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In der Regel finden Vergewaltigungen selten in der Öffentlichkeit statt. Bei „Angeklagt“ verhält es sich anders, denn die junge Sarah wird im Hinterzimmer einer Bar nacheinander von drei Männern vergewaltigt, unter Anfeuerungsrufen betrunkener Gäste.
Die Geschichte beruht zum Teil auf einer wahren Begebenheit, die sich fünf Jahre zuvor in Massachusetts ereignete.

Regisseur Jonathan Kaplan wagt sich an ein brisantes Thema und macht daraus ein teilweise etwas plakatives Gerichtsdrama mit unausgegorener Rahmenhandlung. Geschickt ist allerdings der Aufbau der Geschichte: Sie setzt unmittelbar nach der Vergewaltigung ein und schildert das emotionslose Vorgehen einer Ärztin, die eiskalt ihren Fragebogen herunterkurbelt, ohne dabei auf den psychischen Zustand Sarahs zu achten.
Schonungslos muß sie gynäkologische Untersuchungen über sich ergehen lassen, um kurz darauf noch einmal die Bar zu betreten, um die Täter zu identifizieren.
Jodie Foster spielt großartig (Oscar honoriert), so dass der Zuschauer unmittelbar eine emotionale Bindung zu ihrer Rolle aufbauen kann.

Die ermittelnde Staatsanwältin Kathryn Murphy (etwas hölzern und müde wirkend: Kelly McGillis) zweifelt zunächst am Gewinn eines Prozesses gegen die drei Straftäter. Immerhin war Sarah zum Tatzeitpunkt betrunken und hatte Marihuana geraucht, soll zudem mit einem der Täter geflirtet haben. So einigt sie sich mit den Verteidigern und die Vergewaltiger bekommen zwischen zwei und fünf Jahre Haft aufgebrummt, jedoch wurde nicht das sexuelle Delikt angeklagt, woraufhin sich Sarah ein weiters Mal entwürdigt sieht.

Wenig später begegnet sie einem der Zuschauer, die damals den sexuellen Missbrauch anfeuerten. Nach erneuten Demütigungen seinerseits, rammt sie mit dem Auto mehrfach seinen Truck und landet im Krankenhaus. Erst jetzt wird Staatsanwältin Murphy der Einfluss der „Zuschauer“ bewusst und sie rollt das Verfahren erneut auf. Es soll ein Präzedenzfall werden, die Anklage lautet „Anstiftung zum Verbrechen“…

Hierzulande wäre das wohl eher „unterlassene Hilfeleistung“ und einige Aspekte des finalen Gerichtsprozesses sind auch nicht ganz nachvollziehbar. Über Sarahs Attacke mit dem Auto wird keine Silbe mehr verloren und das Abschlussplädoyer hält aus dramaturgischen Gründen plötzlich die Staatsanwaltschaft und nicht die Verteidigung.

Die Vergewaltigung selbst muß zunächst nicht gezeigt werden, eindringlich ist bereits die Schilderung Jodie Fosters vor Gericht, zumal die Bilder kurz nach der Tat aussagekräftig genug waren.
Kurz darauf folgt dann aber doch der Flashback, der die nicht unbedeutende Rolle der „Gaffer und Antreiber“ verdeutlicht. Eine in jeder Hinsicht verstörende Sequenz, die vor allem dem männlichen Publikum den Spiegel vorhält, denn, machen wir uns nichts vor, Jodie Fosters Tanz wirkt erotisch. Umso schonungsloser brechen die Szenen der Vergewaltigung herein und rütteln den männlichen Verstand zurecht.
Fragen über eine eventuelle „Mitverschuldung“ des Opfers werden im Keim erstickt und die Parolen der Gaffer rundherum wirken genauso abstoßend, wie das Verhalten der Vergewaltiger.
Insofern hatte diese Szene im Nachhinein eine bedeutende Funktion, nicht die Tat selbst steht im Vordergrund, sondern die Leute, die diese nicht nur zulassen, sondern auch unterstützen.

Ein brisantes Thema, das schwer verdaulich ist und aufgrund Jodie Fosters mitreißender Darstellung unter die Haut geht. Ein besser durchdachtes Drehbuch hätte jedoch für noch mehr Emotionalität gesorgt.
7 von 10 Punkten

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