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In den vergangenen Jahren entstanden immer wieder Filme über die Leben einiger der bekanntesten echten, zumeist amerikanischen Serienkiller der Geschichte. Nur die wenigsten von ihnen finden ihren Weg in die Kinos dieser Welt, wie etwa Spike Lee´s „Summer of Sam“ oder David Fincher´s „Zodiac“, denn meistens handelt es sich bei ihnen um günstig produzierte „Direct to Video“- oder „Made for TV“-Movies, deren Qualität selten als „gut“ (wie im Fall von Matthew Bright`s “Ted Bundy“), oftmals hingegen nur als „mäßig“ (z.B.“Ed Gein“) oder gar „schwach“ (a la “Gacy“) zu beurteilen ist. Aktuell tobt sich übrigens der deutsche Regisseur Ulli Lommel („Daniel, der Zauberer“), seines Zeichens ein ehemaliger Fassbinder-Schüler, der anscheinend wenig von seinem Meister gelernt hat, gerade an einer Vielzahl solcher Produktionen in den USA aus, nämlich (u.a.) Werke über die Taten des „B.T.K.“- und „Green River“-Killers.

„Starkweather“, welcher im Jahre 2004 realisiert wurde, beschäftigt sich mit dem gleichnamigen jungen Mann, der 1958 (im Alter von 16) gemeinsam mit seiner 14-jährigen Freundin Caril-Ann Fugate in Nebraska und Wyoming Angst und Schrecken verbreitete sowie insgesamt 11 Personen tötete. Dank einer groß angelegten Menschenjagd, an der neben Polizisten auch Mitglieder der Nationalgarde teilnahmen, konnte das Paar schließlich nach rund drei Monaten (lebendig) gefasst werden. Anfangs behauptete er, Caril-Ann sei seine Geisel gewesen, widerrief diese Angabe allerdings als er davon erfuhr, dass sie gegen ihn eine belastende Aussage getätigt hatte. Seine Hinrichtung fand schließlich am 25. Juni 1959 statt, sie wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, erhielt jedoch 1977 Bewährung und lebt heute unter einem falschen Namen irgendwo in den USA. Diese Begebenheiten dienten vielen Künstlern und Veröffentlichungen in unterschiedlichen Medien als Quelle der Inspiration, wie beispielsweise Bruce Springsteen für seinen Song „Nebraska“ oder den Machern von Filmen wie „Badlands“, „True Romance“, „Kalifornia“ und „Natural Born Killers“. Regisseur Byron Werner („Death Valley“) hielt sich bei seiner Umsetzung, im Gegensatz zu letzteren Produktionen, weitestgehend an die bekannten Tatsachen und variierte die Fakten bzw Inhalte nur geringfügig…

Lincoln, Nebraska, 1948: Als der junge Charles Starkweather eines Tages nahe eines Feldes mit einem Frosch spielt, tritt eine ganz in schwarz gekleidete Gestalt an ihn heran, deren Gesicht nie zu erkennen ist, da es sich konstant im Schatten des Cowboyhutes befindet, den der Fremde trägt. Auf die Frage, was er denn mit dem Tier nun vorhabe, antwortet Charlie, dass er das nicht so genau wisse – viele Möglichkeiten würden ja auch gar nicht bestehen. Daraufhin erklärt ihm der Mann, welche Macht er doch in dieser Situation besitzen würde – nämlich die über Leben und Tod. Kurz denkt das Kind über die Worte nach, bevor er den Frosch kaltblütig mit einem Stein erschlägt…

Oktober 1957: Inzwischen 16 Jahre alt, lernt Starkweather (Brent Taylor) die etwas jüngere Caril-Ann (Shannon Lucio) kennen. Beide sind sich auf Anhieb sympathisch und teilen den gemeinsamen Wunsch, baldigst aus der langweiligen Kleinstadt zu verschwinden – am liebsten gen Hollywood, wo das Leben aufregend ist und sich Idole wie James Dean aufhalten. Seine Unsicherheit sowie der Wunsch, endlich mehr im Leben zu erreichen, führen ihn im Dezember schließlich dazu, wegen des Geldes in der Kasse einen Tankwart zu entführen und ihn an einem abgelegenen Ort zu erschießen. Auf seine Behauptung Caril-Ann gegenüber, er habe das nur für sie getan, reagiert sie erstaunlich locker und sieht es als „the sweetest Thing“ sowie einen immensen Beweis seiner Liebe an. Kurz darauf eskaliert ein Streit zwischen Charlie und ihren Eltern, da ihn diese für einen Nichtsnutz halten, worauf er sie und deren zwei Jahre alte Tochter ebenfalls umbringt – an dem Tod letzterer trägt Caril-Ann gleichwohl eine schwere Mitschuld. Einige Tage leben beide glücklich im Haus und genießen ihren ersten Schritt in Richtung Freiheit, die Leichen im Schuppen auf dem Hof verborgen, bis ihnen die Polizei allmählich auf die Schliche kommt, weshalb sie fliehen und daraufhin mordend von einem Ort zum anderen reisen – immer in der Hoffnung, ihre Träume doch noch verwirklichen zu können. Jedes Mal, wenn Charlie in Anbetracht seiner Handlungen zwischendurch mal ins Nachdenken gerät, erscheint sein mysteriöser Begleiter auf der Bildfläche, welcher ihn provoziert, anstachelt und vorantreibt…

