie „Tenebre“ oder „Profondo Rosso“ trotz all ihrer atmosphärischen Dichte und ihrer faszinierenden, bildgewaltigen Metaphorik oftmals gerade an ihrer schwammigen dramaturgischen Konsistenz kränkelten.
Dies scheint der Regisseur inzwischen dankenswerterweise selbst erkannt zu haben. Und dass er trotz alledem nicht daran zu denken scheint, seine übrigen Talente die er zuletzt vernachlässigte, ruhen zu lassen beweißt dieser Film. Ich würde mich hier nicht zu dem Prädikat „Autoren-Genrefilm“ hinreißen lassen mit dem ich ein Unikat wie „Profondo Rosso“ ohne weiteres veredeln würde, dafür entdecke ich in „Ti piace Hitchcock“ schlichtweg zu wenige Momente, die zu weiterer Reflexion im stillen Kämmerchen animieren und die Darios Ruf als Künstler rechtfertigen doch wenn ihr mich fragt: Er hat den Rückweg nach oben wieder betreten und ist dabei wieder zu sich selbst zurück zu finden. Sollte das Drehbuch zu „La terza madre“ noch ein Stück mehr von der Fantasie und Innovation die man hier noch vermisst beinhaltet könnte es tatsächlich sein, das dieser momentan in der Produktion befindliche Film uns den Dario Argento zurückbringt, den wir lieben und schätzen: Verspielt und fantasievoll, leidenschaftlich aber auch kryptisch und hintersinnig, einen vielschichtigen Filmkünstler ohne die übliche Hemmung seiner Zunft, Zugeständnisse ans Genre zu machen.