Der Sommer des Jahres 1981 soll das Leben zweier achtjähriger Jungen für immer verändern. Neil (Chase Ellison) und Brian (George Webster) wuchsen beide im selben Ort, Hutchinson, auf und spielen dort im selben Baseballteam, haben aber sonst nichts gemeinsam. Neil ist sich bereits in jungen Jahren seiner Homosexualität bewusst und erlebt seinen ersten sexuellen Höhepunkt, als er seine Mutter beim Sex beobachtet und sich dabei insbesondere von deren Partner sehr angezogen fühlt. Heimlich himmelt Neil seinen Baseball-Coach (Bill Sage) an, dem dies nicht zu entgehen scheint und der Neil's Gefühle erwidert. Regelmäßig nimmt der Coach Neil mit zu sich nach Hause wo er ihn verführt und zu allerlei sexuellen Handlungen überredet.
Brian hingegen ist ein schüchterner Junge, der immer wieder Blackouts erleidet. So auch an jenem schicksalhaften Tag, der sein ganzes späteres Leben beeinflussen soll. Brian hat wieder einmal einen Blackout und kann sich nicht mehr an die vergangenen 5 Stunden erinnern, als er blutend im Keller zu sich kommt. Als er wenig später ein UFO sichtet, ist ihm klar, dass es Außerirdische gewesen sein müssen, die ihn entführten und grausame Experimente mit ihm durchführten. Auch zehn Jahre später folgt Brian (Brady Corbet) dieser Theorie noch immer verbissen und lernt so eine Frau, Avalyn (Mary Lynn Rajskub) kennen, die ebenfalls glaubt, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Als er sich mit ihr über seine Träume unterhält, kommt ihm die Erkenntnis, dass er darin immer und immer wieder einen bestimmten Jungen sieht: Neil. Er glaubt, dass auch Neil von Aliens entführt wurde und ist entschlossen, mit ihm in Kontakt zu treten.
Der selbstbewusste Neil verkauft seinen Körper mittlerweile an Männer und ist bei der Auswahl seiner Kunden nicht sehr wählerisch. Seine einzigen Freunde sind Wendy (Michelle Trachtenberg), die Neil schon aus Kindertagen kennt, und der ebenfalls homosexuell orientierte Eric (Jeffrey Licon). Als Wendy jedoch nach New York zieht, reist ihr Neil kurzerhand hinterher, um sich in der Großstadt an zahlungswillige Kunden zu verkaufen...
Als 1995 das Buch "Mysterious Skin" von Scott Heim erschien, galt es lange Zeit als unverfilmbar. Zu kontrovers und skandalträchtig sei der Stoff, um daraus einen Film zu kreieren, der seiner unbeschönigten Vorlage auch gerecht wird. Als sich dann kein geringerer als Gregg Araki an eine Buchverfilmung heranwagte, wurden schnell Zweifel geäußert. Araki hat durch seine oftmals nicht ganz massenkompatiblen Filme wie "Splendor", "Nowhere" oder "The Doom Generation" zwar durchaus auf sich aufmerksam gemacht, stieß durch seine unkonventionelle Regie aber auch schnell auf ein Publikum, das mit seinen Werken einfach nichts anfangen konnte. Als dann "Mysterious Skin" erschien, hat er in den USA schnell auf sich reden gemacht. Zwar wurde er auf einigen Festivals jubelnd gefeiert, doch andererseits geriet der Streifen schnell unter den Beschuss einiger Gruppierungen, die dem Film unter anderem Verharmlosung von Pädophilie unterstellten. "Mysterious Skin" ist also ein heißes Eisen und sicherlich keiner von den Filmen, den man sich an einem entspannten Filmabend so nebenbei mit seinen Freunden ansehen kann. Bei Themen wie Homosexualität und Kindesmissbrauch, die natürlich von so manch einem lieber gemieden werden, ist dies nicht weiter verwunderlich. Dennoch sollte man sich auf "Mysterious Skin" einlassen und dem Film eine Chance geben, verbirgt sich hinter dem Titel doch ein durch und durch überzeugendes Drama.
