Review

Der böse Terror geht weiter um – diesmal in den Outbacks von Australien am Wolf Creek.

Masken sind out: Der Slasher, der von Wes Craven mit „Scream“ auflebte, ist schon länger tot, jetzt allerdings zerfällt er schon fast, denn auch die Videothekenvertreter, die sich am 10 kleine Negerlein-Prinzip heutzutage noch orientieren, gehen meistens genauso schnell unter, wie die Drehbuchautoren für das Schreiben des Scripts brauchten oder werden gar nicht erst bemerkt. Seit kurzer Zeit lebt ein ähnliches Genre auf, in der guten alten Tradition solcher Streifen wie „Texas Chainsaw Massacre“ oder „The last House on the Left“ aus geraumer Vorzeit. Dort wird die Gruppe nicht nach und nach klammheimlich ermordet, sie wird terrorisiert, gequält, gefoltert bis sie schlussendlich von ihrem Leid erlöst und getötet wird. Typische Slasherkost, wie wir sie bis vor kurzem noch vorgesetzt bekamen, ist ausgestorben. Aber daran dürften wir uns auch satt gesehen haben, also auf nach Australien und den nächsten Terrorausflug…

Drei Wochen Urlaub in den Weiten des Kontinents sollen es für Ben (Nathan Phillips), Liz (Cassandra Magrath) und Kristy (Kestie Morassi) sein. Mit einem schäbigen Gebrauchtwagen macht man sich auf den Weg, um über einsame, staubig-sandige Wüstenlandschaften zu fahren und immer mal wieder für Sehenswürdigkeiten anzuhalten. Als erstes geht es zum „Wolf Creek“, einem Meteoritenkrater von beachtlichem Ausmaß. Neben Gruselgeschichten über Aliens und erstem Anbandeln untereinander von Liz und Ben streikt bei der Abfahrt plötzlich das Auto nebst Uhren (zweites wird nie erklärt). Wohl oder übel muss man die Nacht hier verbringen…

Knapp 40 Minuten sind verstrichen und der Zuschauer sah bisher… eigentlich nichts, das er nicht auch in einem Urlaubs-Homevideo sehen könnte - mit einem leicht infantilen Humor. Immer wieder grinsen und kichern sich die beiden weiblichen Charaktere durch die Szenen, lustig ist dabei aber nur selten etwas.
Bisher hält einen nur die Gewissheit wach, dass es gleich noch richtig losgeht und natürlich die wunderschönen Landschaften Australiens. Abgeschieden von jeglicher Zivilisation fährt und kurvt das Auto ab und zu an Tankstellen vorbei und dann wieder stundenlang zwischen Felsen, Staub und kleinen Grünpflanzen.

Nicht mal auf die typischen Schockmomente, die man aus den Beginnen der Genrekollegen kennt, wie zum Beispiel auf der Tankstellentoilette (ganz klassisch), als sich ein Protagonist die Hände wäscht, wieder in den Spiegel guckt und hinter sich eine andere, aber vertraute Person zu Gesicht bekommt. Mit ohrenbetäubender Soundkulisse lassen einen solche Szenen regelmäßig, egal wie offensichtlich sie sind, im Kinosessel zusammenzucken. Und auch hier wird alles für so eine Szene vorbereitet, doch die vertraute oder auch jegliche andere Person bleibt aus. Dafür schon mal Respekt, dass man den Zuschauer eine dreiviertel Stunde ohne richtige Spannungsszenen alleine lässt und man sich ganz auf die zweite Hälfte konzentriert und dort alles reinpackt, das den Pulsschlag erhöht.

…Doch plötzlich tauchen des Nächtens Lichter hinter dem eigenen, kaputten Auto auf und ein freundlicher, älterer Herr, Mick (John Jarratt) will ihnen helfen. Das Problem ist schnell gefunden, doch die Reparation geht nur bei ihm zu Hause. Dafür müsste er sie abschleppen, was er alles umsonst machen will. Sie willigen ein, erreichen sein abgeschiedenes, nicht gerade einladendes „Zuhause“, wenn man das so nennen kann, und schlafen ein, während er repariert. Bis sie morgens wieder aufwachen…

Nothing’s for free - diese goldene Regel sollten die drei eigentlich kennen – tun sie aber nicht. Sie lassen sich von einem wildfremden Mann am „Arsch der Welt“ abschleppen und erwarten noch eine kostenlose Reparatur ihres Wagens. Schlimm die leichtgläubige Jugend von heute, aber das böse Erwachen kommt ja alsbald…

Ab geht die Post und damit die Nacht.
Spielte bisher der Film fast gänzlich am Tag, ist es nun kuschelig-düster und der meiste Großteil der Kulissen taucht komplett im Dunkeln unter, weshalb man kaum etwas sieht, meistens nur Umrisse der Gegenstände. Taschenlampen werden die besten Freunde der Protagonisten und sobald die Situation, in der sie nun stecken, realisiert ist, bricht schnell Panik aus – Vergewaltigung, Folter und Mord stehen nun an der Tagesordnung. Liz ist gefesselt, kann sich aber befreien, während Kristy gerade vor Mick geknebelt ist und vergewaltigt werden soll. Ben ist unauffindbar und so macht sich Liz erstmal alleine auf die Rettungsaktion.
Von nun an wird mit einer Brutalität vorgegangen, die vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre, aber heute locker durch alle Prüfstellen kommt, obwohl sie dennoch ein gutes Stück hinter „The Hills have Eyes“ anzusiedeln ist. Es ist viel mehr der psychische Terror, der hier stattfindet, gepaart mit einem Schuss graphischer Gewalt. Abgehackte Finger und ein Kopfschuss sind dann das Übelste und reichen auch aus, da eine große Splatterorgie dem Film nur seine Glaubwürdigkeit genommen hätte.

