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Also, dramatisch ist was anderes. Als großes Drama ist das Boxer-Biopic über den Star des US-Boxsports der Weltwirtschaftskrisenzeit – Jimmy Braddock – angekündigt worden, und sicherlich: „Cinderella Man“ hat seine dramatischen Momente. Doch eben leider nur „Momente“, ein kontinuierlicher dramatischer Spannungsaufbau will Regisseur Ron Howard hier irgendwie nicht recht gelingen. Schade eigentlich, denn die Aufmachung seines Boxer-Filmes ist wirklich gelungen. Toll inszenierte Kämpfe, nett anzuschauende Kulissen, die das Zeitgefühl der 30er und 40er Jahre recht eindrucksvoll transportieren können, und eine rundum ansprechende Kamera-Arbeit runden gemeinsam mit dem gefälligen Soundtrack die Inszenierung dieses Lebensabschnitts des Boxers zu einem rein von der Erscheinungsform her gelungenen Film ab. Doch die Geschichte… Ja, die Geschichte, die hier erzählt wird, mag ja einer wahren Begebenheit nachempfunden sein, aber war sie es wert, direkt daraus einen Film zu machen? Oder besser: Hat sie es verdient, so dargestellt zu werden? Das, was erzählt wird, kennen wir spätestens seit der Rocky-„Saga“ zur Genüge:

Dem Boxer Jimmy Braddock wird nach einigen Niederlagen hintereinander und einer Verletzungsserie die Lizenz und somit seine einzige Einnahmequelle entzogen. Am Boden der Gesellschaft angekommen, muss er sich und seine Familie mit harter Arbeit an den Docks über Wasser halten. Bis er eines Tages durch einen Zufall das Angebot bekommt, noch ein letztes Mal in den Ring zu steigen… und überraschend zu gewinnen. Die Nation befindet sich im Freudentaumel und fordert das „Comeback“ von Jimmy Braddock. Nachdem einige Hürden überwunden wurden, ist unser Held wieder obenauf und bestreitet den wohl wichtigsten Kampf seiner Karriere: den Weltmeisterschaftskampf gegen einen Gegner, der bereits zwei seiner Gegner im Ring getötet hat…

Aber auch wenn wir uns fernab des Box-Milieus bewegen würden, eine Komponente greift scheinbar immer gut:

The American Dream… same procedure as every time

Es scheint, als könnte die amerikanische Nation nie genug davon bekommen, Geschichten von Underdogs erzählt zu bekommen, die wie Phoenix aus der Asche auferstehen, um den größten Erfolg, den es überhaupt gibt, zu erlangen. Nun mag es an national unterschiedlicher Mentalität liegen, oder einfach nur daran, dass ich lieber auf junge statt auf alte Pferde setze, aber Fakt ist - so oder so: Geschichten á la „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ gab es im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte des filmischen Auswurfs Hollywoods bereits mehr als genug. Und hier haben wir also nun eine weitere Variation dieses Themas, das eigentlich aus Altersgründen schon längst in den Ruhestand geschickt werden könnte. Aber auf ein weiteres! Nun gut, die zeitliche Einordnung der Geschichte über den Aufstieg des Boxers Jimmy Braddock birgt zumindest einen interessanten Aspekt: Inmitten der Weltwirtschaftskrise gab es tatsächlich nur wenige, die den „Aufstieg“ schafften. Die Lücke zwischen Arm und Reich klaffte weiter auseinander als je zuvor, der Fall aus der höchsten in die niedrigste Schicht war schnell vollzogen, der Aufstieg von der untersten in die höchste Schicht jedoch nahezu unmöglich. Unter solchen Umständen klammert sich das „untere Volk“ krampfhaft an jeden noch so dürren Strohhalm, an jede noch so schleierhafte Vision dessen, dass auch sie es schaffen können, sie klammerten sich an den „American Dream“… Einen solchen Strohhalm stellt hier unser Protagonist Braddock dar, der zu einem Vorbild, zu einem Helden einer ganzen Bevölkerungsschicht wurde und auch in den gehobeneren Kreisen Anerkennung erntete.