Der Ausgangspunkt des Films ist die Le(idens)bensgeschichte zweier Männer, Brian und Neil. Obwohl sie sich kaum kennen, verbindet sie ein grausames Erlebnis aus ihrer Kindheit, das sie im Alter von 8 Jahren für immer verändern sollte. Das Besondere an "Mysterious Skin" ist, dass er zwei Geschichten in einer erzählt und seinem Publikum erst gegen Ende eine Verknüpfung bietet. Dabei ist es besonders die Geschichte von Neil, die einem sofort an die Nieren geht und eine nachhaltige Wirkung hat. Filme, die die Misshandlung eines Kindes zeigen, sind niemals eine leicht verdauliche Angelegenheit. So erst recht nicht im Fall von "Mysterious Skin". Selten zuvor war das Gezeigte schonungsloser, unmissverständlicher wie hier. Man kann Neil von Anfang an auf seinem Weg begleiten, von der Entdeckung seiner Homosexualiät, über die abschreckende Beziehung zu seinem Baseballcoach im Alter von 8 Jahren bis hin zu seinem Werdegang als "männliche Hure". "Mysterious Skin" wirkt dabei oftmals oftmals so erschreckend ehrlich, dass man sich dem Gezeigten abwenden möchte, da es mit einer erdrückenden Portion Realismus versehen ist.
Neben Neil ist Brian die zweite Hauptfigur des Films. Er ist ein zurückgezogener Einzelgänger, der einen Blackout in seiner Kindheit einer Alien-Entführung zuschiebt und sich so auch als junger Erwachsener noch immer mit dieser Thematik auseinandersetzt. Die Geschichte Brian's erreicht nicht ganz die Intensität, die erreicht wird, wenn wir in die trostlose Welt von Neil geworfen werden, doch auch hier hält Regisseur Gregg Araki noch einige Überraschungen für den Zuschauer bereit. Erst im letzten Viertel lässt sich die Handlung zu einem Ganzen zusammenfügen und endet in einer erschreckenden Auflösung, die in ihrer einfachen Wahrheit nicht niederschmetternder sein könnte.
Was "Mysterious Skin" von anderen Teenagerdramen abhebt und ihn gleich auf eine völlig andere Stufe anhebt, ist die Feinfühligkeit, mit der die Figuren geschrieben und gespielt wurden. In den 100 Minuten Laufzeit taucht man vollends in die Charaktere ein und muss so deren Tragik schmerzlich miterleben. Langeweile kommt hier niemals auf, da man immer mit kurzen Informationsbrocken aus der Vergangenheit der Protagonisten gefüttert wird und das große Puzzle sich so mehr und mehr lösen lässt. Je näher sich das Ganze aber seiner Vollständigkeit nähert, desto bitterer wird der Nachgeschmack, den man aus dem Film mitnimmt und der einen auch noch länger daran erinnert und darüber nachdenken lässt. Aus inszenatorischer Sicht hat sich Gregg Araki dabei selbst übertroffen. Waren einige seiner alten Werke noch fordernd und zum Teil kunstvoll, erzählt "Mysterious Skin" eine plausible Handlung, die trotz übernatürlich scheinender Elemente wie dem UFO, das Brian zu sehen glaubt, eine ganz einfach Auflösung parat hält. Trotz seiner Herkunft aus der Independent-Ecke zaubert Araki großes Bilderkino, das sich in jedweder Hinsicht sehen lassen kann und nicht vor teuren Blockbustern verstecken muss.
An manchen Stellen des Films lassen sich eindeutige Vergleiche zu "Butterfly Effect" anstellen, der zwar im Grunde genommen eine ähnliche Geschichte erzählt (punkto Blackout), sich am Ende aber als etwas anderes herausstellt. Hatte "Butterfly Effect" noch einen surrealen Anstrich, wirkt in "Mysterious Skin" nichts weit hergeholt. Es ist die knallharte Realität, die einem hier ins Gesicht schlägt und zu Denken gibt. Dabei ist man stets gewillt, den Charakteren bei ihren Höhen und Tiefen zu folgen und gibt sich irgendwann ganz der Geschichte hin. So ruhig und bedacht der Film in manchen Momenten ist, etwa wenn Neil mit seiner Freundin Wendy und dem tuntigen Eric zusammen ist, so erschreckend wird es dann, wenn der Film verrät, wieso er erst ab 18 Jahren freigegeben ist. Als Neil 10 Jahre alt ist, misshandelt er zuerst einen geistig behinderten Mitschüler, indem er ihm Feuerwerkskörper in den Mund steckt und ihn anschließend oral befriedigt. Sehr starker Tobak sind auch die Szenen im Haus des Coaches, der sich zuerst Neil's Vertrauen erschleicht und dabei den Eindruck des symphatischen Kinderfreundes erweckt, den homosexullen, unsicheren Jungen aber später zu den abartigsten sexuellen Handlungen überredet. "Mysterious Skin" scheut sich nicht davor, genau das zu zeigen, was gezeigt werden muss, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Szene, in der Neil an einen brutalen, bulligen Freier gerät, endet in einer der abschreckendsten Vergewaltigungsszenen, die ich bislang sehen durfte und wird in ihrer Grausamkeit nur noch von der Vergewaltigung in "Irreversible" übertroffen.
