Das Filmzeitalter steht ganz im Zeichen der DVD, VHS Kassetten werden regelrecht verramscht. Doch wenn man ein wenig stöbert, so findet man manchmal echte Obskuritäten, deren Veröffentlichung auf dem runden Silberling noch ausstehen. Für ~ 1 € kann man da gerne einen Blindkauf wagen, in dieser „Pralinenschachtel“ habe ich wohl ein schönes Stück Zartbitter erwischt: Süßlich, aber mit einem leicht herben Nachgeschmack. Warum? Dieser düstere Okkult-Horror aus Italien fasziniert weniger durch seine Geschichte, denn eher durch seine wunderbare Bildersprache – die Kulisse von Budapest wurde wirklich toll fotografiert, trägt immens zur starken Atmosphäre bei und so erinnert manche Szene irgendwie an die visuelle Brillanz eines Dario A. Streifens. Zwar ist der Plot relativ simpel gestrickt, dennoch irgendwie fesselnd erzählt und insbesondere kurz vor dem Ende wird aus der Symbiose vorangegangener, sich hier auflösender Geschichte, Effektkunst und virtuoser Farbspielerei ein immens intensives Erlebnis geboten. Eingefleischtere Genrefreunde des italienischen Films werden aber wohl bei Spider Labyrinth gähnend abdanken, zieht er den Großteil seines Reizes doch aus Fragmenten altbekannten Thrillern wie z.B. Inferno oder Suspiria, ohne jedoch große Innovationen aufzubieten.
Der junge amerikanische Wissenschaftler Alen wird von einer Forschungsgruppe aus den Reihen der Kirche beauftragt, das ins Stocken geratene Projekt „Intextus“ wieder in Gang zu bringen. Dazu soll er nach Budapest reisen, um von dem dort ansässigen Experten Professor Roth die letzten festgehaltenen Informationen aus erster Hand zu organisieren. Beim Treffen wirkt dieser gehetzt, gar verängstigt und hüllt sich in Geheimnisse. Der einzige Hinweis auf das mysteriöse Projekt ist ein schwarzes Buch, welches er Alan zustecken kann, bevor er vor dem am Abend vorgesehenen zweiten Gespräch unter vier Augen von einer dämonisierten Frau ermordet wird. „Intextus“ leitet sich aus dem lateinischen ab und bedeutet grob gesagt Vernetzung – wie sich im Verlauf herausstellt, handelt es sich um ein Netzwerk einer alten dunklen Religion. Immer mehr verheddert sich Alan in diesem mysteriösen Netz, Kontaktpersonen um ihn rum sterben wie die Fliegen und in den Augen aller Städter scheinen sich Skepsis und Geheimniskrämerei zu spiegeln. Lediglich die schöne Assistentin des Professors scheint ihm eine echte Hilfe zu sein...
Wie gesagt gibt die eigentliche Geschichte relativ wenig her. Denn obwohl ein Netz aus verwirrenden und ominösen Handlungsabfolgen um den Zuschauer gesponnen wird, ist dieses Netz relativ durchschaubar und somit überkommt einen des öfters das Gefühl, das ein wenig mehr an Handlungselementen gerne hätte sein können. Klebrig süß wie gesagt alles, aber ob der kurzen Laufzeit von knapp 85 Minuten mundet dieser Snack doch wunderbar, da auch ob mancher Leere keine Leerlaufzeit entsteht. Zwar irrt der sympathische Protagonist den Großteil des Films durch das malerische Budapest und tritt dabei, was seine Nachforschungen angeht, auf der Stelle, doch gerade dieses Nichtwissen und der sich langsame Erschließen des Ganzen - bis zum abartigen und krachenden Höhepunkt - übt eine eigenartige Faszination aus. Grund dürfte die wunderbare visuelle und manchmal auch tonale Inszenierung ausmachen. Die Kulisse Budapests mit ihren alten Bauten und dem ansässigen Menschenschlages passt wunderbar zum Grundtenor des Films: Verschlossen, verwinkelt, geheimnisvoll. Die Aura des Unheimlichen strömt aus jeder Pore, aus jeder Mauerritze. Atmosphärisch ziemlich gelungen. Unterstützend wirkt die musikalische Untermalung durch – ungewohnt – ein Streicherquartett. „Goblin“ Synthesizerklangteppiche oder fetziger 80er Rock hätten auch nicht wirklich zum Tenor des Films gepasst.
