Review

Der Film beginnt scheinbar typisch - die Kamera fährt an einer Reihe Super-Blondinen vorbei, braungebrannt, mit langen Beinen und ausgeprägter Figur und landet in einem Casting-Studio, wo sich zwei Kerle die Kandidatinnen ansehen.

Doch genau in dieser Szene erkennt man schon, daß "Pretty Persuasion" eine gänzlich andere Richtung einnimmt als sonstige High-School Filmchen, auf die der deutsche Titel anspielen will. Die beiden Männer, die Kimberly (Evan Rachel Wood) Mätzchen machen lassen, sind weder lustig noch stilisierte und damit übertriebene Bösewichter, sondern einfach real anmutende Arschlöcher. Die ganze Szene wirkt unangenehm und man hat das deutliche Gefühl, daß sich die beiden richtig gut bei der Erniedrigung der Möchte-Gern-Schauspielerin amüsieren.

Im Mittelpunkt des Films steht Kimberly, die immer wieder direkt zu uns spricht, Verhaltensmuster und Denkweisen ihrer Umgebung analysiert und dabei so haarsträubend deutlich und diffamierend ist, daß man zuerst denkt, es handelt sich bei ihr entweder um eine Spinnerin oder um Satire.

Aber nein, die Realität holt ihre Aussagen immer wieder ein oder übertrifft sie sogar noch. James Woods als ihr Vater spielt einen reichen Geschäftsmann mit jüngerer Freundin, aus dem der Rassismus, Antisemitismus und Vorurteile gegen alles Ungewöhnliche nur so heraus quillt. Woods Performance ist dabei atemberaubend, denn es gelingt ihm, einen Kerl, der in Socke und Unterhose, Wampe zeigend herumläuft und sich tagsüber in Ruhe vor einem Porno Einen runterholt (und das als Arbeit bezeichnet), durchaus sympathisch herüber zu bringen. Er ist locker, eloquent und witzig und trifft damit genau den Kern des Films.

Denn "Friendly Persuasion" ist ein sehr unterhaltender, witziger, schnell erzählter Film mit nachvollziehbaren zeitlichen Sprüngen, der auf leichte Art das Grauen darstellt. Und zwar das alltägliche Grauen der Rücksichtslosigkeit, Scheinmoral und der unter äußerlicher "Political Correctness" versteckten Vorurteilen aller Dinge, die im amerikanischen Sinne "anders" sind - also fast Alles. Und ganz besonders die völlige sexuelle Verklemmung, die deshalb im Versteckten gerade in den USA die merkwürdigsten Auswucherungen hervorbringt.

Da sind so offensichtlich verdorbene und berechnende Charaktere wie Kimberly fast sympathisch in ihrer frappierenden Ehrlichkeit (zumindest uns gegenüber). Even Rachel Wood ist hervorragend als 15-jährige Verführerin. Gerade weil sie nicht dem üblichen "Barbie-Klischee" entspricht, sondern wie eine klassische intelligente Höhere-Töchter-Schönheit wirkt , ist ihre sexuelle Hemmungslosigkeit besonders ausdruckstark und auch für ihre Umgebung anziehend.

Wenn sie so - zart geschminkt und in ihrer verlogenen an die 50er-Jahre erinnernden superbraven Schuluniform - mit sichtlichem Vergnügen ihren ahnungslosen Freundinnen die Umstände ihres ersten Anal-Verkehrs anschaulich erläutert, dann wird man auch als Zuseher komplett mit seinen Erwartungshaltungen und Einstellungen konfrontiert.

Der gesamte Film ist eine einzige Konfrontation mit Themen, die täglich unter den Teppich gekehrt werden, obwohl sie offensichtlich vorhanden sind. Gerade die sogenannten Teenie-Filme leben ja von diesem Verstoß gegen die "Political Correctness", aber diese Themen werden immer schön in eine Farce oder Komödie verpackt und damit wieder Ad Absurdum geführt - getreu dem Motto "hier dürfen wir mal etwas über die Stränge schlagen, aber morgen werden wir wieder schön brav sein..."

Doch "Friendly Persuasion" hat eine ganz andere Ebene, denn er ist in seinem inneren Kern völlig ernst und erzählt eine absolut reale Geschichte. Bei genauer Betrachtung handelt hier Niemand übertrieben oder gar unlogisch .Die eigentliche Story ist im Grunde sogar ziemlich profan - Beweggründe, Intentionen, Wünsche und Verhaltensmuster der einzelnen Protagonisten sind völlig alltäglich und haben nichts künstlich Komödienhaftes. Die Realität ist bei genauer Betrachtung viel abstruser als irgendwelche ausgedachten Situationen - und viel komplexer.

Und genau darin liegt die perfide Qualität dieses Films, der völlig falsch interpretiert auch "Der Teufel trägt Minirock" heißt. Denn Kimberly ist kein Teufel und ihre Umgebung besteht nicht aus Engeln. Der Unterschied liegt darin, daß Kimberly weiß, wie sie ist und entsprechend konsequent handelt, während ihre Umgebung an die eigene Korrektheit und Anständigkeit glaubt, obwohl sie nicht vorhanden ist. Deshalb sind sie verführbar und beeinflußbar.

Genauso wie wir Zuschauer. Wir schauen diesem intelligenten Film gerne zu, werden gut unterhalten und müßten eigentlich kotzen, bei dem, was uns da aufgetischt wird. Oder zumindest müßten wir den Film abschalten, protestieren oder aus dem Kino, in das er bei uns leider gar nicht gekommen ist ,heraus gehen.
Doch dafür ist der Film zu spannend, zu reizvoll - wir werden "verführt". Das unangenehme Gefühl kommt erst später und die Frage, wieso wir diesen kranken, miesen Typen, den James Woods da spielt, so cool finden ?

Fazit : bezüglich der Analyse menschlicher Abgründe einer der besten Filme, die ich je gesehen habe, weil er uns Zuschauer mit hinein zieht und nicht eine bloße Zustandsbeschreibung abgibt. Ein Film ,der bei Jedem Zuseher eine Reaktion auslöst, die immer verdeutlicht, wie er selbst denkt und fühlt - selbst wenn er hier nur oberflächlich die "böse Kimberly" sieht.

Kurz nach dem Ansehen dachte ich an 8 Punkte, doch um so länger ich darüber nachdenke und spüre, was der Film bei mir bewirkt, neige ich zur Höchstnote - gerade weil der Film auch einfach gräßlich ist (10/10).

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