Von Anfang an ist es offensichtlich, dass für diese Umsetzung der Geschichte kein sonderlich hohes Budget zur Verfügung stand, was angesichts der Inhalte allerdings gar nicht nötig gewesen wäre. In ländlichen Regionen stehen heutzutage noch immer dutzende Häuser aus jener Zeit zur Verfügung, vier bis sechs Fahrzeuge aus den Vierzigern bzw Fünfzigern lassen sich gewiss ebenfalls problemlos organisieren, was genauso für die nötige Kleidung und Ausstattung gilt. Gerade dieses zeitliche Setting gefiel mir recht gut, denn es hebt den Look positiv von vergleichbaren Werken ab, die meist in urbanen Umgebungen der letzten Jahrzehnte spielen. Unter diesen Gesichtspunkten kann der Film anstandslos überzeugen, obwohl eine sich entfaltende Verfolgungsjagd unter Beteiligung zweier nicht gerade schneller Oldtimer durchaus etwas unfreiwillig komisch wirkt. Einige Landschaftsaufnahmen hat man mit einem besonders auffälligen Grain-Effekt versehen sowie nachträglich ein- bzw umgefärbt, um bestimmte Momente mit einer leicht surrealen Note zu versehen, was die aufgeputschte Stimmung der beiden Hauptprotagonisten zusätzlich veranschaulichen soll. Abgesehen davon gibt es weder einen Gebrauch von CGI noch irgendwelche „flashy“ Kamera-Spielereien – der Grundton ist nüchtern, das Aufzeigen der Taten direkt, blutig und brutal. Einschusse, Stichverletzungen, herumspritzendes Blut und Aufnahmen der Leichen erzeugen einen rohen Eindruck und verschönern zugleich keinesfalls die Motive hinter den Handlungen. Das explizite Aufzeigen der Gewalt dient einer Präsentation der Vorkommnisse, wird jedoch nie verherrlicht oder unnötig ausgeschlachtet. Gewiss kann man sich darüber streiten, ob es tatsächlich notwendig war, einen Film über diese Morde bzw Täter zu drehen – allerdings stellt das eher eine über diese Thematik (und gar das Sub-Genre) hinausgehende Grundsatzfrage dar, auf die ich an dieser Stelle überdies nicht weiter eingehen möchte.

Abgesehen davon, dass der Verlauf aufgrund der sehr linearen Struktur nur recht wenig Spannung zu generieren vermag, strauchelt der Film an einer entscheidenden Stelle – nämlich der Charakterisierung der beiden Hauptpersonen. Starkweather wurde recht bald nach seiner Verhaftung hingerichtet, Caril-Ann schwieg weitestgehend zu den Ereignissen, weshalb der Grad ihrer aktiven Beteiligung bis heute nicht hieb- und stichfest geklärt werden konnte. Es gilt als erwiesen, dass Charlie schizophrene Züge vorwies, und diesen Ansatz griff man auf eine bestimmte Weise auf, die im ersten Moment zwar interessant erscheint, bei genauerer Betrachtung allerdings vielmehr dem Eindruck einer glaubwürdigen Authentizität schadet: Drehbuchautor Stephen Johnston („the Hillside Strangler“) fügte kurzerhand die Figur eines mysteriösen, ganz in schwarz gekleideten Cowboys hinzu, der den zukünftigen Killer seit seiner Kindheit in bestimmten Situationen begleitet und anleitet. Dieser Schachzug hat mich an den sprechenden Hund in „Summer of Sam“ erinnert, doch jener existierte in der Vorstellung des Täters ja tatsächlich, während diese Verbildlichung der inneren Probleme rein fiktionaler Art ist. Auf der einen Seite ist die Nutzung dieses „Mentors“, der wie ein dominanter Vater zu ihm spricht, weitaus interessanter als die üblichen Voiceovers, um dem Betrachter eine „innere Stimme“ näher zu bringen, auf der andern Seite lenkt sein Auftauchen jedes Mal vom Gefühl ab, hier wirklich eine wahre Geschichte vorgeführt zu bekommen. Außerdem mündet diese ganze Schizo-Sache in einigen unfreiwillig komischen Momenten, in denen Charlie „mit sich selbst“ spricht, Caril-Ann dann irgendwann hinzukommt und daraus Verwechselungen oder Missverständnisse resultieren. Da das Gesicht des Fremden konstant im Schatten verbleibt, war es möglich, der von Steven K.Grabowsky gespielten Gestalt problemlos die markante Stimme Lance Henriksens (“AvP“/“Hard Target“) zu verleihen, was in meinen Augen glaubhaft funktioniert hat und im Jahre 2006 auch beim „when a Stranger calls“-Remake Verwendung fand. Seine Anleitungen, in Kombination mit „eigenen“ Selbstzweifeln des jungen Mannes, stellen die einzigen erkennbaren Motive dar – jene seiner Partnerin bleiben fast vollkommen im Unklaren, von Liebes- und Abenteuerlust-Ansätzen mal abgesehen. Die Figuren besitzen schlichtweg zu wenig Tiefe, um wirklich überzeugen zu können, was bei einem solchen Werk mehr als schade ist, denn Tötungen allein bekommt man problemlos woanders (weitestgehend besser) zu sehen – nicht nur weil das Grundgerüst der Story (wie erwähnt) ja des öfteren bereits ähnlich dargeboten wurde.

