Kunststudent Graham, Videobastler Mills und ihr Professor Dan haben eins gemeinsam: Sie alle beten Hadley (Jennifer Lothrop) an, Grahams umwerfend attraktive Freundin. Doch Hadley ist sich ihrer Reize wohlbewusst und arbeitet damit zielstrebig bei Dan auf eine Karriere am Theater hin – was wiederum Grahams Eifersucht weckt. Und schließlich hat Mills einen finanziellen Notstand und erwartet sich von Hadley Rettung in der Not. Als die Heißumkämpfte zu der Eröffnungsfeier von Grahams erster eigener Ausstellung nicht erscheint, weil sie mit Dan eine private „Bühnenprobe“ abhält, platzt Graham der Kragen…
Die Geschichte von einem Treffen am Strand, vor untergehender Sonne und dazu einem Song, gesungen von Jim Morrison – diese Geschichte kennt jeder, der sich auch nur minimal mit den „Doors“ beschäftigt hat - jene Anekdote, die heute als Legende und geheime Initialzündung der kontroversen Band gilt. 35 Jahre später enthüllt Ray Manzarek, Keyboarder der "Doors" und Zeuge dieses historischen Moments eine weitere Anekdote, die er als Ursa…, pardon, Inspiration für seinen Spielfilm „Love her madly“ benennt: Er suchte seinerzeit nach einer möglichen Handlung für einen Kurzfilm, den er an seiner Universität abgeben musste – und kein geringerer als Jim hatte die glorreiche Eingebung, eine Art romantischen Thriller zu drehen, so zitiert Manzarek ihn zumindest in einem Interview auf der DVD:
„Hey, I got an idea for that student movie! It’s a love story and a murder. It’s a girl, they’re all in love with that girl. It’s like three guys – one guy is like a filmmaker, one guy is like a weirdo, kind of art major or something and one guy is a teacher. They’re all in love with this girl and one of them kills somebody. We don’t know who in the beginning of the movie. That’s the story, man!
Ja, das ist die Geschichte. Und die hat, bzw. hätte zweifellos das Zeug, aufreizend und anregend filmische Gestalt anzunehmen, als obsessiver psychologischer, sexuell motivierter Machtkampf, als abstraktes Beziehungsdrama, als sinnlicher Psychothriller, etc. etc. etc. Ob Ray Manzarek nur auf seine alten Tage seinen der Musik zuliebe aufgegebenen Traum vom Filmemachen doch noch träumen wollte, ob er auf eine neue Reputation aus war, ob er das Andenken an Jim Morrison aufrecht zu erhalten gedachte, es ist nicht eindeutig. Eindeutig lässt das Ergebnis, eine äußerst fahrig, um nicht zu sagen: dilettantisch geschusterte Low-Budget-Produktion, vor allem eines durchschimmern: Die „Doors“ waren auch deshalb das Beste, was Manzarek 1965, zu Beginn seines Studium, passieren konnte – wie viele Demütigungen durch harsche Kritik und Spott seiner Dozenten wie auch Kommilitonen ihm durch seine kometenhafte Musik-Karriere erspart geblieben sein mögen? Denn der Mann, so Fantastisches er auch als Mann an der Orgel innerhalb der Band geleistet hat, ist ein erbärmlicher Regisseur und als Geschichtenerzähler ein fantasieloses Häufchen Unglück.
Denn sieht man von Jim Morrisons attraktiver Storyline ab – attraktiv bezogen auf ihr Potential – bleibt nicht viel substanzielles oder gar ambitioniertes übrig von Manzareks 90minütigem Publikumsquäler. That’s the story, man! Traurig aber wahr. Da man mit solch dürftigen, schnörkellosen Vorgaben ohne zusätzliche Ausschmückungen schwerlich bis unmöglich und höchstens mit besonderem Talent, klaren Vorstellungen und einer eigenen, reflektierten Filmsprache eineinhalb Stunden füllen kann, hat Manzarek mit seinem Co-Autor und Produzent Rick Valentine seine Fantasie „angestrengt“, um die weit klaffenden Lücken zwischen den einzelnen Handlungsstationen zu überbrücken, die sich hier nennen: Mädchen – Junge – Mädchen – Lehrer – Mädchen – Junge – Mädchen – Lehrer – Mädchen – Junge. Das Ergebnis hat echten Soap-Charakter und würde sich im Vorabendprogramm von RTL II sicherlich hervorragend ausstellen. Ah! Mir war das Wort entfallen: SOAP! Was für ein treffliches, kompaktes und unmissverständliches Synonym, die hervorstechenden Eigenarten dieses „Films“ anschaulich zu umschreiben.
Graham liebt Hadley. Hadley liebt Karriere. Dan ist alkoholabhängig, scharf auf Hadley. Deswegen tut Dan so, als wolle er ihr zur Karriere verhelfen. Mills kennt Hadley und braucht Geld. Hadley macht sich vor Mills Kamera nackig. Mills bekommt das benötigte Geld trotzdem nicht zusammen. Graham wünscht sich von Hadley, das sie bei seiner Ausstellung erscheint. Hadley beschließt, lieber mit Dan zu schlafen, um die Rolle zu bekommen. Graham rastet aus und packt sein Waffenarsenal ein. Mills stiehlt die Einnahmen der Ausstellung aus Grahams Zimmer. Wenn Hadley nicht gestorben ist, dann sabbern sie noch heute.
