Review

Jetzt mal zu was Anderem!
Kennt irgend jemand noch Hayley Mills?
In Deutschland nicht eben wahrscheinlich, außer man ist ein Die-Hard-Disney-Fan, der sich auch von den schlimmsten Familienkomödien der 60er Jahre nicht abschrecken lässt.
Wenn ich das im Youtube-Zeitalter mal so ausformulieren kann, dann war Mills die Miley Cyrus der 60er und frühen 70er Jahre: Tochter eines weltbekannten britischen Film- und Bühnendarstellers, die Anfang der 60er mittels eines halben Dutzend Disneyfilme wie „Alle lieben Pollyanna“ und „Die Vermählung ihrer Eltern geben bekannt“ zu Ruhm und Anhängerschaft gekommen war.
Als die Reife schließlich erreicht war, taten es die Komödien natürlich nicht mehr endlos als Everybody’s Darling und so drehte sie auch ein paar griffigere Filme, wie es damals so üblich war (siehe auch: Pamela Franklin, die aber gleich mit Horror startete), einer davon „Twisted Nerve“ (mit einer von Tarantino wieder bekannt gemachten Pfeifmelodie), ein weiterer „Endless Night“, nach Agatha Christie, mit einem recht verstörenden Plot.
Als sie 1974/75 „Deadly Strangers“ drehte, stand ihre Filmkarriere mit kurz vor dreißig schon vor einer längeren Auszeit, aber Regisseur Sidney Hayers war ja auch nicht irgendwer, sondern eine solide Größe in Sachen Krimi und Thriller (ggf. auch mal Horror) in UK.

Heute ist der Film nahezu vergessen, aber wer kleine, fiese und relativ unberechenbare Psychothriller ohne Netz mag, der sollte mal auf die Suche gehen, denn dieses kleine „Road Movie with a Killer“ hat so seine Momente.

Inhaltlich ist er übersichtlich gestrickt: ein „maniac“ist on the loose aus der nahe gelegenen Nervenklinik und er macht keine Gefangenen. Ein Auto hat er auch geklaut und das sieht verdächtig so aus wie das von Stephen Slade, der gerade Hayley Mills in einer Raststätte anlechzt. Dennoch steigt sie lieber bei einem Trucker mit an Bord, der natürlich sofort wissen will, was unter ihren Röcken so los ist.
Nach einer recht deftigen Rangelei steht sie also im Regen und ein paar feuchte Diskussionen später sitzt sie endlich bei Stephen im Auto, dessen Miene irgendwo zwischen frustiert, hilfsbereit, angewidert und gedrängt schwankt. Er bringt sie zum Bahnhof, erzählt ihr dann aber Kokolores über den Zugverkehr, um sie im Wagen zu behalten. Als sie den Betrug bemerkt, gibt er zwar Bleifuß, aber am Ende kommt man doch noch nett ins Gespräch. Nach einem Stop an einer Tanke (er spannt der halb nackten Bedienung auf dem Klo hinterher), wird besagte Mitarbeiterin dann in ihrem Büro gemeuchelt, so dass die Bedrohung greifbar bleibt.

Das fragile Gleichgewicht verschiebt sich dann nach den Provokationen zweier Motorradrocker, bei denen Stephen dann doch mal die Beherrschung verliert, was dazu führt, dass Belle doch lieber woanders mitfahren will. Sie landet also nach einer Nacht im Auto im offenen Oldtimer von Sterling Hayden, der hier als Käpfn Iglo mit Rauschebart ein Bombencameo abliefert. Und der irgendwann spitz kriegt, dass hier was ganz entschieden falsch läuft…

Garniert ist diese Handlung immer wieder mit Rückblenden beider Protagonisten, die sexuell beiden einen Haschmich weg haben, was sich hier allerdings zu einer potentiell gefährlichen Kombination zusammen findet.
In einigen Rückblenden ist übrigens Peter Jeffrey, der nette und großnasige Polizist aus den „Dr.Phibes“-Filmen in einer besonders schmierigen Rolle zu bestaunen.

Die Auflösung spoilere ich hier natürlich nicht, schließlich ist der Film im Netz verfügbar und verdient eine Zweitentdeckung, aber das Finale ist schon recht knibbelig, wenn es an die Fingernägel geht.

Erwähnenswert ist übrigens noch, dass die Musik für den Film Ron Goodwin geschrieben hat und sobald jemand mal in einer Spannungssequenz statt auf den Schirm in die Luft schaut, weiß sofort, dass gleich Miss Marple um die Ecke kommen könnte, denn die Spinettklänge sind die gleichen, die er auch für Margaret Rutherford verwendete.

Für moderne Gemüter könnte der Film etwas zu spartanisch ausfallen oder sich zu langsam entwickeln, tatsächlich aber hält er das Rätselspiel ziemlich gut offen und den Zuschauer auf Distanz, was das Beziehen einer Position angeht. Auch läuft er sehr realistisch „on location“, also auf Landstraßen und in Dörfern und man bekommt eine Portion „brit life“ der Mittsiebziger mit. Ein wenig Autoverfolgungsjagd ist auch noch mit dabei.

Wem das dennoch alles zu dröge ist, der darf gern genau auf die letzten 15 Minuten skippen, in denen atmosphärisch sauber die Post abgeht, ohne dass es hysterisch wird, tatsächlich legt das Skript sogar beim Showdown noch Stolperfallen aus und prägt das Prädikat „klein, aber gemein“ für „Deadly Strangers“.

Hayley Mills machte danach dann bald doch lieber eine andere Karriere, kehrte aber zu Kino und TV zurück – da wäre als Charakterdarstellerin dann doch vielleicht noch mehr drin gewesen. (7/10)

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