„Confess“, Stefan Schaefer´s Regiedebüt aus dem Jahre 2005, ist ein zeitgemäßer, brisanter Thriller, der sich mit verschiedenen Facetten des Internets beschäftigt – in diesem Fall in erster Linie gesellschaftliche, politische, kulturelle, wirtschaftliche und individuelle Thematiken sowie deren Schnittstellen miteinander. Viele sehen eine effektive Nutzung dieser „Datenautobahn“, welche auf dem Gedankenkonstrukt eines für jeden zugänglichen digitalen Kollektivgedächtnisses basiert sowie dem darauf Zugreifenden einen im Prinzip zeit- und grenzenlosen Informationsaustausch gewährt, als einen Lösungsansatz für viele der aktuell und künftig zu bewältigenden Probleme. Anderen bereitet genau das zunehmend Sorgen: Sie erkennen die Schwierigkeiten und Kontroversen, welche eine Situation mit sich bringen würde, die auf den Begriff der „uneingeschränkten Freiheit“ zutrifft – etwas, das regelmäßig in Diskussionen (u.a.) über Datensicherheit und Überwachung sowie dem notwendigen Verhältnis von Anarchie, Kontrolle, Zensur und Selbstbestimmung zur Sprache kommt. Computer lassen einen heutzutage verwundbar werden, die Macht der weltweiten Meinungsbildung auf diesem Wege ist nicht zu unterschätzen. Im Rahmen ihrer Story zeigt die hier vorliegende Independent-Produktion ihrem Publikum einige potentielle Ausprägungen und Auswirkungen dieser Ansätze und Gegebenheiten anhand eines speziellen Beispiels auf…
Terell Lessor (Eugene Byrd), der farbige Sohn einer weißen Mutter, ist ein hochbegabter Computerprogrammierer, der in seiner Jugend bereits das erreicht hatte, wovon andere ihr Leben lang nur träumen: Zusammen mit seinem Partner Greg (Glenn Fitzgerald) war er mit einer aufstrebenden kleinen Firma zu Reichtum und Ruhm innerhalb der Branche gelangt, fuhr teuere deutsche Luxuswagen und lehnte Angebote der führenden Universitäten ab, ohne weiter darüber nachzudenken. Das alles ging so lange gut, bis ein „Venture Capitalist” (Risikokaptialgeber) seinen Einfluss geltend machte: Da jener mit dem eingeschlagen Kurs unzufrieden war, drängte er Terell schließlich aus dem Unternehmen hinaus, welcher seinerseits fortan die erhaltene Abfindung nutzte, um einige Jahre desillusioniert umher zu reisen. Nun kehrt er, die finanziellen Ressourcen erschöpft, nach New York zurück: Wieder daheim bei seiner Mom (Melissa Leo), muss er erfahren, dass dieser nach 14 Jahren gekündigt wurde sowie ihre Zukunftssorgen aufgrund ihres Alters und des Arbeitsmarktes entsprechend groß sind. Um sie zu unterstützen, überwindet er sich sogar und bittet Greg, der ebenfalls woanders neu anfangen musste, um einen Job – als Außendiensttechniker verdient er sich daraufhin einige Dollar, nur lässt ihn die Geschichte seiner Mutter nicht los, weshalb er eines Tages ihren ehemaligen Chef aufsucht, dort aber rasch feststellen muss, welch vollwertig niederträchtige Person jener ist. Kurzerhand installiert er eine Mini-Kamera in dessen Büro und filmt ihn infolge dessen beim außerehelichen Sex mit einer Angestellten. Das Video stellt er anschließend ins Netz, wo es sich rasch verbreitet – wenig später wird der betreffende CEO aufgefordert, seinen Schreibtisch zu räumen…
Aus dieser Entwicklung erkeimt allmählich eine sich festigende konkrete Idee: Das sogenannte „Confess Project“ wird von ihm ins Leben gerufen, bei dem er einflussreiche Persönlichkeiten aufsucht und diese zu offenherzigen Geständnissen drängt – also ihre wahren Gedanken hinsichtlich Politik, Kapitalismus oder Rassenfragen (etc) hinter der nach außen gewahrten Fassade zum Vorschein bringt. Das „enthüllende“ Material platziert er dann online auf einer speziell eingerichteten Website. Anfangs erweckt das nur die Neugier der Internet-Gemeinde, aber schon bald widmen die Medien der Sache stärkere Aufmerksamkeit, denn