Wasser hat laut Serienerfahrung auf Columbo eine besondere Wirkung. Das liegt dabei nicht unbedingt an der Seekrankheit des Inspektors, vielmehr weichen die wässrigen Storys oftmals vom allgemeinen Schema ab. So auch in „Mord unter sechs Augen“, mit dem viele Fans ein Problem haben.
Eigentlich ist die Geschichte rund um General Hollister (Eddie Albert) nicht uninteressant. Er tötet Colonel Roger Dutton (Paul Kerr), weil durch ihn die illegalen Waffengeschäfte beider aufzufliegen drohen. Danach betritt die Folge schon ungewohntes Terrain. Es gibt eine Augenzeugin, die den Mord von einem Boot aus beobachtet haben möchte. Helen Stewart (Suzanne Pleshette) ruft die Polizei, die aufgrund der Brisanz rund um die Anschuldigungen gleich Columbo zum vermeintlichen Tatort schickt.
Das einzig schlagkräftige Indiz ist insofern eine Zeugin und das ist für den raffinierten Inspektor, der immer einen Schritt voraus denkt, augenscheinlich ziemlich wenig. Es gibt zunächst auch keine Leiche, die auf einen Mord hinweist und die Geschichte von Helen Stewart bestätigt. Trotzdem überzeugt „Mord unter sechs Augen“ auf untypische Art und Weise. Das Columbo-Mörder-Spiel entpuppt sich als ein großes Duell, das von Respekt und Humor getragen wird. Eddie Albert bewahrt immer die gewisse Ruhe und den Stil, der ihn zu einer charismatischen Person macht. Peter Falk gibt Columbo wieder einmal ein überzeugendes Profil – genauso tollpatschig wie scharfsinnig ermittelt er nach seiner Art, welche die ein oder andere vergessene Frage mit sich bringt. Zusammen gesehen sind beide angenehme Zeitgenossen, denen man gerne zuhört bzw. zusieht. Gerade bei einem Mörder ist der Umstand ja durchaus brisant. Diese Zwiespältigkeit ist aber genau das, was den Columbo-Täter vom durchschnittlichen Kaltblüter mitunter unterscheidet.
Hollister ist Pragmatiker, der demnach handelt und eigentlich nicht unbedingt mit plumper, krimineller Energie aufwartet. So umgarnt der General die Augenzeugin vielmehr, als dass er Tötungsabsichten hätte. Es lässt sich darüber streiten, ob die Anmache den Mörder nicht erst recht verdächtig erscheinen lässt, vermutlich wäre das Nichtstun am besten gewesen, aber der Flirt spricht auch für die gefühlte Sicherheit, die dem Militärhelden am Ende zu Verhängnis wird. Jedenfalls ist die sanfte Variante eine erfrischende Abwechslung, zumal Eddie Albert als Charmeur durchaus zu überzeugen weiß. Suzanne Pleshettes Auftritt als wankelmütige Zeugin ist dagegen nahe an der Grenze zur übertriebenen Naivität. Dennoch, aus Sicht von Hollister zahlt sich die Vorgehensweise zunächst aus, er stopft die undichte Stelle und selbst als sich die Hinweise, durch die von ihm dilettantisch versenkte Leiche verdichten, zweifelt die Zeugin immer mehr an ihrer eigenen Beobachtung.
Columbo tappt jedenfalls lange in dunklen Gewässern und bringt seinen geistigen Motor durch Chili bei „Burt“ auf Hochtouren. Dann kommt die Idee, als der Fernsehbeitrag über den allseits gefeierten Kriegshelden Hollister läuft. Der Stolz und das übersteigerte Sicherheitsgefühl des Generals überführen ihn am Ende. Die vermeintliche Mordwaffe, die für den Täter eine besondere, historische Bedeutung hat, würde der Militärheld niemals beseitigen, er stellt sie sogar noch im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung aus. Mit dem Trick, dass die Pistole schon vor Jahren gestohlen wurde und das Ausstellungsstück nur eine Nachbildung sei, lässt sich der Inspektor nicht täuschen. Columbos psychologische Rechnung geht wieder einmal überzeugend auf – der Held und seine Waffen, die er eitel hütet und pflegt. Der Beweis ist erbracht, die Zeugin ist irrelevant.
Übrigens sieht man in „Mord unter sechs Augen“ zum ersten Mal Columbos Dienstausweis deutlich. Das ist insofern interessant, weil der Inspektor ja nur als Inspektor bekannt ist und laut offiziellen Angaben auch keinen Vornamen hat. Auf dem Ausweis erkennt man aber eindeutig den Namen Frank vor Columbo. Da wären wir wieder bei den Besonderheiten der Folge.
Außergewöhnlich ist dann doch nicht immer schlecht. „Mord unter sechs Augen“ weist nicht nur fragwürdige Logik auf, das atmosphärische Duell zwischen Falk und Albert lässt so manche Fragen im Keim ersticken, zumal die Auflösung überzeugt und die ungewöhnliche Struktur auch frischen Wind mit sich bringt. Starker Durchschnitt. (6,5/10)