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Irgendwann im Mittelalter: Eine Gruppe von Kreuzrittern massakriert ein ganzes Dorf voller vermeintlicher Teufels-Anbeter und lässt auf dem gigantischen Massengrab, in das man die zahllosen Leichen geschmissen hat, eine Kirche errichten, die das dort lauernde Böse im Bann halten soll. Gegenwart: Der Bibliothekar Ewald (im Original Ewan) bekommt den Job übertragen, die Bestände des Bücherlagers eben jener Kathedrale zu katalogisieren. In den Keller-Gewölben des Gebäudes findet die Restauratorin Lisa derweil bei ihren Arbeiten in einer Wand-Spalte ein uraltes Stück Pergament, das einen verschlüsselten Text enthält. Beim Versuch die Schrift zu entziffern macht Ewan eine arge Charakter-Wandlung durch. Beinahe scheint es so, als würden die dunklen Mächte, die seit Jahrhunderten unter der Kirche begraben liegen, langsam von ihm Besitz ergreifen. Lotte, die junge Tochter des Küsters Hermann, kriegt zwar die merkwürdigen Veränderungen in ihrer Umgebung mit, kann jedoch auch nichts dagegen unternehmen. Schließlich brechen die Dämonen aus ihrem Gefängnis aus und treiben ihr Unwesen in der Kirche... Ursprünglich mal als dritter Teil der von Lamberto Bava und Dario Argento initiierten "Demoni"-Franchise angelegt, hat man es sich nach Begutachtung des fertigen Films wohl anders überlegt und "The Church" für stark genug erachtet, um ohne artifizielle Sequel-Allüren bestehen zu können. Eine gute Entscheidung, denn der Streifen ist in der Tat besser als die ideellen Vorgänger aus der Hand Bavas, weil er deren trashigen Fun-Aspekte zugunsten einer wesentlich ernsthafteren und auch gehaltvolleren Geschichte aufgibt. Also eher ein wahrhaft düsterer Horror-Reigen als das zu erwartende locker-leichte Zombie-Gebalge. Regisseur Michele Soavi, der schon mit seinem Debüt "Aquarius - Theater des Todes" zumindest optisch auf ganzer Linie überzeugen konnte, hat nun statt eines simplen Slasher-Stoffes eine Story aufgetan, die seinen stark visuell ausgeprägten Inszenierungs-Stil wesentlich besser stützt und ebenso bedeutungs- wie auch unheilschwangere Bilder zutage fördert. Er beschreitet damit den Pfad weg vom konventionellen Genre-Kino und hin zu den eigentümlicheren und persönlicheren Filmen, der schließlich in seinem wahren Meisterwerk "Dellamorte Dellamore" gipfeln wird, an dessen inhaltliche Tiefe er mit dem vorliegenden, eher im klassischen Gothic-Horror verwurzelten Streifen noch nicht heranreicht. Trotz aller vordergründig eingebrachten Effekt-Exzesse und klassisch angelegter Schock-Momente verbirgt sich hinter "The Church" jedoch nicht nur ein x-beliebiges Horrorfilmchen, sondern eine (wenn auch gut verpackte) Kritik an den Missständen der römisch-katholischen Kirche ausgehend vom Mittelalter bis hin zur Gegenwart. Ab etwa der Halbzeitmarke wird die eh nur schwerlich auszumachende innere Logik der Ereignisse dann beinahe völlig aufgegeben und es werden in steter Abfolge die alptraumhaften Set-Pieces und groben Gewalt-Einlagen aneinandergekoppelt. Von dem Punkt an gibt sich "The Church" wie ein in der Tradition des Früh-80er-Italo-Splatterkinos eines Lucio Fulci stehender Schocker, denn hier wie dort musste die Nachvollziehbarkeit des Plots der schieren Wirkung bizarrer bis surrealer Regie- und Drehbuch-Einfälle unterordnen. Die eigentliche Handlung driftet zwar auch dann nicht in schlichte Body Count-Gefilde ab, wird aber deutlich schwieriger zu greifen. Das Skript aus der Hand Argentos und einiger Co-Autoren scheint mir da doch etwas wackelig zu sein, nun ja, geschenkt. Handwerklich ist, auch dank der wirklich gut anzuschauenden Sets und der realen Kirche, die als Drehort diente, noch mal eine Steigerung zu "Aquarius - Theater des Todes" zu verzeichnen. Im Unterschied zu seinem Mentor Argento bringt Soavi dann auch weniger die wirklich Aufsehen erregenden Kamera-Fahrten an den Start, sondern erarbeitet stattdessen eine eigene Handschrift in Form von symbolträchtigen und extravaganten Bild-Kompositionen, die alleine betrachtet "The Church" formal schon weit über den Durchschnitt hieven würden. Eines der letzten wirklich großen Highlights des italienischen Genrefilms der 1980er Jahre.

8/10

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