Review

„Das Fleisch ist eine Falle – doch die Magie schenkt uns die Freiheit!“

Der Horrorfilm „Lord of Illusions“ aus dem Jahre 1995 ist nach „Hellraiser“ und „Cabal – Die Brut der Nacht“ die dritte und bis dato letzte Regiearbeit des britischen Schriftstellers Clive Barker. Barker verfasste auch das Drehbuch auf Basis seiner eigenen Kurzgeschichte und beteiligte sich an der Produktion, die mit US-Geldern finanziert wurde.

Einige Abtrünnige einer satanischen Sekte schaffen es, ihren mit übersinnlichen Fähigkeiten bemächtigten Anführer Nix alias „Der Puritaner“ (Daniel von Bargen, „Philadelphia“) auszuschalten und unter die Erde zu bringen sowie die kleine Dorothea aus den Klauen der Vereinigung zu befreien. Jahre später will Nix’ Gefolgschaft ihn jedoch wieder zum Leben erwecken. Privatdetektiv Harry D’Amour (Scott Bakula, „American Beauty“) gerät in diesen Fall hinein, als er von der mittlerweile erwachsenen Dorothea (Famke Janssen, „Haunted Hill – Evil Loves to Party“) beauftragt wird, ihren Mann Philip Swann (Kevin J. O’Connor, „Octalus – Der Tod aus der Tiefe“) zu beschützen – der seinerzeit Nix tötete. D’Amour findet sich in einem gefährlichen Strudel aus Magie und Illusion wieder und lernt die Schlüsselfiguren der Sekte kennen. Wird er es schaffen, die Wiedererweckung des Bösen zu verhindern und der übernatürlichen Welt, in der Realität und Illusion verschwimmen, unbeschadet zu entkommen?

Barker prägte mit „Hellraiser“ das Bild des modernen Horror-/Splatterfilms mit und gilt als Multitalent, das ständig Ärger mit der Zensur hat. Glücklicherweise liegt mittlerweile der Director’s Cut des Films vor, der die Grundlage meiner Kritik bildet. Barker erzählt eine im Showgeschäft der Zauberer und Illusionisten angesiedelte Geschichte und setzt dabei auf die in den meisten Menschen vermutlich noch tief verwurzelte Kraft der Imagination und Faszination, die Begegnungen im Kindesalter mit Zauberkünstlern auslösten bzw. bedienten. Dass man nicht zwingend danebenlag, wenn man in altersbedingt naiver Weise davon ausging, dass der jeweilige Künstler tatsächlich Zauberkräfte besitzen könnte, ist Aufhänger des Films, der eben jene Klientel als im Bund mit dunklen Mächten stehende Geheimorganisationen charakterisiert. Ihr gegenüber stellt er die desillusionierte (wie passend) Abgeklärtheit des Film noir in Form des Privatdetektivs D’Amour, der sich der Zerstörung seines bisherigen Weltbilds ausgeliefert sieht.

Diese zunächst einmal originelle Konstellation schlägt sich nieder in einer etwas unnötig kompliziert erzählten Geschichte, deren Inhalt ihres Finales im Prinzip nach dem weit vorweggreifenden Prolog von vornherein feststeht. Barker lässt nie einen Zweifel an den Fähigkeiten seiner Antagonisten, lässt den Zuschauer aber lange Zeit D’Amour dabei beobachten, den gleichen Wissensstand wie der Zuschauer zu erlangen. Das geht zu Ungunsten der Dramaturgie und wurde etwas unglücklich konstruiert, zumal die vom Regisseur abgesegnete Fassung auch nicht mit Überlänge geizt. Auf der anderen Seite ist dafür reichlich Zeit vorhanden, Barkers Vorliebe für blutigen Körperhorror Raum zu bieten, den er auch ausnutzt. Der visuelle Härtegrad von „Lord of Illusions“ ist beachtlich, auch die digital erzeugten Effekte können sich sehen lassen, wenngleich sie die organische, plastische Stimmung des Films dann und wann gefährden und ihm ein Stück weit seiner Authentizität berauben. Als gelungen ist jedoch die Integration aller Make-up- und Spezialeffekte in den Gesamtkontext zu bezeichnen, der ihre Entwicklung in der Regel nachvollziehbar aufbaut und vor dem Vorwurf des Selbstzwecks schützt.

Im Rahmen der weder übermäßig positiv, noch sonderlich negativ auffallenden schauspielerischen Leistungen hervorzuheben ist die beunruhigend spürbare Manie der skrupellosen Helfer Nix’, die weitestgehend schmerzunempfindlich von einer Sekunde auf die andere von lässiger, fieser Boshaftigkeit in wütendste Raserei umschlagen und durch ihre unmenschliche Unberechenbarkeit in Kombination mit konsequenter Zielverfolgung in manch Szene dem Publikum den Atem stocken lassen dürften. Von Bargen als Nix verschwindet nach dem Prolog unter einer Menge Make-up, was er mit Theatralik kompensiert, O’Connor als Philip Swann wirkt etwas bubihaft für seine Rolle, hat aber einen geheimnisvollen Blick drauf, Bakula hingegen ist nicht abgefuckt genug für seinen anachronistischen Noir-Detektiv, wird in dieser Eigenart aber für meinen Geschmack ohnehin zu wenig gefordert, und die Janssen bleibt weitestgehend unauffällig, ihre Beziehung zu D’Amour nicht viel mehr als schmückendes Beiwerk.

Wann immer bildgewaltiger Mummenschanz überwiegt und in effekthascherische Spektakel kulminiert, verlässt „Lord of Illusions“ die Ebene der Empathie sowohl für seine Charaktere als auch für den Zuschauer und drängt die interessanteren Aspekte der Handlung in den Hintergrund. Letztendlich erfährt man kaum etwas über die wirklichen Beweggründen der Sekte, von ihrer Zusammensetzung und den Persönlichkeiten und Motiven ihrer Anhänger, was Barkers Film mit Sicherheit um einen starken Subtext in Bezug auf Anziehungskraft und Verführungspotential satanischer Sekten im Speziellen und Fanatismus im Allgemeinen erweitert hätte. Auch eine tiefergehende Charakterisierung der Nicht-Illusionisten hätte dem Film gut getan; Barker verpasst zu häufig die Chance, den Zuschauer wirkliche Neugierde auf seine Protagonisten zu vermitteln, die mit einigen Klischees zu kämpfen haben.

In anderen Details beweist man aber ein geschicktes Händchen und kann mit manch hübsch-morbider und düster ausgeleuchteter Ausstattung ebenso punkten wie mit einem guten Soundtrack Simon Boswells und einer gewagten, aber stimmigen Auswahl mal mehr, mal weniger populärer gesungener Musikstücke. Mein Fazit lautet daher: Ein unterhaltsamer Horrorfilm mit einigen originellen Ideen, der im dramaturgischen Bereich schwächelt, von manch Leerlauf mit Effektfeuerwerken und Action ablenkt und ein respektables Budget zu verblasen scheint. Kommt nicht an die einen an den Eiern packende, verstörende Boshaftigkeit eines ebenso blutigen wie atmosphärischen Meisterwerks wie „Hellraiser“ heran, ist aber ein sehenswerter Genrebeitrag der 1990er-Jahre, die weitaus ärmer an Höhepunkten waren als die glorreichen 1980er.

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