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In Frankreich gehören Comics – anders als zum Beispiel in Deutschland – zur Kultur, gleichberechtigt zum Film. Deshalb ist es bei den französischen Filmemachern auch völlig normal mit einem Comicautoren zusammenzuarbeiten, wie es Besson im „5.Element“ tat, das sich an Jean Giraud’s „John Difool“ orientiert.

Gerade Besson’s Werk ist ohne seine starke Affinität zu Comicgeschichten nicht zu beurteilen.

Gerade seine jüngeren Werke, an denen er meist als Produzent mitgearbeitet hat, zeichnen sich durch einen plakativen Comicstil aus (die „Taxi“ und „Transporter“-Reihen). Das macht auch meistens Spaß (besonders im jeweiligen ersten Teil) ,wirkt aber auf die Dauer hohl im Bemühen immer noch einen drauf zu setzen....außerdem fehlt jegliche emotionale Komponente.

Bei seinen eigenen Werken, besonders „Im Rausch der Tiefe“,“Nikita“ und „Leon,der Profi“, ging er einen anderen Weg, der eher an die anspruchsvollen Werke der französischen Comicliteratur erinnert. Hier stehen nicht irgendwelche slapstickartigen Geschichten im Mittelpunkt, sondern die Stilisierung einer einzelnen Figur.

Der Comiccharakter zeigt sich dabei besonders darin, daß es sich bei der Hauptperson um eine extreme Figur handelt, die so in der Realität kaum vorstellbar ist.

Die Charakterisierung einer Figur geschieht dann nicht – wie normalerweise im Film üblich – zu Beginn ,um somit eine nachvollziehbare Person über einen Film hinweg begleiten zu können. Die „Tiefe“ der Charakterzeichnung benötigt hier den gesamten Film, sie setzt sich puzzleartig über den Film hinweg fort. Die Begleitumstände und Nebenfiguren haben nur die Aufgabe als einzelne Puzzle-Teile, die zum Schluß zum Ganzen werden.....

Dadurch entsteht oft das Mißverständnis, Luc Besson könnte keine Drehbücher schreiben.

Was ist denn ein Drehbuch? – Nur die Geschichte ? – Nein, alles gehört zusammen, die Bilder, das Tempo, die Figuren, die Sprache und die Musik. Das alles in Einklang zu bringen und der EIGENEN INTENTION damit gerecht zu werden, das ist das Drehbuch!

Und das gelingt Besson bei „Im Rausch der Tiefe“ hervorragend.

Im Mittelpunkt steht Jacques (Jean Marc Barr). Die ersten in Schwarz-Weiß gehaltenen Bilder zeigen ihn am griechischen Mittelmeer als kleinen Jungen, wo er mit seinem Vater, einem Taucher, lebt. Hier stellt Besson die wichtigste Nebenfigur vor, Enzo (Jean Reno), einen Italiener, der ebenfalls hier mit seiner Familie lebt.
Als kurz darauf Jacques’ Vater bei einem Tauchunfall stirbt, verlieren sie sich aus den Augen....

Schon schnell wird klar, daß sich Jacques völlig dem Wasser(dem“Großen Blauen“ wie der Film im Original korrekt heißt) verschrieben hat. Er hat keinen Kontakt zu Menschen und fühlt sich am wohlsten im Wasser bei den Delphinen, die ihn auch als Ihresgleichen anerkennen.

Und genau das will Besson auch ausdrücken, Jaqcues ist mehr ein „Wasserlebewesen“ als ein Erdbewohner.

Diese Charakterisierung gelingt Besson durch den Gegenpol Enzo. Enzo ist ebenfalls seit seiner Kindheit ein fanatischer Taucher, ein Mensch der den „Rausch der Tiefe“ liebt. Aber er ist ein Erdbewohner, der gerne Frauen anbaggert und immer für einen Spruch gut ist. Reno gibt ihn als Pasta-Essenden ,lauten Italiener mit dem Herz auf dem rechten Fleck, der noch vor „la Mamma“ kuscht, also ein richtig schöner Stereotyp.