Diese wird durch die Texttafeln zu Beginn und am Ende und dem in der Realität auftauchenden Problem der verschwindenden Personen erreicht, zusätzlich dazu gesellt sich eine fast Handkamera ähnliche Optik. Gerade bei Autofahrten ruckelt und wackelt es, als käme man gerade vom Dreh von „Blair With Project 3“, aber auch sonst ist sie sehr unruhig und unscharf, was dem ganzen dann einen oben schon angesprochenen Homevideo-Anstrich verleiht, um den Film realistischer zu machen. Im Laufe des Films zeigen sich weitere Videobänder anderer Familien, die ein ähnliches Schicksal erlitten. Hier könnten wir eines dieser Videos sehen, das von Ben auch anfangs gedreht wird…

Die Hetzjagden und Fluchten finden dann einen krönenden Abschluss, indem nicht alles so ausgeht, wie man das zunächst vermuten wird, da man in den eingefahrenen Genrekonventionen drinsteckt und man kaum mit Innovationen rechnet. Aber trotz der geringen Größe der Gruppe ist es keinesfalls sicher, wer hier überlebt, ob überhaupt wer überlebt.
Generell bleiben die Klischees erfreulich im Schrank. Autos springen immer an, nach kurzem Zögern (da rüttelt es also kurz aus dem Schrank); Schlüssel sind nie da, aber wer lässt schon seine immer stecken; am Boden liegende Killer bleiben da, solange man in ihren Taschen kramt; einzig der Mut zum Töten fehlt bei den Protagonisten im entscheidenden Moment.

Viele, mit denen ich im Kino war, brüskierten sich über den lahmen, zähen, nichts sagenden Anfang. Ich war wieder mal der einzige, der da widersprechen musste (ich tue das gerne). Und zwar bleibt dem Film fast nichts anderes übrig, als diesen seichten Anfang zu fahren, wenn er nicht auf die Dauer eines Kurzfilms abrutschen oder sich seine realistischen Ansprüche zunichte machen wollte. „Wolf Creek“ schmückt sich mit dem langsam auf jedem zweiten Plakat zu findenden Titel „basierend auf einer wahren Begebenheit“. Ob gerade die Geschichte so passiert ist (wohl eher nicht, denn rückblickend könnten die Handlungsstränge gar nicht alle von einer Person wiedergegeben werden), ist gerade deshalb sehr unwahrscheinlich, Fakt ist aber, dass in Australien, am im Film oft so titulierten „Arsch der Welt“, jährlich etliche Personen verschwinden, die nie wieder auftauchten oder nur tot gefunden werden. Hier bietet sich jetzt eine böse, aber nicht unrealistische, Lösung der Ereignisse an, die dort passieren könnten. Und damit der Film das halbwegs realistisch herüberbringen kann, darf er nicht den Fehler machen und über ein halbes Dutzend Jugendlicher in die Einöde schicken, das dann von einem Irren dort abgeschlachtet wird. Drei Jugendliche waren schon das höchste vertretbare Maß, so dass es niemals in das rein Phantastische gerät. Zeitgleich heißt das aber auch, dass er nicht sofort zu Beginn in die Vollen gehen kann und die Teenies dann 80 Minuten vor dem Irren fliehen lässt. Sonst würde es nachher entweder komplett unrealistisch werden, indem die drei immer wieder entkommen könnten, oder zu einer Folterorgie verkommen, wie es jüngst „Hostel“ schaffte mit ähnlich flauem Start, da drei Personen recht schnell getötet wären und der Film damit zu Ende wäre. Somit ist der Anfang ein Kompromiss zwischen Atmosphäre/Spannung und dem realistischen Anstrich der ganzen Geschichte.

Auch ich fand es etwas langatmig, aber wenn man bedenkt, dass in letzter Zeit viele Genrevertreter („House of Wax“, „Hostel“ und in einem vertretbaren Maße auch „The Hills have Eyes“; Ausnahmen wie „Saw II“ werden immer rarer) so gemächlich starten, muss man wohl anfangen, das zu akzeptieren. Und hier gibt es wenigstens einen plausiblen Grund.

Fazit:
Den absoluten Überflieger aus Australien sehe ich hier in diesem kleinen, gering budgetierten (immerhin nur eine Million), fiesen Horrorthriller leider nicht. „Wolf Creek“ bietet soliden Terror“spaß“, lässt sich, thematisch bedingt, recht viel Zeit für die Einführung und legt danach ordentlich los, lässt die bekannten Schocks von vorbeihuschenden Schatten vor der Kamera bewusst aus, was dem Film nur positiv anzustreichen ist. Hier ist es alleine die beängstigende Situation, die die Spannung erzeugt. Durch den „Blair Witch Projekt“-ähnlichen Kamerastil, wackelig und unscharf, wirkt das zudem auch noch wie ein eigens gedrehtes Video. Grundsätzlich ist die Kamera ein Gewinn für den Film, zeigt vieles nur schemenhaft, ungenau oder nur Schatten, die in die spärlich ausgeleuchteten Sets fallen.
Somit ist „Wolf Creek“ stimmungsvoll, atmosphärisch, ohne neue Akzente zu setzen und dabei nicht überdurchschnittlich brutal – im Vergleich zu vielem des jetzigen Jahres. Trotzdem animierte es genug Personen in der Sneak vorzeitig das Kino zu verlassen.
Terror wieder einmal nicht für schwache Nerven und dank der herrlichen Kulisse, welche mich glatt Urlaub dort machen lassen wollte, wenn die zweite Hälfte diesen Wunsch mir nicht verhageln würde, auch für eine Fortsetzung zu gebrauchen… (6,5/10)

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