Dahingegen kann Russell Crowe zumindest bei mir nur sehr wenig Anerkennung ernten: Seine Darstellung des Boxers, der sich aus der Armut herauskämpft, ist einfach zu lieblos, zu glatt ausgefallen. Seine Kampfszenen bewältigt Crowe zwar allesamt bravourös (das ist auch der einzige Punkt, in dem er mir Anerkennung abringen kann), aber seine Darstellung ausserhalb des Boxrings hätte ruhig einige Ecken und Kanten mehr vertragen können. Braddock wirkt zu perfekt, zu souverän in allem, was er tut. Sei es in Bezug auf seine Boxer-Karriere oder im familiären Bereich. Überall steht über allem und erscheint dabei zwar sympathisch, aber nicht wirklich heldenhaft. Da fehlt einfach irgendwie das, was Helden menschlich macht: Makel!

Ein Held ohne Fehler ist kein Held! Ein Held ohne Fehler ist Gott!

Ja, steinigt mich ob dieser pseudoreligiösen These, aber es kam mir zeitweise tatsächlich so vor, als hätten wir es hier mit einer Fleisch gewordenen Gottheit zu tun, die jede noch so hohe Hürde mit Bravour meistern kann. Mir fehlte der direkte Zugang zum Menschen Braddock, der zwar durch die Einbindung der familiären Geschichte versucht wurde, aber letzten Endes eher misslungen ist. Denn der Zuschauer wird durch die Story selbst nicht so wirklich an diese Komponente des Filmes heran gelassen, die Distanz zum Privatleben des „Helden“ wird gewahrt. Inmitten dieses Privatlebens hat Jimmys Frau Mae die zentrale Rolle inne, die sich jederzeit und überall Sorgen um die Gesundheit und das Leben ihres Mannes machen darf. Für diese Rolle wurde niemand geringeres als Renee Zellweger auserkoren, die hier zu jeder sich bietenden Gelegenheit ihren treudoofen, sorgenden Blick den Kameras entgegenwirft. Darauf beschränkt sich die Rolle Zellwegers auch im Großen und Ganzen; eine weitere Möglichkeit, Zugang zum Privatleben zu finden, wird verstreichen gelassen. Größter Lichtblick in der Riege der Schauspieler dieses Dramas ist zweifelsohne Paul Giamatti, der als Braddocks Trainer eine der besten Leistungen seiner Karriere abliefert.

Erzähltechnisch hapert’s dann auch ziemlich: Unser „Held“ fällt, steigt auf, und steigt weiter auf und weiter und weiter und weiter… und das war’s dann auch schon im Großen und Ganzen. Spannung baut sich dabei nur noch bedingt auf, Langeweile macht sich breit, die nur durch die gelegentlichen Boxkämpfe aufgelockert werden kann. Die finalen 20 Minuten des Films erleben dann wieder einen leichten Anstieg der Spannung, aber das reicht bei weitem nicht, um den Film vor dem Untergang im Mittelmaß zu bewahren.

Was bleibt? Es bleibt die Erinnerung an einige der besten Box-Szenen, die ich seit Raging Bull je gesehen habe, und die erfreulicherweise trotz ihrer optisch ansprechenden Art fernab von Hochglanz-Inszenierungen á la „Rocky“ bleiben. Und es bleibt die Erinnerung an einen Film, der die wenigen Chancen, die er hatte, ein guter Film zu werden, nahezu alle vertan hat. Sehenswert ist „Das Comeback“ auf jeden Fall. Jedoch nur aufgrund der optischen Erscheinung (vor allen Dingen in Sachen Kampf-Inszenierung), nicht aufgrund der dramatischen Komponente. Gerade noch so 6 von 10 Punkten.

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