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Marvels Comichelden, meist misslingende Historienschinken oder eben Remakes, das sind zurzeit die angesagten Themengebiete der Traumfabrik Hollywood. Nachdem nun schon einige Horrorklassiker wie „The Texas Chainsaw Massacre“ und „The Amityville Horror“ durchgewunken worden sind, dürfen nun auch die Filme des „Masters of Terror“, John Carpenter“, zeitgemäße Neuinterpretationen erfahren. Sein sich noch abseits von Horrorgefilden bewegender Klassiker „Assault on Precinct 13“ macht da den Anfang, „The Fog“ befindet sich in der Produktion und es würde mich auch gar nicht wundern, wenn bald Moustapha Akkad auf die Idee kommt, auch „Halloween“ ein Remake zu spendieren. Schließlich zieht die zu Tode gerittene Serie um Michael Myers von Teil zu Teil weniger Zuschauer an.

Französische Regisseure wie Florent Emilio Siri („The Nest“, „Hostage“), Pitof („Vidocq“, „Catwoman“) und Mathieu Kassovitz („Die Purpurnen Flüsse“, „Gothika“) sind derzeit bei den amerikanischen Studios groß in Mode. Sie haben in ihrem Heimatland teilweise auch wirklich tolle Filme abgeliefert, sich bisher aber noch nicht so recht mit der Filmmentalität der Amerikaner anfreunden können, beziehungsweise wurden zu sehr in ihrem künstlerischen Schaffen eingegrenzt. Der große Erfolg blieb ihnen deswegen verwehrt. Siri, der im übrigen mit „The Nest“ in Frankreich das „Assault“-Thema schon hervorragend verarbeitete, dürfte sich jüngst mit „Hostage“ noch am nahsten am französischen Kino bewegt haben: Hart, direkt, kaltblütig und damit alles andere als mainstreamgerecht.

Mit Jean-François Richet („Brennender Asphalt“, „All About Love“) versucht sich nun ein weiterer Landsmann in Hollywood. Seine Arbeiten sind bisher weder zahlreich noch bekannt und doch ließ sich „Training Day“ – Produzent Jeffrey Silver (u.a. auch „Mindhunters“) darauf ein, einen unverbrauchten Filmemacher zu verpflichten. Ein Glücksgriff, wie sich herausstellen soll, denn zusammen mit Kameramann Robert Gantz („Mindhunters“) und Drehbuchautor James DeMonaco („Jack“, „The Negotiator“) kredenzt er hier tatsächlich einen Actionthriller, der sich vor Carpenters Kultfilm nicht zu verstecken braucht.

Denn man zieht das Thema anders auf, variiert die Geschichte und versucht sich nicht an einer plumpen Kopie der klassischen Motive. „Assault on Precinct 13“ ist nicht in Los Angeles sondern in Detroit angesiedelt und spielt an Silvester. Ein Schneesturm tobt und in einer gewissen Polizeistation, die kurz vor der Auflösung steht, harren Jake Roenick (Ethan Hawke, „Gattaca“, „Training Day“) und Jasper O'Shea (schön ihn nochmal in einem Kinofilm zu erleben: Brian Dennehy, „First Blood“, „Silverado“) mitsamt der lasziven Angestellten Iris („The Sopranos“ – Star Drea de Matteo) aus, bis aufgrund des Unwetters ein Gefangenentransport mit einem prominenten Fahrgast an Bord Zwischenhalt macht. Plötzlich werden sie von einer Eliteeinheit eingekesselt, die sie umgehend auffordert den Schwerverbrecher Marion Bishop (Laurence Fishburne, „King of New York“, „The Matrix“) herauszurücken...

Das hört sich abgesehen von den Wetterverhältnissen noch sehr nach John Carpenter an, tatsächlich hat das Remake, vor allem was die Inszenierung angeht, eigentlich nichts mit ihm gemeinsam. Dankbar kann man in dieser Hinsicht sein, dass Graeme Revell („Freddy Vs. Jason“, „Walking Tall“) auch gar nicht versucht Carpenters Score zu kopieren. Nun gehört Revell nicht zu den großen Komponisten Hollywoods, aber einen zweckmäßigen stimmigen, zufriedenstellenden Score bekommt er hier soweit hin.

