Crying out Love, In the Centre of the World
„Ich gehe weg, für eine Weile. Mach dir keine Sorgen.“ Eine Erklärung, die die Leere nur noch tiefer macht. Eine Nachricht, die in der Tat nichts erklärt. Saku hängt am Tresen einer Kneipe. Wenn er erschöpft die Augen schließt, gafft ihn die Erinnerung der leeren Wohnung an. Wie gebannt starrt er auf den flimmernden Fernseher, diesen Nabel des Vergessens. Eine Reporterin berichtet vom Flughafen der Küstenstadt Takamatsu, wo der heranziehende Taifun die Flugpläne durcheinander wirft. Die Kamera fokussiert auf das Gesicht der Reporterin, und dennoch entgeht ihr der Unfall nicht. Eine junge Frau läuft in ein Auto. Der Zusammenprall ist nicht heftig. Die Frau rafft sich auf. Entschlossen setzt sie ihren Weg fort, trotzdem sie humpelt. Das muss der Schock sein, kann man aus dem verdutzten Gesicht der Reporterin lesen. Saku jedoch weiß, dass diese junge Frau schon vor dem Unfall so versehrt war. Ritsuko, seine Verlobte, humpelt, seit er sie kennt. Was nur hat sie so plötzlich nach Takamatsu verschlagen, den Ort, an dem Saku seine Jugend durchbrachte ...
Saku selbst beginnt nun seine Odyssee ins Herz dieses Mysteriums, das so geheimnisvoll vor allem ist, weil es sich hinter seinen eigenen verdrängten Erinnerungen verbergen kann.
Heranwachsen, Liebe, Leiden und Tod sind die essenziellen Koordinaten, über die Regisseur Yukisado Isao mit einem just richtig temperierten Hauch von Nostalgie sein ganz bezauberndes Debüt realisiert. „Crying out Love, at the Center of the World“ ist ein wunderbar verwickeltes Drama, das sich nie der Versuchung ergibt, Sujet und Protagonisten in einem unerträglichen Leidenspathos zu ertränken. So sicher wie Schwermut sehr ergreifend zwischen die Handlungskoordinaten eingeschrieben ist, lässt Yukisado sein Werk doch nicht zunehmend in einen dunklen Sog degressieren. Beleuchtet in einem beeindruckenden Farbspiel, wiegt er die Melancholie und die Gewissheit des herankriechenden Todes in geschickten Zeitsprüngen mit der Gegenwart und ihrem schwebenden Mysterium auf. Liebe ist ewig – diese Lektion hat Yukisado Isao wohl von Shunji Iwais „Love Letter“ mitgenommen, einem Meisterwerk, bei dem er als Regieassistent wirkte und das man ihm zweifellos als Referenz herreichen kann – nicht nur wenn sie unerfüllt bleibt. Tod markiert, genau wie in soeben benannter Referenz, nicht das Ende, sondern den Moment, wenn Liebe nach neuen Wegen sucht. In „Crying out of Love...“ sind nicht an einen mysteriösen, namensgleichen Adressaten versandte Briefe das Medium, das die Handelnden, ihre Vergangenheit und Gegenwart, zueinander finden lässt. Bei Yukisado werden Kassetten besprochen, mit Gefühlen, zu vage und zu heimlich für den Augenblick, und dennoch haben sie noch viele Jahre später die Kraft, eine überfällige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit heraufzubeschwören.
„Lose Enden müssen zusammengeknotet werden“, beschreibt es der alte Fotograf, in dessen Atelier noch ein Hochzeitsfoto von Saku und seiner Jugendliebe Aki steht. „Sonst hat man nicht die Kraft, gehen zu lassen.“ Gehen zu lassen, und alle Gefühle neu zu investieren. Ritsuko, die so plötzlich nach Takamatsu fliegt, hat dies erkannt. Und in einem stürmischen Szenario, mit dem dezidiert die Augenblicke des Verlustes rekapituliert werden, an die sich Saku auf seiner Reise in die Vergangenheit so schmerzhaft erinnert hat, muss auch er sich endlich diesen Gefühlen stellen.