Review

Betrachtet man "Wolf Creek" mit einigem zeitlichen Abstand und mit dem Wissen über die inhaltliche Diskussion zu dem australischen Newcomer-Film, so lassen sich einige signifikante Merkmale herausstellen.

Die Beurteilung der ersten Hälfte hängt stark vom Vorwissen über diesen Film und Horrorfilme allgemein ab, sowie dem damit verbundenen beliebten Spiel, ständig vermeintliche Vorbilder nennen zu müssen. "Wolf Creek" wird kaum ein neutraler Gesichtspunkt zugewiesen, als ob nur Horrorfilm-gestählte Freaks sich diesen Film ansehen.
Dabei sind gerade die ersten 50 Minuten verhältnismäßig einmalig in diesem Genre, da sie nicht einmal versteckte Hinweise auf die zukünftige Bedrohung zeigen. Einzig die kurze Einblendung zu Beginn über die große Anzahl vermißter Menschen, die diese Region bereisten, läßt schon die Gefahr ahnen. Ein wirklich realer Ansatz, betrachtet man die gerade aktuelle Diskussion über regelmäßig verschwindende Menschen auf Kreuzfahrtschiffen, der sich durch seine zurückhaltende Art völlig von sonstigen Einleitungen unterscheidet, bei der normalerweise schon mal ein kurzes Gewaltbeispiel für die zukünftige Bedrohung gezeigt wird.

Ebenso ist die Anzahl von nur drei Hauptpersonen, die sich im Auto Richtung "Wolf Creek" - einem beeindruckenden Meteoritenkrater - begeben , eine Abkehr von üblichen Genre-Gewohnheiten, denn hier wird völlig auf das übliche "Bauernopfer" verzichtet, daß problemlos abgeschlachtet werden kann, um den Hauptpersonen zu zeigen, was demnächst abgeht. Und genau aus diesen genannten Gründen, wäre es am besten, man wüßte nichts über diesen Film, denn dann erwischt einen die zweite Hälfte wirklich mit voller Wucht.

In diesem Zusammenhang wird auch zu wenig die Figur des Mick Taylor beleuchtet, die hier eine ungewöhnliche Seite aufweist. Versucht man seine Person aus Sicht der drei in Not geratenen Protagonisten zu betrachten, so kann man nicht umhin, zuzugeben, daß man auch mit ihm gefahren wäre. Mick sieht zwar nicht übertrieben gepflegt aus (was in dieser Gegend wahrscheinlich eher auffällig wäre), aber sonst macht er einen absolut jovialen und lockeren Eindruck. In keiner Sekunde übt er Druck aus oder versucht mit irgendwelchen Geschichten Ängste zu erzeugen - man hat sogar das Gefühl, daß die Drei durchaus auch anders entscheiden könnten, so relaxt wirkt er. Im Gegensatz zu den Rednecks aus der Kneipe ist er geradezu sympathisch, erst mit der fortschreitenden Begegnung und als sie schon in seiner "Werkstatt" angekommen sind, spürt man die unterschwelligen Aggressionen.

Trotzdem - und hier liegt eine weitere Stärke dieser Figur - bleibt er selbst wenn er seine mörderischen Aktivitäten ausübt, sich selbst treu. Es findet keineswegs eine 180 Grad-Wendung des Charakters statt, sondern man spürt, daß oft nur Nuancen notwendig sind, um aus einem freundlich scheinenden einen sadistisch agierenden Menschen zu machen. Und der Fakt, daß hier Regisseur Greg McLean gar nicht erst versucht, psychologische Hintergründe für sein Verhalten herbei zu zaubern (wie zum Beispiel in "Wrong Turn"), macht die Sache noch realistischer. Betrachtet man hingegen die genannten angeblichen Vorbilder, so sind hier die Massenmörder schon aus riesiger Entfernung zu erkennen und Jeder, der diese auch nur bis zur nächsten Hausecke begleitet, kann nur völlig zugedröhnt sein. So ist der Vorwurf an die Figur Mick Taylor, sie wäre wenig beeindruckend, eine Verkennung der Tatsache, daß gerade die Bedrohung hinter der scheinbaren Normalität besonders furchterregend ist - ein vordergründiger Horror, ausgelöst durch einen besonders gräßlichen Anblick, wird hier nicht geboten.

So kann man McLean für seinen Mut, zuerst ein einfaches Road-Movie zu schildern, daß in ruhigem Tempo und normalster Art und Weise abläuft, nur bewundern. Wie sehr man sich mit Kristy, Ben und Liz identifiziert ist Geschmackssache, aber sie wirken völlig natürlich und es entstehen auch keinerlei übertriebene Dramen oder sonstige Zuspitzungen. Allerdings gelingt McLean sehr schön die unendliche Weite und Einsamkeit dieser Region in Australien einzufangen und schon das allein ist beeindruckend, ähnlich wie man schon Ängste entwickelt, wenn man zu weit auf das Meer hinaus schwimmt und den Boden nicht mehr sieht. Menschen brauchen einen verläßlichen Maßstab und der verliert sich in der Weite der australischen Landschaft.

Wer allerdings auf Action wartet oder irgendwelche Krüppelwesen, die heischend durchs Off marschieren, wird enttäuscht. Es bedarf tatsächlich eines offenen Geistes für Atmosphäre und auf die Rückbesinnung eigener verborgener Ängste, um die steigende Spannung zu spüren. Die zweite Hälfte, die sich dem eigentlichen Horror widmet, verdeutlicht dann, daß es auf diesem Gebiet schwieriger ist, die bekannten Vorbilder um Innovationen oder wenigstens Variationen zu erweitern.

Einmal in Gang gebracht, wird die Spirale der Gewalt immer weiter hoch gedreht. Überraschend dabei ist die durchgehend kompromißlose Art mit der die Vorgänge dargestellt werden, ebenso wie die Unendlichkeit der Umgebung kaum Hilfe für Ortsunkundige verspricht und damit eine absolute Hoffnungslosigkeit vermittelt. Positiv ist auch zu bemerken, daß die drei Protagonisten nicht plötzlich über sich hinaus wachsen oder überdurchschnittliche Kräfte entwickeln - im Gegenteil, sie wirken teilweise so kraft- und hilflos, daß man fast Mitleid entwickelt angesichts des überlegen agierenden Mick Taylor.

Fazit : Ein sich geschickt an realen Ereignissen orientierender Horror-Film, der sehr lange eine ruhige Geschichte über einen Road-Trip dreier junger Menschen in Australien schildert, der vor allem durch seine atmosphärische Dichte Spannung erzeugt. Gerade diese erste Hälfte läßt den Film aus dem genreüblichen Einerlei herausragen, während die dann folgende Action auch Standardansprüche befriedigt.

Insgesamt ein sehenswerter Film, der überzeugend Ängste davor vermittelt, sich alleine in eine Umgebung zu begeben, die weder Halt noch Vertrautheit vermittelt - im Grunde die klassische tiefenpsychologische Warnung vor dem Anderssein (7/10).

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