"Mysterious Skin" ist zwar weder pornographisch, noch so zeigefreudig wie andere Teenagerdramen, beispielweise "Ken Park", doch er erreicht es, den Zuschauer an einem wunden Punkt zu treffen und gleichzeitig etwas zurückzulassen. Was hier erzählt wird ist ein schonungsloses Drama, das einem die Auswirkungen von Kindesmissbrauch in aller drastischen Konsequenz überliefert und gerade deshalb nicht von Zuschauern mit schwachen Nerven gesehen werden sollte. Der Hauptgrund, wieso der Film so unglaublich gut funktioniert, ist das fesselnde Schauspiel der Hauptakteure. Joseph Gordon-Levitt spielt den misshandelten und innerlich zerstörten Neil so unglaublich intensiv, dass es einem nicht selten kalt den Rücken runterläuft. Die meiste Zeit über scheint er der selbstsichere Prostituierte zu sein, der sich für keinen noch so abstoßenden Freier zu schade ist, doch in manchen Momenten schimmert sein verletztes Inneres deutlich hervor und diese Momente sind es, die das Schauspiel Levitt's so packend machen. Nicht ganz so intensiv, aber voll seiner Rolle angepasst spielt Brady Corbet den brilletragenden, sich für UFO's interessierenden Brian, der den typischen Außenseiter verkörpert. Der etwas naive Brian wird von Corbet sehr authentisch und nachvollziehbar gespielt.
Auch die anderen Rollen werden von den Nebendarstellern glaubhaft rübergebracht. Ob nun Bill Sage, der sich mit der Darstellung des Coache's an ein schwieriges Unterfangen heranwagte, oder auch Jeffrey Licon als etwas tuntiger, doch durchaus liebenswürdiger Eric.
In einem Interview gab Gregg Araki übrigens an, dass die beiden Kinderschauspieler Chase Ellison und George Webster, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten etwa 11 Jahre alt waren und die achtjährigen Neil und Brian mimten, nichts von dem sexuellen Unterton der "Pädophilen-Szenen" wussten, was das Ganze moralisch etwas vertretbarer macht.
Wer sich nicht gerne an schwierige Themen heranwagt, sollte "Mysterious Skin" meiden, denn aufgrund der brutalen Ehrlichkeit, mit der uns Gregg Araki mit Pädophilie und Homosexualität konfrontiert, dürfte der Film die Grenzen vieler zart besaiteter Zuschauer klar überschreiten. Nach Sichtung des Films hat man jedenfalls einen Kloß im Hals, den man erst einmal runterschlucken muss, "Mysterious Skin" wird wohl niemanden kalt lassen. Das zutiefst bewegende Drama ist nicht nur einwandfrei gefilmt, sondern von den beiden Schauspielern Joseph Gordon-Levitt und Brady Corbet zudem exzellent gespielt. Obwohl der Film keine blutigen Gewaltszenen enthält, ist die Freigabe ab 18 durchaus gerechtfertigt, denn in seiner ergreifenden, intensiven und realen Machart ist "Mysterious Skin" brutaler und schonungsloser als die meisten Horrorfilme. Der Film ist Pflicht für jeden Cineasten und all jene, die sich mit tiefgehenden, ehrlichen und menschlichen Dramen anfreunden können und dabei auch vor kontroversen Thematiken nicht zurückschrecken.