Nun,eines vorweg: solch einen Film gibt es selten zu sehen! Dies dürfte ein Grund sein, warum dieses kleine Meisterwerk nahezu unbekannt ist. Man kann nicht zuviel über diesen herausragenden-ja, was ist es?-Thriller, Horror, Giallo schreiben, da man sonst zu weit vorgreifen und die gründliche, sich ständig steigernde Spannung zunichte machen würde.
Was wie ein Psychothriller beginnt, läuft schon bald in eine ganz andere Richtung, um den Zuschauer daraufhin wieder mit einer nicht vorhersehbaren Überraschung zu schockieren. Dies alles geschieht dabei nicht auf allseits bekannte primitive Weise eines typischen Hollywood-Movies, in dem ein irrer Plot-Twist den nächsten jagt, nur um zu zeigen, welch tolle Wendungen man parat hat. So etwas funktioniert meist überhaupt nicht, da entsprechender Film sich vorher auf ganz rationaler Ebene abgespielt hat und die große Schlusswendung somit völlig unlogisch erscheint und nur dem sinnlosen Versuch dient, den Zuseher zu überraschen. Das soll nun nicht heißen, dass ich per se amerikanischem Mainstreamkino abgeneigt gegenüber stehe-ganz im Gegenteil-gibt es doch genug Könner auf diesem Gebiet.
Nein-The Perfume Of The Lady In Black spielt in einer ganz anderen Liga. Hier ergeben sich die Wendungen fast zwangsläufig-weiß man doch nicht, ob unsere Heldin wirklich verfolgt wird, langsam dem Wahnsinn verfällt oder unter sonstigen, aus der Kindheit herrührenden, seelischen Verletzungen leidet. Selbst wenn die folgende Handlung nicht immer nachzuvollziehen ist, spielt sich doch alles auf einer schier übersinnlichen Ebene ab. Aufgrund des sich durchziehenden surrealen Geschehens spielt es so auch keine Rolle, ob dieser Verlauf logisch zu erklären sein muss.
Dass wir uns auf einem konstant hohen Spannungslevel bewegen-nicht zuletzt wegen des genialen Soundtracks von Nicola Piovani, der endlich 1998 einen Oscar für Roberto Benigni's La Vita E Bella (Das Leben Ist Schön) gewann-liegt vor allem an dem hierzulande relativ unbekannten Regisseur Francesco Barilli, der mit seinen gerade mal drei selbst gedrehten Filmen auch nicht gerade viel zu seiner Popularität beigetragen hat. Aber man muss ihn schon als ein Allroundtalent bezeichnen-schrieb er doch an den Drehbüchern zu Aldo Lado's The Child / Who Saw Her Die? und Umberto Lenzi's wegweisendem Mondo Cannibale mit und zeichnete in den 60er Jahren u.a. verantwortlich für die Second-Unit bei Pasolini's Uccellacci E Uccellini (Große Vögel, Kleine Vögel).
Hier übernahm er gleich sämtliche Funktionen des Filmemachens, was diesem kleinen Meisterwerk sichtlich zugute kommt-musste er sich doch höchstens von der Zensur reinreden lassen. Aber auch da hat man ja so seine Tricks, um mit dem beabsichtigten Material durchzukommen. Einzig die freizügigen Bettszenen passen vielleicht nicht ganz ins Gesamtbild-der Regisseur gibt auch selbst einen Kommentar dazu ab.
Auf seine Kosten geht auch die Besetzung mit der Amerikanerin Mimsy Farmer, die bereits 1962 neben Henry Fonda in Spencer's Mountain (Sommer Der Erwartung) debütieren durfte. Danach spielte sie Hauptrollen in Argento's Giallo Four Flies On Grey Velvet (Vier Fliegen Auf Grauem Samt) und kurz vor dem gerade zu besprechenden Film in Deux Hommes Dans La Ville (Endstation Schafott) neben solch illustren Stars wie Jean Gabin und Alain Delon. Unglaublich, wie sie von Barilli hier in Szene gesetzt wird. Geradezu traumwandlerisch bewegt sie sich und den Zuschauer durch diesen unheilschwangeren Albtraum aus grellem Rot und giftigem Grün.
Die junge Silvia wird von der nicht filmunerfahrenen amerikanischen, aber gebürtigen Münchenerin Lara Wendel gespielt, die drei Jahre später als gerade mal 11jährige in dem Skandalfilm Maladolescenza (Spielen Wir Liebe) neben der gleichaltrigen Eva Ionesco mitwirkte und 1982 einen kurzen Auftritt in Dario Argento's ebenfalls indizierten Tenebre hatte, aber ansonsten nur noch in schlüpfrigen Rollen und als Fotomodell auf sich aufmerksam machte. Immerhin sah man sie noch in Federico Fellini's Intervista, bevor sie sich Anfang der 90er Jahre komplett zurück zog.
Mit The Perfume Of The Lady In Black schuf der Regisseur ein rares Kunststück, da er sowohl hinsichtlich Spannung als auch in seiner mystischen Dimension überzeugen kann, bis hin zu einem Ende, das man so wohl überhaupt nicht erwartet hätte.
Auf jeden Fall kein Film für das gewohnte Auge und trotzdem auch allgemein absolut sehenswert, da es kein reines Kunstkino bleibt, sondern den riskanten Spagat zwischen den verschiedenen Komponenten wunderbar hinbekommt. Einmalig!
9,5 / 10 Punkte