Für die wenigen, aber dafür bisweilen recht graphischen, Morde (ungeschnitten in der deutschen Fassung!) zeichnet sich F/X-Künstler Sergio Stivaletti verantwortlich. Abwechselungsreich oder gar kreativ fallen sie nicht aus, meist dient ein Messer als Mordwaffe, das aber dann durch Hälse geschoben oder in Köpfe gehauen wird. Insbesondere durch die teilweise starken, vorangegangenen Szenen vor der eigentlichen Gewalttat, (z.B. die Verfolgung des Dienstmädchens durch ein weißes Bettlakenlabyrinth, in deren Hintergrund giftgrüne Farbflächen projiziert werden), wird eine gewisse Härte der Morde nicht verfehlt, da sie in ihrer hier dargestellten Form sehr kühl wirken. Künstlerischen Anspruch erheben diese an einer Hand abzählbaren Mordsequenzen zwar nicht, sind aber dennoch optisch gelungen. Auch die Animationen von Stivaletti fallen überzeugend aus: Die Knetgummiaufnahmen der Spinnen im Farbfiltereinsatz respektabel, in der Schlüsselszene des Films erreicht eine Mutation [SPOILER] des vermeintlich „toten“ Säuglings der Hotelbesitzerin zu einer Riesenspinne [SPOILERENDE] gar die flauende Intensität einer Szene aus Das Ding aus einer anderen Welt. Harte Kost, wenn auch etwas durchschaubar. Dies wäre aber die einzige Effektszene an der man sich auf Grund ihrer technisch nicht ganz so gelungenen Machart moktieren könnte.
Regisseur Giagni mag zwar ein Plagiator sein, aber zumindest orientierte er sich hier an Filmen, die auf ihre Weise einzigartige Klassiker sind. Diesen Status kann man Spider Labyrinth nun nicht zusprechen, aber immerhin ist er um ein vielfaches besser als andere, ähnlich gelagerte Okkult-Schocker. Sucht man neben den Farbspielereien weitere Parallelen zu anderen Merkmalen italienischer Horrorfilmregisseure, so könnte man meinen, die Nahaufnahmen der suggestiven Blicke der geheimnisvollen Budapester würden aus dem Repertoire Fulcis stammen. Genug der Vergleiche. Die reifen, überzeugenden Darsteller tun ihr übriges und fügen sich gut in die restliche saubere Inszenierung ein. Vor allem Roland Wybenga als Alan und Paola Rinaldi als die Assistentin von Professor Roth harmonisieren sehr miteinander und sorgen gar für eine wirklich ästhetisch gefilmte Sexszene. Doch auch über den restlichen Stab kann man nicht meckern, die Figuren mit Ausnahme des Hauptakteurs bleiben eher oberflächlich, aber wie gesagt durch die ausgestrahlte Aura wird dieses „Manko“ wieder weg gemacht.
Ein Film bei dem mehrmaliges Ansehen lohnt, sind es doch viele Feinheiten, die einem beim ersten Mal gar nicht so wirklich bewusst werden und wo sich dann beim zweiten Mal schauen wieder ganz neue Sichtweisen ergeben. Man sollte sich aber auch (selbst bei der ersten Sichtung) bewusst sein, das hier das Rad nicht neu erfunden wird, aber seien wir doch mal ehrlich: Stimmige „Eyecandys“ im Stil eines Inferno oder Suspiria waren eh spärlich gesät und wird es sowieso nicht mehr geben, da kommt einem diese obskure Spätproduktion doch ziemlich gelegen. Für Italo-Freunde eine klare Empfehlung.