Einmal wird nicht reichen...
Als hätte ich eine innere Eingebung gehabt, habe ich mir einige Titel aufgespart, die ich in meiner dann doch nicht unermüdlichen Zuwendung zum italienischen Giallo anscheinend dann raushole, wenn mich das Gefühl beschleicht, alles Interessante bisher gesehen zu haben. „Il profumo della signora in nero" oder diesmal sinngemäß eingedeutscht „Das Parfüm der Dame in Schwarz" von Francesco Barilli aus dem Jahr 1974 ist so ein Titel.
Vielleicht liegt dies daran, dass Barilli seinen Film zu einer Zeit machte, in der der Giallo seinen Zenit bereits überschritten hatte und er daher gar keine Ambitionen hatte, mit dem Bedienen der für das Genre typischen Kernelemente eine paar schnelle Lira zu machen. Sein Film mag sich zwar der mystischen Elemente, die einige Filme des Subgenres in sich aufnahmen, zuwenden, aber mir fällt es eher schwer, hier die Begriff Giallo zu verwenden. Zumindest, wenn man die Definition des Genres betrachtet, wie sie außerhalb Italiens verwendet wird.
Barilli serviert uns hier Mimsy Farmer als Silvia Hacherman, eine junge Frau, die ein sehr geregeltes Leben zu führen scheint, aber nach und nach in einen Strudel einer zerstörerischen Entwicklung hinabgezogen wird. Über den Film entwickelt sich dabei eher der Eindruck, als habe Silvia sich eine Existenz aufgebaut, die der Verdrängung dient und sie so sehr einbindet und verpflichtet, dass ein Ereignis aus der Vergangenheit unter der Oberfläche ihres Alltags verborgen bleibt. Eine wirklich emotionale Beziehung scheint ihr so kaum möglich und sie versucht sich so weit wie es nur geht sozialen Verpflichtungen zu entziehen, um ja nicht in eine Auseinandersetzung mit eben dieser Vergangenheit zu geraten.
In der Rezeption des weiteren Verlaufs des Films wird häufig der Vergleich zu Polanski und besonders dessen „Rosemary's Baby" gezogen, was zum einen an der dargestellten Zerbrechlichkeit der Hauptfigur zu liegen scheint und zum anderen der Verwirrung des Zuschauers zuzuschreiben ist, der eigentlich nie so recht weiß, was lediglich innere Empfindungen Silvias und was tatsächliche Ereignisse sind. Aber so ab der Hälfte des Films mehrt sich der Eindruck, dass die Frau doch stark was an der Gondel hat.
Ebenso verwirrend wie gelungen ist dann der Schluss des Films, der auf einen Kommentar aus einem Dialog zu Beginn zurückgreift und zu intensiverem Nachsinnen über das Gesehene anregt. Während ich diese Zeilen hier schreibe, habe ich diesen Prozess noch nicht abschließen können, werte das aber als ein gelungenes Kunststück Barillis, denn störend ist das in diesem Fall überhaupt nicht. Vielmehr ist es eine Einladung, sich den Film erneut anzusehen und das schaffen eben nur wenige und schon schon gar nicht aus italienischer Produktion, wenngleich ich sie irgendwie fast alle schätze.
Mimsy Farmer kannte ich bis dato lediglich aus Argentos „Vier Fliegen auf grauem Samt", wo sie ihre Ausstrahlung, die sie hier dann vollends ausspielen kann, bereis angedeutet hat. Diese zu beschreiben verleitet zu etwas paternalistischen Aussagen, aber ihre mädchenhafte, oft schmollende Art fand ich so berührend, dass darüber der Film für mich wirklich gut funktionierte. Ob Farmer auch etwas anderes beherrschte, als diese Kindlichkeit in ihren Ausdruck zu legen, kann ich nicht sagen, vielleicht war sie ein One-Trick-Pony. Sollte sie aber auch andere Sachen auf Lager gehabt haben, würde ich dies hier als gediegenes Schauspiel bezeichnen.
Die Kameraarbeit von Mario Masini ist dabei ein Aushängeschild für das italienische Kino und die Tatsache, dass mir der Name jetzt so nichts sagt, lässt erkennen, wie viele gute Handwerker in dieser Zeit zur Verfügung standen. Zusammen mit den wunderschönen Setdesigns entwickelt der Film auf der bildlichen Ebene eine Qualität, die so nur wenige Filme, auch aus dieser Zeit und diesem Land, erreichen konnten.
Dies lässt sich fast genau so auch über die musikalische Untermalung von Nicola Piovani sagen, der hier wenig eingängige Kompositionen verwendet und somit nirgendwo auf einer Soundtrackliste zum Giallo auftauchen dürfte, aber dafür die erzählerische und bildliche Ebene erstklassig unterstützt. Die erzeugte Stimmung kriecht stellenweise wirklich unter die Haut, auch wenn Barilli hier und da vielleicht etwas mehr hätte pointieren können. Der Film entwickelt sich insgesamt doch recht liniar, was dem Vergleich zum Strudel zwar entsprechen mag, aber spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem klar wird, wer hier das Problemkind ist, den Zuschauer doch nach Ausschlägen auf der Sensationsskala lechzen lässt. Zwar gibt es dann im Schlussdrittel auch Morde, allerdings wirken diese mehr wie eine logische Folge und Entladung dessen, was man da schon lange erwartet hat und generieren so recht wenig Spannung aus sich heraus. Das Ende haut dann allerdings das Verständnis des Films gefühlt wieder in Klump, aber allerdings, und das muss man Barilli einfach hoch anrechnen, ohne zerstörerisch auf das Gesamtwerk zu wirken. Vielmehr beginnt der Zuschauer, sich und seine Wahrnehmung des Films zu hinterfragen.
Auf jeden Fall endet der Film mit einem Ansatz, der Farmers letztem Giallo-Auftritt in „Vier Fliegen auf grauem Samt" diametral entgegensteht. Dort kam die hosentaschenpsychologische Auflösung einfach um die Hausecke, um alles Merkwürdige in eine größtmögliche Sinnhaftigkeit zu überführen, wenngleich dies böse nach hinten losging. Hier meint man verstanden zu haben, was die Hauptfigur durchläuft, um am Schluss doch wieder verunsichert zu werden.
Fazit
„Das Parfüm der Dame in Schwarz" entspricht wahrlich nicht der Kongruenzmasse des typischen Giallos, liefert aber über seine gesamte Spielzeit intensives Filmvergnügen und eine Berieselung der Sinne, die sich mehr und mehr zu einer fiebrigen Anpannung aufbaut. Dass diese keine wirkliche Auflösung erfährt und der Film gewissermaßen mit einer sehr hohen Note endet, ist ein gelungener Kunstgriff, der einem nicht häufig begegnet und schon von daher diesen Psychothriller zu einer Empfehlung für Fans des europäischen Kinos macht. Die einzigen Abstriche sehe ich darin, dass der Film im letzten Drittel eigentlich die geschürten Erwartungen recht schnörkellos erfüllt und so etwas an Zugkraft verliert. Aber der doch recht verwirrende Schluss, zu dem mir gerade nur Begriffe wie Metapher, Symbol etc. einfallen, reißt das dann doch wieder raus. Ich denke nochmal darüber nach...