inzwischen ist Terell gar dazu übergegangen, seine „Ziele“ zu kidnappen und diese unter Waffengewalt zum Preisgeben ihrer wahren Motive und Ansichten zu zwingen. Hilfe erhält er dabei von einer Studentin (Ali Larter) mit weit verzweigten Verbindungen, die ihn unterstützt und vorantreibt, u.a. weil sie ihn zum Zentrum ihrer Dissertation gemacht hat. Viele halten ihn für eine Art „Helden des kleinen Mannes“, welcher soziale Mißstände an die Öffentlichkeit bringt – das FBI hingegen sieht ihn allerdings eher als einen Cyber-Terroristen, der eine keinesfalls zu unterschätzende Gefahr darstellt. Dass letztere Klassifikation nicht ganz unbegründet ist, kristallisiert sich verstärkend heraus, als sich immer mehr Leute von dem Projekt inspirieren lassen, was in zahlreichen Verschleppungen, Sachbeschädigungen, Folterungen und gar Morden mündet – allesamt aufgezeichnet und ins World Wide Web hochgeladen. Terell wird klar, dass er ein Monster erschaffen hat – nur inwieweit ist es ihm jetzt überhaupt noch möglich, eine solch gravierende Bewegung aufzuhalten…?
Angeregt von einem Buch über die „Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung“, einer in einem der ärmsten mexikanischen Bundesstaaten (Chiapas) agierenden Guerillaorganisation, sowie Überlegungen, in welcher Ausprägung eine moderne Revolutionsbewegung wohl auf die zur Verfügung stehende Technologie zurückgreifen würde, um ihre Botschaft möglichst schnell, leicht und weitläufig zu verbreiten, begann Regisseur und Drehbuchautor Schaefer im Jahre 1999 damit, sein Projekt zu konzipieren. Im Zuge der Ausarbeitung seiner Idee hin zu einer Betrachtung der Moral in der gegenwärtigen Gesellschaft führte er zahlreiche Gespräche mit Größen der Hacker-Szene und ließ sich von der immer weiter voranschreitenden technischen Evolution sowie Einflussnahme der Web-gestützten Medien inspirieren. Nach dem 11. September 2001 wurde das Projekt erst einmal verschoben, 2004 schließlich aktiv angegangen und im Oktober 2005 erstmals der Öffentlichkeit auf dem „Hamptons International Film Festival“ präsentiert, wo es prompt zwei Preise erhielt. Man merkt dem Werk in allen Belangen an, dass es sich um eine Ecken und Kanten aufweisende Indie-Produktion handelt, welche nicht viel Anklang bei der breiten Masse finden dürfte – eventuell ein Grund dafür, dass es erst im August 2007 still und leise in den USA auf DVD veröffentlicht wurde. Obgleich beileibe nicht perfekt, wird dem Zuschauer hier eine interessante Geschichte über eine zeitgemäße Form des sozialen Protests präsentiert, die einige anregende Fragen aufwirft und simultan auch im klassischen Sinne zu unterhalten vermag. Das Internet verleiht dem „normalen Volk“ eine Stimme, die überall gehört werden kann, ganz ohne aufwändige Kampagnen oder unüberwindbare Voraussetzungen. Informationen bedeuten Macht, erst recht wenn sie mit Emotionen gekoppelt sind und die Menschen direkt ansprechen – nur darf man nicht die damit einhergehende Verantwortung aus den Augen verlieren oder gar ablegen, selbst wenn sich die ganze Angelegenheit kettenreaktionsartig in eine falsche Richtung verselbständigt. Diesen entscheidenden Aspekt thematisiert „Confess“ ebenso – nur windet sich das finale Drittel meiner Meinung nach etwas zu leicht aus der Sache heraus, was viel dazu beiträgt, dass ich den Gesamteindruck abschließend nicht höher bewerte. Trotz der brisanten Inhalte, vor deren Aufgreifen man sich keineswegs gescheut hat, hatte ich sporadisch das Gefühl, als wolle man unterschwellig in dieser Hinsicht doch in gewisser Weise auf Nummer sicher gehen – das Ende ist (leider) das beste Beispiel dafür, schädigt den unterm Strich positiven Eindruck allerdings zum Glück nicht allzu nachhaltig, sondern nur ein wenig im betreffenden Moment beim Sichten.
