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Mit Florent Emilio Siri gibt nun der nächste französische Filmemacher nach Größen wie Mattheu Kassovitz („Gothika“), Jean-François Richet („Assault on Precinct 13“) oder Pitof („Catwoman“) seinen Einstand in Hollywood und liefert gleich einen hochspannenden Thriller der Extraklasse ab. Der dank des, leider immer noch zu unbekannten, knallharten Actiongeheimtipps „Nid de guêpes“ unter Genrefans geschätzte und auch der Zockerfraktion dank seiner Mitarbeit an den beiden „Splinter Cell“ – PC-Spielen bestens bekannte Regisseur trommelte seine eingespielte Crew um Kameramann Giovanni Fiore Coltellacci und Komponist Alexandre Desplat zusammen, um bösartigen Antimainstream abzuliefern. Wohl auch deshalb hielt der Erfolg sich an den amerikanischen Kinokassen doch sehr in Grenzen.

„Hostage“, niedergeschrieben von Doug Richardson („Die Hard 2“, „Bad Boys“), ist von der ersten bis zur letzten Sekunde ein schonungsloses Unterfangen, das nicht nur zu gern mit Hollywoods Tabus bricht, sondern auch visuell erfrischend anders, auf seine eigene, ästhetische Art sehr künstlerisch und stilsicher daherkommt. Siri besitzt im kleinen Finger mehr Talent als solche Auftragsflachzangen der Marke John Moore („Behind Enemy Lines“, „Flight of the Phoenix“) oder Brett Ratner („Money Talks“, „Rush Hour“) im ganzen Körper und das spielt er hier formvollendet aus.

Nicht nur mit den innovativsten Opening Credits seit langem und mit seiner düsteren und doch sehr edel gehaltenen Optik, stellt er dies unter Beweis, sondern vor allem mit der Fähigkeit sein Hollywooddebüt so zu inszenieren, dass er dem Publikum nahezu keine Sekunde zum Durchatmen lässt.

Mit Bruce Willis („Die Hard“, „Last Boy Scout“), der sich nach „Tears of the Sun” endlich wieder erneut in herbe Stoffe, denen er ja eigentlich abgeschworen hatte, wagt, hat er allerdings auch ein erfahrenes Zugpferd zur Stelle, dass sich schauspielerisch im Alter tatsächlich noch weiterentwickelt hat und diesen zerbrochenen Charakter, der scheinbar jegliches Selbstbewusstsein an dem sogleich vorgestellten, schicksalhaften Tag verlor, viel glaubwürdige Authentizität verleiht. Mit solchen Rollen sollte einer weiter erfolgreichen Karriere, im Gegensatz zu diversen scheiternden Ex-Action-Stars, nichts im Wege stehen. Aber das hat Willis ja schon zu genüge in der Vergangenheit bewiesen.

Der routinierte und glimpfliche Ausgänge gewohnte und damit auch schon zu Überheblichkeit neigende Spezialist für Geiselnahmen in Los Angeles wähnt sich auch in jener verzwickten Situation schon erfolgreich. Doch plötzlich eskaliert die Lage und ein Ehemann löscht sich und seine gesamte Familie aus. Der Sohn stirbt in Jeff Talleys (Willis) Armen und dieser wirft sich nun vor, das S.W.A.T. – Team nicht seine Arbeit lassen machen zu haben. Geschockt quittiert er den Dienst, zieht, obwohl die Ehe in Scherben liegt, mit Frau und Tochter aufs Land und schiebt als Dorfpolizist dort eine ruhige Kugel. Bis zu dem Tag, als drei Jugendliche, die ursprünglich nur ein Auto klauen wollten, in den Gebäudekomplex der weit ab vom Schuss lebenden Familie Smith eindringen...

Hinsichtlich der Inszenierung muss infolge vor allem die kalte Bedrohlichkeit, die wirklich extrem in Bildern festgehaltene Kompromisslosigkeit und der hohe Härtegrad erwähnt werden. Denn alle drei Aspekte werden durch den sadistischen Soziopathen Mars Krupcheck (beängstigend gut: Ben Foster, „The Punisher“) verkörpert. Im Gegensatz zu den beiden doch reichlich hilflos und konfus mit der Lage umgehenden Brüdern Dennis und Kevin, die durch Affekthandlungen die Situation erst heraufbeschworen haben, ist er ein zutiefst brutaler Zeitgenosse, der sich an Schmerzen anderer weidet und vor Morden wie auch vor Vergewaltigungen nicht zurückschreckt. Während Dennis und Kevin immer noch mit sich selbst und der verfahrenen Lage beschäftigt sind, bemerken sie zunächst gar nicht dessen wahres Gesicht. Die beiden sich im Haus befindlichen hilflosen Kinder Tommy (Jimmy Bennett, „The Amityville Horror“) und Jennifer (Michelle Horn) hingegen schon. Zwischenzeitlich könnte man fast von einem Horrorthriller schreiben, so furchteinflößend ist diese Mars-Figur.