Natürlich schließen - vom antinarrativen Standpunkt aus gesehen - knappe Grundlagen am Anfang nicht ein reichhaltiges filmisches Ergebnis am Ende aus. Die Qualität und die kreative Energie sowie die, wenn man so will, Mitteilungsbedürftigkeit eines Autors und Regisseurs lässt sich sicherlich auch daran messen, wie er eine Handvoll einfacher Reizwörter und handelsüblicher Konstellationen addiert, interpretiert und abstrahiert. Im Falle von „Love her madly“ ist das Kräftemessen zwischen Zuschauer und Regisseur ein ungerechter Wettkampf – der Zuschauer hat es schon gewonnen, noch ehe er in den Ring steigt, seine Kraftanstrengung ist dabei eindeutig – alles andere wäre hier ungewöhnlich, ansonsten aber natürlich – die geringere. Manzarek spult seine Handlungsabläufe artig, narrativ und adrett auf handwerklich äußerst bescheidenem Niveau ab, hangelt sich von Fixpunkt zu Fixpunkt, immer darum bemüht, alles richtig zu machen. Wer glaubt, „Love her madly“ könnte daher, jenseits jeder Herausforderung des Zuschauers, immer noch ein spannender Psychothriller oder zumindest charmanter Trash der dritten Wahl sein, irrt. Denn die Attitüde dafür stimmt nicht: Manzarek erzählt nicht etwas, er erzählt von etwas. Würde er etwas erzählen, es gäbe diese ausgeleierten, unnötigen und teilweise dummdreisten Dialoge als desolaten Kitt zwischen einzelnen Szenen nicht, man würde nicht mit der Nase auf die zahllosen Klischees und Standardsituationen, diese auf ihren nackten, hässlichen Kern destillierten Genre-Versatzstücke und einen unglaublich gelangweilten Sensationalismus (ist das ein Imperativ? Ich glaube schon…) stoßen.
So hat Manzarek sichtlich Mühe, die Kontrolle über all die zahllosen Faktoren zu halten, die aufeinander treffen. Die Konsequenz dieser „Unordnung“ sind katastrophale darstellerische Leistungen, eine nicht einmal mehr funktionelle Kamera- und Schnittarbeit – optisch ist „Love her madly“ ebenso planlos wie bemerkenswert drittklassig - sowie ein denkwürdiges Paradoxon: Eine sklavische Devotion vor dem dürftigen Plot und gleichzeitig eine konsequente Ignoranz gegenüber dem Drehbuch. Den Plot als Strohhalm des Ertrinkenden, die Dramaturgie als weit entfernte, unerreichbare Insel. Glücklich ist in einer solch verfahrenen Situation, wer schwimmen kann. Ray Manzarek kann es ganz offensichtlich nicht. Und ertrinkt in seinen eigenen Fluten. Es kann wohl von Seiten des Zuschauers kaum ein vernichtenderes Urteil über einen Film verhängt werden als das der vollkommenen Gleichgültigkeit. Wenn es einem Film nicht einmal mehr gelingt, sich den heißblütigen Ärger des Rezipienten zuzuziehen. „Love her madly“ ist meines Erachtens nach genau solch ein Film und während ich mir diese Zeilen in einem chronischen Anfall von Barmherzigkeit aus den Fingern sauge, rückt er bereits in weite Ferne, verblasst und verflüchtigt sich zusehends. Ich bin nicht verärgert, nicht entsetzt oder überrascht über diesen „Film“; er ist mir nur ganz und gar, ohne wenn und aber, durch und durch, vollkommen, egal. Sollten in diesem Text Spuren dieser Gleichgültigkeit durchschimmern – umso besser.
„Love her madly“ – es ist bedauerlich, das seit 2000 hinter diesem Titel nicht mehr nur der wunderbare Song der „Doors“ steht, sondern auch das beschämende Dokument der katastrophal verunglückten Ambition eines hervorragenden Musikers. Der sich mit seiner Absicht, einen Film zu drehen, hoffnungslos übernommen hat. Der katholische Filmdienst schrieb einst über einen der späteren Filme des spanischen Schund-Papstes Jess Franco: „Er (…) ist ein anhaltender Kampf des Regisseurs mit den elementarsten Regeln des Handwerks"“. Ray Manzareks Film ist eine neue Reinkarnation dieser Vorstellung und lässt selbst den späten, strapaziösen Jess Franco wie einen Meisterregisseur erster Güte erscheinen. In der Wohnung von Grahams Freund Mills hängen, einem mit masochistischem Instinkt geschwungenen Damoklesschwert gleich, Filmplakate von Rainer Werner Fassbinders „Querelle“ und Orson Welles’ „Othello“. Von einer solchen filmischen Qualität kann „Love her madly“ nicht einmal träumen.
- Epilog -
The Peace frog is still waiting for the sun. Summer is almost gone and there is still no Soul Kitchen in Love Street. This is the End, my friend...
Immerhin – Vollkommen nutzlos waren diese eineinhalb Stunden nicht. Der Soundtrack – natürlich von Manzarek selbst – kann einen schon auf Gedanken bringen. Ich habe beim Schreiben dieses Textes mit großer Begeisterung die „Doors“ gehört. Das hätte ich schon länger wieder einmal tun sollen. Manchmal muss man erst in den Abgrund der Gegenwart blicken, um sich an die wahre Größe des Vergangenen zu erinnern.