Die Hauptrolle bekleidet der relativ unbekannte Eugene Boyd („8 Mile“/„One Point O“/„Anacondas“) – er liefert eine überzeugende Performance ab, welche die Vielschichtigkeit des Parts treffend wiedergibt. Enttäuscht von seiner ersten Berufserfahrung, die nach einem überschwänglichen Höhenflug in einem umso tieferen Fall mündete, ist er ernüchtert und angewidert von der Geschäftswelt – bei den Vorgehensweisen in dieser zählen keine Werte und Schicksale, sie sind dem Profit oder persönlichen Ansehen klar untergeordnet. Nach seiner Rückkehr wird er einmal mehr Zeuge von betrieblicher Ungerechtigkeit, sieht seine Mutter als das unschuldige Opfer an, das sie ist – daraus entwickelt sich dann sein Motiv (Genugtuung bzw Rache), was wiederum den Stein aller folgenden Ereignisse ins Rollen bringt. Boyd gewinnt die Sympathien des Publikums für Terell, selbst wenn man mit seinen Entscheidungen und Ansichten nicht konform geht. Ali Larter (TV´s „Heroes“/„Final Destination“/„Resident Evil: Extinction“) spielt Olivia Averill, eine aus einer angesehenen kolumbianischen Familie stammende Studentin, welche die Macht hinter den Aktionen erkennt und die sich ausweitenden neo-revolutionären Tendenzen weiter forcieren möchte – außerdem nimmt sie später die Position der Verbindungsperson zu den Medien ein. Ihre Motive weichen von denen ihres Partners zunehmend ab: Extreme gehören für sie schlichtweg mit dazu, wenn sich Leute erheben, um das etablierte System nachdrücklich zu verändern. Ali´s Leistung ist okay – mit einigen stärkeren wie schwächeren Momenten. Trotz ihres groß abgebildeten Antlitzes auf dem Cover ist ihr Auftritt übrigens relativ begrenzt ausgefallen – aber es ist kleinen Produktionen ja keinesfalls zu verübeln, dass sie mit dem bekanntesten Gesicht ihrer Besetzung derart Werbung betreiben. Als Terell´s Mutter punktet Melissa Leo („21 Grams“/„Hide and Seek“) und injiziert der Story die nötige Emotionalität, welche einen dienlichen Kontrast zu den eher „kühlen“ anderen Faktoren (Technik, Härte im Business etc) bildet. Darüber hinaus sind noch Glenn Fitzgerald („40 Days and 40 Nights“/„Igby Goes Down“) und William Sadler („the Shawshank Redemption“/„Demon Knight“) in Nebenrollen zu sehen – letzterer beherrscht seine eingeschränkte Screen-Time als einer der zur „Beichte“ gezwungenen einflussreichen Herrschaften besonders souverän.
