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Langsam aber sicher wird der Inspektor immer mehr Columbo und legt seine in „Mord nach Termin“ gezeigten, ungewöhnlich aggressiven Ausbrüche nahezu ab. Peter Falk nähert sich schrittweise der nicht aufgesetzt wirkenden Lässigkeit und souveränen Ruhe, die den Ermittler, vor allem in den 70er Jahren, auszeichnet. Der Humor ist in „Lösegeld für einen Toten“ allerdings immer noch nicht beim allgemeinen Standard angelangt, aber immerhin erleben wir vereinzelte Situationskomik und hochwertige Dialoge, die zeigen, auf was in „Columbo“ ankommt.

Der größte Pluspunkt der Episode ist aber zweifelsohne der Fall selbst, mit der Pointe am Ende, wo Columbo zum ersten Mal seine psychologischen Tricks, ohne jemand unter Druck zu setzen, subtil anwendet. Die Identifizierung des Lösegeldes ist ein wahrer Beweis und die zugrunde liegende Idee, mit der man das fehlende Gewissen der Mörderin ausnutzt, überzeugt. Man merkt deutlich, dass der Inspektor ein kleiner Moralist ist und gerade emotional kalte Pragmatiker nicht wirklich leiden kann.

Leslie Williams (Lee Grant) überzeugt als eloquent erfolgreiche Anwältin, die ihren Mann Paul (Harlan Warde), ein Anwalts-Guru, erschießt, um noch mehr vom Kuchen abzubekommen. Der berühmte Staranwalt hatte sie durchschaut und wollte die Konsequenzen ziehen, deshalb musste er sterben. Zur Verschleierung inszeniert sie eine Entführung und täuscht eine Lösegeldübergabe vor. Der an sich gut geplante Mord wird ihr letztendlich zum Verhängnis, denn der Psychologe in Columbo merkt schon früh, dass ihre Verhaltensweise zum Himmel stinkt. Die restliche Indizienkette (vorgestellter Autositz, die Tasche am Tatort, Einschusswinkel, das untypisch kleine Kaliber der Mordwaffe) überzeugt mehr oder weniger, es gab schon originellere erste Hinweise. Das erst spät durch die Stieftochter (Patricia Mattick) angesprochene Motiv wirkt auf den ersten Blick recht dürftig, aber letztendlich charakterisiert man die erfolgssüchtige Anwältin konsequent als kühle Pragmatikerin, die eben über Leichen gehen würde. Lee Grant spielt eine klassisch, charismatisch intelligente Femme fatale, die Columbo wie Dr. Ray Flemming im ersten Pilotfilm, genauso herrlich und treffend analysiert.

Der Inspektor steht dabei genauso im Zwiespalt wie der Betrachter. Einerseits ist die Mörderin kaltblütig, andererseits ist man(n) vor ihrer charmanten Ausdrucksstärke nicht gefeit. Das mag aber auch an Stieftochter Patricia Mattick liegen, die mit ihrer neurotisch dumm-dreisten Art die Killerin richtig sympathisch werden lässt. Als Gehilfin von Columbo sägt sie kräftig an den Nerven und selten hat man sich so sehr einen zweiten Mord gewünscht, wie in diesem Fall. Sie ist letztendlich auch der Grund für Columbos einzigen Aussetzer, als er sich gegen ihre Attacken wehrt. So ist der Drachen, der sich Stieftochter nennt, eher übel aufstoßendes Gift für die Episode, was vor allem das eigentlich gute Columbo-Mörder-Spiel betrifft.

Ansonsten findet Peter Falk langsam zu sich selbst – und er ist nun einmal Columbo. Man erlebt herrliche Momente in der Luft, wenn Columbo seine Flugangst in unnachahmlicher Gestik und Mimik zum Ausdruck bringt. Würze verleiht zusätzlich die Geistergestalt Mrs. Columbo, die hier mal wieder präsenter ist, als so manche sichtbare Figur. Der Mythos lebt, man sieht sie nie, aber langsam wird die ständig erwähnte Frau zum festen Bestandteil der Ermittlungsarbeit. In „Lösegeld für einen Toten“ beginnt auch Columbos merkwürdiger Chilitrip. So wird die Kneipe, in der er Billard spielt und regelmäßig die mexikanische Spezialität mit Cracker verschlingt zum Kultobjekt. Das sind die genialen Nebensächlichkeiten, die das Columbo-Universum verfeinern.

Letztendlich ist auch der zweite Pilotfilm eine gute Episode, die ihre Schwächen hat, aber schon deutlich mehr klassische Columbo-Luft atmet, als „Mord nach Rezept“. Der Fall und die Auflösung überzeugt, während die Ermittlungsarbeit und das damit verbundene Columbo-Mörder-Spiel durch die unerträglich zickige Stieftochter, mit all ihren hysterischen Auswüchsen, ins Stocken geraten. (6,5/10)

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