Ein weiteres Problem ist die Besetzung der Hauptrollen mit Brent Taylor und Shannon Lucio, was weniger mit ihren Leistungen, sondern vielmehr mit der Tatsache zutun hat, dass diese deutlich älter als 16 bzw 14 sind – das markiert insofern einen gewichtigen Faktor, dass es einem auf diese Weise so vorkommt, als wären sie statt Jugendliche eher junge Twens, was die Betrachtungsansicht gezwungenermaßen verändert, schließlich wirken sie vorliegend ungleich reifer und daher stärker verantwortlich für ihre Aktionen. Charlie träumt davon, James Dean zu gleichen, weshalb er dessen Stil (im Sinne von Kleidung und Verhalten) kopiert und von Hollywood schwärmt – ein zu einem 16-Jährigen passendes Verhalten. Taylor (“Detour“/“Demon Slayer“) spielt die Titelfigur zufriedenstellend, aber eindimensional (woran das Skript sicher eine kaum unerhebliche Mitschuld trägt), Lucio (TV´s“the O.C.“/“Youthanasia“) hingegen überzeugt vollkommen als Lolita-hafte Begleiterin, die zwar recht naiv und nicht sehr intelligent ist, in bestimmten Situationen allerdings von der Erkenntnis, dass sie die Macht besitzt, Menschen durch ihr Auftreten manipulieren zu können, gezielten Gebrauch macht. Schade, dass man nicht mehr Hintergrundmaterial über sie erhält, weshalb sich das Interesse für das Paar und ihr (ohnehin schon bekanntes) Schicksal unweigerlich in Grenzen hält. Ohne einen ausgedehnteren Kontext bleibt letztendlich das Gefühl, nur eine weitere Verfilmung einer x-beliebigen Mördergeschichte vorgesetzt zu bekommen, zumal einige abgegriffene Klischees vordergründige Verwendung erfahren – wie das Mitnehmen des gesuchten Pärchens per Anhalter, worauf der Fahrer im Radio von der Fahndung nach den Flüchtigen hört, kurze Witze über die Ähnlichkeit gemacht werden, bis eine Waffe gezogen und die Lebenszeit des Wagenbesitzers und jene seiner Beifahrerin zu einem Ende gelangt…

Es wäre schön gewesen, wenn sich Werner und Johnston mehr auf das Erschaffen eines glaubhaften Gesamteindrucks konzentriert hätten, also auf eine umfassend nüchterne und anspruchsvollere Analyse der Ereignisse – so aber lenken Entscheidungen wie der düstere Wegbegleiter, eine fiktive Hollywood-Premieren-Traumsequenz oder die surrealen Farbgebungen genauso davon ab wie das Alter der Schauspieler oder einige Drehorte, die vielmehr an Arizona als Nebraska erinnern. Die gebotenen Informationen sind oberflächlich und liefern kaum Erkenntnisse, die man nicht aus einem kurzen Artikel zu diesem Fall hätte gewinnen können. Angeblich hat man Starkweather in einer Zeit aufkeimender jugendlicher Rebellion, u.a. Vertreten durch Dean und Elvis, als Gefahr für die intakte gesellschaftliche Ordnung eingestuft – es wäre schön gewesen, beispielsweise darüber mehr zu erfahren, als nur über die Abläufe und Kaltblütigkeit der Tötungen. Was am Ende bleibt, ist ein leidlich spannender Thriller mit Drama-Anklängen, der auf tatsächlichen Begebenheiten beruht und trotz dem Aufzeigen diverser blutiger Details beinahe nie ein wahrhaftig abgründiges Gefühl erzeugt – außer in einer Sequenz, in welcher sich Charlie von einem zuvor von ihm getöteten Mädchen sexuell angezogen fühlt … 4 von 10.

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