Jeff Talley, der als Begrüßungsgeschenk gleich unter Einsatz seines Lebens am Tatort eine kaltblütig angeschossene Beamtin aus der Schusslinie holen darf, ist mit der Situation sichtlich überfordert, fühlt sich zu sehr an seine Vergangenheit erinnert und gibt die Initiative ab. Doch nicht für lange, denn plötzlich mischt eine geheimnisvolle dritte Fraktion, die seine Familie entführt hat, mit und verlangt von ihm, dass er etwas extrem Wichtiges aus dem Haus holt. Nun ist guter Rat teuer und Talley tut wieder das, was er am besten kann – verhandeln.

Florent Emilio Siri präsentiert immer wieder neue Twists, verschlimmert die Lage und präsentiert die Handlungen vor wie im Haus extrem temporeich und megaspannend. Während man versehentlich das Haus in eine Festung verwandelt und sich damit einsperrt, muss Talley zusehen, wie er in das Haus kommt oder zumindest mit jemandem dort drinnen Kontakt aufnehmen kann, um Antworten auf seine Fragen zu bekommen. Drinnen der Kampf der Geiseln um ihr Überleben (u.a. Lüftungsschächte, Panic Room, etc.) und draußen der um Kontrolle bemühte Talley, der seine Befugnisse überschreitet, in seiner Verzweiflung eigenhändig unbefugte Entscheidungen trifft und mit der ständigen Angst leben muss, wieder etwas zu versprechen, was er schon mal vergeigt hat. Allerhand zu tun also für den ehemaligen Negotiator, da so ganz nebenher ja auch noch seine Familie gerettet werden muss und man seinem Unterfangen keinesfalls auf die Schliche kommen darf.

Die dosiert eingesetzten und zum Schluss absolut edlen (Siris visuelle Extravaganz bezüglich Spielereien mit dem Feuer schaut sehr beeindruckend aus) Actioneinlagen sorgen für die nötige Auflockerung des atmosphärisch dichten Szenarios, wirken jedoch nie aufgesetzt, sondern durchaus passend in die Handlung integriert – auch wenn zum Schluss dann ganz klar nur noch die harte, viele Opfer fordernde Actionschiene gefahren wird.

Der Hauptteil von „Hostage“ spielt bei Nacht, diese Ausgangslage trägt einiges zur Atmosphäre bei. Das künstliche Licht, der in der Nacht fliegende Helikopter, die planlose Polizeimeute und die aus der Dunkelheit herrührende Unübersichtlichkeit ergeben für den Zuschauer ein Gefühl der Machtlosigkeit. Ähnlich dem, was Talley fühlt, nur muss der sich überwinden zu handeln.

Die Schwächen lassen sich nur im Detail finden. Sicher bleibt man bezüglich der im Hintergrund agierenden Dunkelmänner so einige Antworten schuldig und einige Überraschungen wirken doch, zumindest rückblickend, arg konstruiert, aber in erster Linie zählt hier die Unterhaltung und nervenaufreibende, Schweißhände verursachende Spannung, sowie mit einem gesunden Härtegrad versehene Action. Siri hat diese Elemente souverän im Griff. Zumindest von meiner Seite aus wird das Ausbleiben von wohl tempobedingt glatt gebügelten und auch kaum Gewicht verliehenen Fragen wie „Wie weit wird Talley gehen, um seine Familie zu retten?“ oder „Wer verbirgt sich hinter Mars?“ jedenfalls verziehen. Dafür bleibt „Hostage“ bis zur letzten Szenen einfach undurchschaubar. Ich war mir bei Siri ehrlich gesagt dank der vorherigen 100 Minuten wirklich nicht sicher, wie er den Thriller enden lassen würde.


Fazit:
Unberechenbarer, fesselnder und hochspannender Thriller, der sich sehr kompakt auf das Wesentliche, die Spannung, konzentriert und zudem über wirklich klasse inszenierte Actionszenen verfügt. Ich konnte mich jedenfalls meinen Blick über die gut 112 Minuten nicht vom Fernseher lassen. „Hostage“ präsentiert sich als unverdauliches, nihilistisches und damit gegen den Mainstream gebürstetes Filmvergnügen, das Nervenkitzel garantiert. Da mit Bruce Willis und Ben Foster zudem noch zwei hervorragend aufgelegte Darsteller fungieren, das Ambiente absolut stimmig geriet und Siri mit seiner düsteren, unkonventionellen, Hollywood gänzlich fremden Inszenierung einfach gelobt werden muss, bleibt nur die glasklare Empfehlung – ohne wenn und aber. Eigentlich verwunderlich, wo da doch deutsche Gelder respektive Medienfonds hinterstecken.

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