Wirklich von Interesse ist hier die Hauptfigur Jake Roenick, der tatsächlich eine Weiterentwicklung von Ethan Hawkes „Training Day“ – Charakter Jake sein könnte. Der vormals als Undercovercop in der Drogenszene tätige Gesetzeshüter musste während eines verpatzten Einsatzes vor 8 Monaten den Tod zweier Kollegen hinnehmen und ist seitdem von Antidepressiva und Alkohol abhängig, in psychologischer Behandlung und nicht mit sich im Reinen. Damit ist er eine Bezugsperson, die später eine Entwicklung durchmacht. Unter seiner Fassade steckt nämlich mehr...
Diese Figur hat „Assault on Precinct 13“ aber auch bitter nötig, denn abseits von Jake gibt es grundsätzlich nur Stereotypen, die auch meist genauso gespielt werden. Für Kim Coates („Open Range”, „Unstoppable”) und John Leguizamo („Spawn”, „Collateral Damage”) bleiben beispielsweise nur vergleichsweise kurze Auftritte. In weiteren Nebenrollen sind noch mehr bekannte Gesichter zu entdecken, doch ihre Zeit beschränkt sich zum Grossteil auf das Nötigste. Der Fokus liegt auf den Eingeschlossenen (ein Problem für Gabriel Byrne („Stigmata“, „End of Days“), weil damit zu wenig zu tun) und die setzen sich aus ein paar 08/15-Gangstern (Schwarze, Latinos, u.a. verkörpert von Ja Rule), den beiden Cops, Bishop (Fishburne glaubt inzwischen wohl auch seine Mimik aus den Matrix-Filmen wäre ein Patentrezept) und der hübschen Psychologin Alex Sabian (Maria Bello, „Payback“, „Coyote Ugly“) als Love Interest zusammen. Folgerichtig also ein überschaubares Grüppchen, gestrickt nach altbewährten Regeln des Genres.

Die Konstruktion des Szenarios selbst ist etwas primitiv geraten. Die Einführung der Personen geschieht mit Hilfe von Smalltalk, alle treffen sie im Revier ein, die Gefangenen quatschen in ihren Zellen, wirklich Nennenswertes kommt dabei nicht herum, aber man weiß zumindest mit wem man es zu tun hat. Hier hat der Film dann auch seine einzige Länge, denn sobald das Spektakel beginnt, wird das Tempo drastisch erhöht.

Ich will hier nicht vorwegnehmen, mit wem man es zu tun hat, aber soviel sei gesagt, der Gegner bekommt ein Gesicht und eine Identität und das ist ein großer Unterschied zum Original (Ja, es ist ein Original, denn mehr als die so oft genutzte Ausgangssituation hat Carpenter von Rio Bravo nicht übernommen). Damit nimmt man den Stoff zwar die Bedrohlichkeit , weil die Ziele geklärt sind, doch Richet legt den Schwerpunkt anstatt auf eine nicht einschätzbare, nahezu unsichtbare Gefahr, auf Action und die hat es in sich.

Er verpackt „Assault on Precinct 13“ nicht nur in einen düsteren (meist blauer Farbfilter) Edellook, sondern geizt auch nicht mit Action und tollem Sound (die Dauerfeuer der MP5s hören sich klasse an). Während sich die Kriminellen und Polizisten zusammenraufen und alles an Waffen organisieren, was man innerhalb des Gebäudes finden kann, wird draußen mit Störsendern (Handys und Funk brauchbar) mobil gemacht. Sniper gehen in Position, die Laserpointer werden aktiviert und kleine Gruppen versuchen in das verbarrikadierte Gebäude zu gelangen, während die Eingekesselten um das nackte Überleben kämpfen. Von Blendgranaten über Plastiksprengstoff bis hin zum guten alten Jagdmesser ist das Repertoire der Angreifer reichhaltig. Richet weiß die Mittel einzusetzen, geht vor allem mit Feuer sehr ästhetisch um und geizt auch nicht mit einem Härtegrad (Headshots, Exekutionen, blutige Shootouts, explizit gezeigte Kampfwunden, etc), der sich schon am oberen Rand des R-Ratings bewegt. Punkten kann er zudem mit seiner Gleichgültigkeit gegenüber so ziemlich allen Protagonisten, denn bis zum Schluss ist nicht klar, wer hier wirklich überleben wird.
Dafür verzichtet man hier größtenteils auf angesagte Stilmitteloverkills oder Schnittgewitter, sondern inszeniert oldschool: Zeitlupen nur dann, wenn sie sinnvoll sind.


Fazit:
Somit kann man sich von „Assault on Precinct 13“ nahezu vorbehaltlos fesseln lassen. Jean-François Richet gelang mit seinem Hollywooddebüt leider nicht das Budget von 30 Millionen an den Kinokassen wieder einzuspielen, doch dafür darf sich der Zuschauer endlich mal wieder über einen R-Rated-Actionthriller ohne Kompromisse freuen. Das frostige Winterszenario ist mit seinem Schneesturm eine ungemein, atmosphärische Angelegenheit, gezwungener Humor bleibt außen vor und die Dialoge begrenzt man nach der Einleitung auch auf ein Minimum, um sich dann auf ein Kampf um Leben und Tod zu konzentrieren. Sicher hat der Film seine Schwächen, doch die finden sich im Drehbuch (der Tunnel..., die oberflächlichen Charaktere) und geringfügig auch den Schauspielern wieder. Nichtsdestotrotz kann sich der Genrefan hier über einen straighten, harten, optisch edlen Streifen freuen, wie sie heute leider selten geworden sind. Ein überraschend gelungenes Remake, das wohl wirklich aufgrund seiner fehlenden Mainstreamkompatibilität keinen großen Anklang fand.

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