Schaefer konzipierte sein Skript auf der Basis einer intelligenten Idee, welche er ziemlich straff in Form eines klaren roten Fadens vorantreibt, ohne sich mehr als nötig irgendwelchen Sub-Plots zu widmen, die nicht allzu viel zum Hauptgeschehen beitragen (wie etwa das angespannte Verhältnis zwischen Terell und seinem einstigen Partner Greg). Die sexuelle Komponente der Beziehung zu Olivia hätte nicht sein müssen: Sie wirkt überflüssig, zumal sich nie klar herauskristallisiert, ob sie ihn nur für ihre Zwecke ausnutzt oder sich tatsächlich zu ihm hingezogen fühlt – wird allerdings ebenso knapp abgehandelt. Es gibt noch einige andere Faktoren, die eher halbherzig ausgearbeitet anmuten, wie die Intensität der Regierungsbemühungen oder die Art der Präsentation des abgründigen Verhaltens der Copycat-Internet-Revoluzzer, welche über kurze Clips auf der Homepage nicht hinausreicht – bloß bleibt der Storykern erfreulich stabil bzw von diesen Kritikpunkten weitestgehend unangetastet. Die positiven Elemente des Gesamteindrucks werden überdies von der differenzierten Gestaltung der Terell-Figur ergänzt: Eingangs wird geschickt mit der Erwartungshaltung des Betrachters gespielt – als wir ihn das erste mal zu Gesicht bekommen, ein ungepflegt aussehender Afroamerikaner (alte Kleidung, lange Haare etc), verschafft er sich gerade durch ein Fenster Zugang zu einem netten Einfamilienhaus, das einer weißen Dame gehört, worauf wir ihn automatisch für einen Einbrecher halten. Als wir dann erfahren, dass es sich bei ihr um seine Mutter handelt, fühlt man sich unweigerlich ertappt, da ein Vorurteil diese Annahme hervorgerufen hat – von dem Augenblick an widmet man ihm zwangsläufig (wenn auch unbewusst) mehr Aufmerksamkeit. Einstellungen, in denen seine Mom Lebensmittelcoupons ausschneidet oder sich für ihren Sohn aktiv einsetzt, verleihen seinen Intentionen zusätzliche Sympathiewerte – selbst als sich das persönliche Instrument der Ungerechtigkeitsbekämpfung immer weiter verselbständigt und gefährliche Züge annimmt, während er ungewollt zu einer Kult- sowie später gar Medien-Persönlichkeit avanciert. Ohne großen Aufwand hat er einen Weg gefunden, als „kleiner Mann“ Veränderungen herbeizuführen, also eine Form von Macht gegenüber den eigentlich viel Mächtigeren auszuüben. Das Drehbuch lässt uns seine Überlegungen und Absichten gut nachvollziehen. Als Regisseur lieferte Schaefer ebenso solide Arbeit ab: Die digitalen Medien wurden ansprechend eingebunden und nie überreizt, das Tempo ist anständig und füllt die 89-minütige Laufzeit bündig aus. Einzelne Sequenzen und Entscheidungen, neben den bereits genannten beispielsweise noch die Einbindung eines verhaltensgestörten Kindes oder der unnötig vordergründige Einstieg, welcher eine Schlüsselstelle vorwegnimmt, muten allerdings insgesamt nicht ganz optimal an, weshalb ich in manchen Bereichen doch von ungünstigen Entscheidungen und verschenken Möglichkeiten sprechen muss. Wem übrigens per se dialogreiche, unspektakulär umgesetzte Low-Budget-Produktionen nicht zusagen, sollte besser einen weiten Bogen um diese Veröffentlichung machen…
Fazit: „Confess“ ist ein cleverer, die Macht der modernen Kommunikationswege aufzeigender Independent-Thriller, der leider einige Schönheitsfehler aufweist, nichtsdestotrotz ein interessantes Thema auf unterhaltsame Weise angeht, ohne dieses dabei zu trivialisieren oder den Konsumgewohnheiten der breiten Masse anzupassen … „6 von 10“