Man fragt sich nur, was er eigentlich an Jacques findet ? – Und genau darin liegt die Genialität in Bessons Werk. Unterhalb der scheinbar eindeutigen Oberfläche befindet sich immer eine zweite Ebene.

Diese wird nicht irgendwie bequatscht, sondern sie zeigt sich in der eigentlich nicht nachvollziehbaren Freundschaft zwischen dem lauten Enzo und dem fast autistischen Jacques. Enzo spürt die Besonderheit in Jacques, dessen Symbiose mit dem Meer, daß er zwar genauso liebt, aber mit dem er nie eine Einheit bilden kann, so wie Jaqcues es kann....

Diese Faszination spürt auch Johanna (Rosanna Arquette), eine Versicherungsangestellte, die Jacques während eines Jobs kennenlernt und sich sofort verliebt. Sie, sonst eigentlich eher Typ toughe New Yorkerin, ist die unglücklichste Figur im Film. An ihr verdeutlicht Besson Jacques’ Unfähigkeit ein „normales“ menschliches Leben führen zu können.

Sie gibt sich die größte Mühe und er mag sie auch, aber nach ihrer ersten Liebesnacht geht er runter ins Meer und spielt stundenlang mit einem Delphin. Erst hier sieht man einen wirklich glücklichen Ausdruck auf seinem Gesicht....Johanna versucht den ganzen Film über, ihn für sich zu gewinnen, aber sie hat diesen Kampf schon von Beginn an gegen das Wasser verloren. Das liegt nicht an seiner fehlenden Liebe zu ihr, er kann gar nicht anders. Das ist für den Betrachter manchmal schmerzhaft mitanzusehen, gerade auch seine Unfähigkeit, mit ihr zu sprechen, aber im Grunde ist das nur ein weiteres Puzzlestück zu seinem Charakter.

Eingebettet sind diese Begegnungen in Wettkämpfen zum „Frei-Tauchen“, also dem möglichst tiefen Tauchen ohne Atemunterstützung.

Wer diese Wettkämpfe als Rivalität zwischen Enzo und Jacques interpretiert, hat den Film nicht verstanden !

Jacques ist zu so etwas wie Rivalität oder Übertrumpfung gar nicht in der Lage, das sind „menschliche“ Regungen. Wenn Enzo gewinnt und gefeiert wird, sieht man Jaques immer dabei mit einem Lächeln stehen.
Sein immer tieferes Eintauchen entspringt dem Wunsch nach der Tiefe, dem Wunsch für immer im Wasser zu leben....

Und auch Enzo will seinen Freund nicht einfach schlagen, es ist der Wunsch es ihm gleich zu tun, ebenfalls für „immer“ einzutauchen. An Land ist er dagegen sein Beschützer, auch wenn seine „erdigen“ Ratschläge für Jacques meist ungeeignet sind.

Besson gelingt diese Umsetzung mit großartigen Bildern vom Meer, dem Wasser und der Tiefe. Dabei wählt er immer ein langsames Tempo, nur kurz durch schrille Szenen unterbrochen. Dieses Tempo entspricht dem Leben im Meer, daß Besson mit seiner Ruhe und Gelassenheit als Kontrast zum hektischen und lauten Landleben darstellt.

Auf diese Botschaft sollte sich der Betrachter einlassen, er sollte das Wesen „Jacques“ nachvollziehen lernen und sich von der unglaublichen Faszination des Meeres überwältigen lassen. Diese unendliche Tiefe kann Jeden rauschartig anziehen....

Und damit verbindet Besson wieder den Comic und den Film, da ihm in beiden Medien die Möglichkeit gegeben wird, an Hand von Extremen etwas wirklich emotional anrührendes zu vermitteln.

Es gelingt ihm zum Schluß ein „Happy-End“, daß seine Gültigkeit für immer behält.... (10/10).

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