Australien gilt allgemein nun nicht als dauerhaftes Exportland erfolgreicher Filme, sorgte 2005 mit seinem Horror-Road-Trip „Wolf Creek“ aber auch international für Furore. Sein ihm vorauseilender Ruf grenzt allerdings schon an einem Hype, wobei ich nicht leugnen will, dass Regisseur Greg McLean, der übrigens davor einen Kurzfilm über ICQ drehte, sein Handwerk versteht, nur ist „Wolf Creek“ eben keine außergewöhnliche Erscheinung im dicht besiedelten Business. „The Texas Chainsaw Massacre“, „Wrong Turn“ und wie sie alle heißen, rufen nämlich genau das Gleiche ab. McLean befolgt nur die Regeln und macht dabei einen soliden Job.
Der Unterschied zwischen amerikanischen Backwood-Horror und australischen Outback-Horror ist einfach nur die Kulisse und damit punktet „Wolf Creek“ auch in den ersten 50 Minuten des Films. Denn solange braucht der Film, bis er endlich loslegt.
Das weite Meer, die Sonnenuntergänge, der romantische Lagerfeuerabend in den Schlafsäcken am Strand und darauf die endlose Wüste sind optisch stark anziehendes Lokalkolorit, das in seiner Unverbrauchtheit ein paar wirklich schöne Momente bereithält und von der mal wieder stereotypen Opferriege (immerhin nicht die üblichen Klischeeteens), die sich ihren Roadtrip durch die Einöde von Down Under so sicher nicht vorgestellt haben, ablenkt.
Dass Greg McLean seinen Film mit geringen Mitteln realisierte ist mittlerweile fast legendär. Man muss ihm angesichts des knappen Zeit- und Finanzrahmens auch deswegen schon ein wenig Respekt zollen.
Mit schon einmal nicht gerade einladenden Fakten über in Australien verschwindende und nie wieder auftauchende Menschen den Zuschauer begrüßend, kreiert er auch gleich zu Beginn eine latent ungemütliche Stimmung, die seine Bilder gleiche eine Spur bedrohlicher und unheilvoller aussehen lassen, als sie eigentlich sind. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der Film eine Spur die Wahrheit spricht, erntet man in diesen Fällen bekanntlich schon einmal erste Klöße in den Hälsen.
Unbekümmert rast das Trio also mit einem schäbigen Kombi Richtung Nationalpark los, um während eines Zwischenstopps schon einmal unliebsame Bekanntschaft mit ungehobelten Rednecks zu machen. Doch das soll nur ein Vorgeschmack auf das sein, was sie noch erwartet.
Das Warten auf den Horror-Part zieht sich in der Tat ein wenig und die 50 Minuten vergehen nicht gerade wie im Flug, auch weil das Trio kaum das Interesse des Publikums gewinnt und die Reise so schrecklich viele Höhepunkt leider gar nicht bereit hält. Ehrlich gesagt, kann ich nicht nachvollziehen, wo Kollegen hier prägnante Charakterisierungen glaubwürdiger, interessanter Charaktere entdeckt haben. Nur weil das Trio keinen flotten Dreier startet, sich kein Silikon in den Vorbau spritzen lassen hat und auch keine Drogen kübelweise einwirft, wie das in Amerika bekanntlich Gang und Gebe sein muss, fand ich die Drei nicht realer.
Umso erfreuter ist man dann, wenn es endlich losgeht, der Wagen streikt, ein scheinbar freundlicher Einheimischer vorbeikommt und ihre Karre reparieren will, in Wirklichkeit aber ein psychopathisches, ungewaschenes, unrasiertes Drecksschwein üblicher Art ist, dass die Drei auf seine allerliebst hergerichtete Farm verschleppt, dort einsperrt und seine sadistischen Spiele anpfeift.
Sobald der Terror beginnt, gibt es das volle Genreprogramm, eingefangen von einer effektiven Handkamera. Gut, dass Frauen in solchen Situationen immer stets hysterisch vor sich hin kreischen müssen, damit sie auf der Flucht auch ja die Aufmerksamkeit des durchgeknallten Folterknaben auf sich ziehen müssen, werde ich zwar nie verstehen, doch ansonsten werden die Klischees eher knapp gehalten (Immer fehlten, nah an der Parodie, die Zündschlüssel *gähn*). Ich war angesichts einer fehlgeschlagenen Flucht sogar richtig überrascht, wie rabiat der Film zu Werke geht.
Die Terror-Stimmung ist gut, die Location, mit Schrott, Müll etc so richtig typisch hergerichtet und der Peiniger ein wirklich saugemeines Exemplar, das sich alsbald an seine Opfer hängt, die nachts, ohne zu wissen, wo sie überhaupt sind, mitten in der wüsten Einöde natürlich nichts zu bestellen haben, ihre Finger verlieren, gekreuzigt oder brutal tranchiert werden.
„Wolf Creek“ geht in dieser Hinsicht ganz schön zur Sache und zeigt sich bisweilen schmuddelig-böse, was die blutigen Wunden angeht.
Vor allem die zelebrierte Sniper-Attacke mit weggezwirbelter Schädeldecke und der absolut gnadenlose Hinterwüstler, der mit seinen Opfer, wie in amerikanischen Pendants ja stets beliebt, nicht lange spielt, sondern je nach Gemütslage kurzen Prozess macht, bleiben später hängen, weil es eben kleine Ausbrüche aus den Konventionen sind.
Ansonsten bleibt der Film altbewährt. Erst findet das Hide&Seek – Spiel zwischen mordlüsternem Psychopathen und wimmernden Opfer auf dem Grundstück ab, dann geht es hinaus in die Wüste und wieder zurück. Zwischendurch gibt es unappetitliche Entdeckungen, das Wissen, dass dort schon mehr Menschen gestorben sind, ästhetischen Nebelvorhang und natürlich reichlich Blut-Schockmomente, während Psycho Mick seine Opfer verhöhnt.
Fazit:
Grundsolider Outback-Terror aus Down Under, der in den ersten 50 Minuten so seine Probleme hat, über die Runde zu kommen, sich an den tollen Landschaftsaufnahmen mühsam hochzieht, doch dann ausholt und bösartiges Terror-Kino serviert, das man so oder ähnlich bereits öfter gesehen hat, von Greg McLean aber immerhin herb und hoffnungslos inszeniert wurde. „Wolf Creek“ bleibt damit ein ordentlicher Genrebeitrag mit nur wenig Eigenständigkeit, jedoch ohne nerviges Klischeedauerfeuer und langweilige Vorhersehbarkeit. Hat Spaß gemacht und für Australien nun echt nicht typisch.