Michael Crichton ist ja ein echter Tausendsassa, sehr erfolgreich als Buchautor ("Jurassic Park"), Produzent ("Twister"), Drehbuchschreiber ("Jurassic Park 1-3") und nicht zuletzt als Filmregisseur. Doch "Die Anwältin" will nicht so recht in dieses Gesamtwerk eines Mannes passen, der mit "Westworld" schon 1973 einen echten Science-Fiction Klassiker schuf, für den er als Regisseur und Drehbuchautor verantwortlich war und dessen Remake er aktuell vorbereitet. Auffällig ist zudem, dass selbst auf seiner Homepage "Die Anwältin" nicht auftaucht und das er seitdem bei keinem Film mehr Regie führte (sieht man von seiner Mitarbeit bei dem von ihm produzierten Film "Der 13.Krieger" einmal ab).
Ein wenig wirkt seine Regie hier wie eine Auftragsarbeit, denn "Die Anwältin" ist sein einziger Film, zu dem er nicht auch das Drehbuch geschrieben hatte und genau darin liegt auch der größte Schwachpunkt des Films, der mit Theresa Russel, Burt Reynolds und Ned Beatty über sehr ordentliche Schauspieler verfügt. Nur müssen diese gnadenlos gegen das völlig überladene Drehbuch anspielen, dass in 90 Minuten Inhalt für mindestens zwei Filme hineinquetscht hat und deshalb Charakterisierungen und Konfliktzuspitzungen im Fast-Food-Tempo abhandelt.
Schon die erste Sequenz ergibt ein schaurig-schönes Bild dieser Vorgehensweise. Wir sehen einen uns unbekannten Mann mit trauriger Miene auf einer Brücke herumklettern, der offensichtlich Selbstmord begehen will. Während er sich gerade die Schlinge um den Hals legt, sieht er etwas oberhalb zwei leblose Füße herausragen. Er wirft die Schlinge darum und zieht so lang daran, bis plötzlich eine Leiche mit aufgeschnittener Kehle vor ihn stürzt und er vor Schreck gemeinsam mit dieser die Brücke herunterfällt, um dann in seinem eigenen Seil verfangen am Fuß knapp über der Wasseroberfläche herumzubaumeln.
Alleine diese Szene ist in ihrer Schwachsinnigkeit und gleichzeitigen Faszination signifikant für den gesamten Film. So ist es physisch kaum vorstellbar, wie der verhinderte Selbstmörder - frei auf einer Brücke stehend - mit dem Seil einen so schweren Körper herunterziehen kann, so wie es auch nicht nachvollziehbar ist, wieso die Schlinge plötzlich seinen Fuß gefangen hält, mal ganz abgesehen davon, dass ihm dieser mindestens abgerissen worden wäre, bei der Wucht, mit der er gemeinsam mit der Leiche von der Brücke fiel. Trotz dieser völligen Ausschaltung jeglicher Logik ist die Szene höchst originell und gleichzeit amüsant.
Und nach diesem Beginn geht es im selben Tempo und ähnlich feingeschliffener Ausarbeitung weiter. Wir sehen den völlig alkoholisierten Joe Paris (Burt Reynolds) auf dem Boden liegen und wie er von zwei Polizisten wieder zum Leben erweckt wird. Keine Ahnung, welch großartige Detektivarbeit diese zu ihm führten, aber schon nach wenigen Sekunden finden sie die Mordwaffe (natürlich mit der korrekten Blutgruppe) und verhaften ihn wegen Mordes. Wie sich schnell herausstellt, war der ermordete Nachtclub-Besitzer Farley einer der meist gehassten Männer der Stadt, dem viele den Tod wünschten, aber für die Polizei kam wohl nur ihr Ex-Kollege Paris in Frage, der sich vor allem wegen seiner liberalen Gesinnung unbeliebt gemacht hatte. Burt Reynolds spielt diesen eigensinnigen, zu Jähzorn neigenden Ex-Bullen routiniert als sympathischen Draufgänger, wobei er mehr von seinem Charisma profitiert als von dem Drehbuch, dass ihm nur klischeehafte Sätze abverlangt.
Ähnlich ist auch Theresa Russels Rolle als Anwältin Jenny Hudson angelegt. In ihrer Kanzlei gilt sie als karrieregeile Frau mit Rolex-Uhr am Arm, die sich vor allem deshalb als Pflichtverteidigerin vordrängt, um weitere Gerichtserfahrung zu sammeln. Dazu passt auch ihr Verlobter Kyle, der hier eine wunderbar ätzende und schleimige Performance als Ober-Yuppie abgibt, die man nur als Persiflage betrachten kann. Ähnliches gilt allerdings auch für die Anwältin - nur umgekehrt - denn sobald sie sich in den Fall des Joe Paris hineinkniet, mutiert sie in Sekunden zur Kämpferin für die Gerechtigkeit und man erfährt auch mit der Zeit, dass sie schon früher ein sehr engagiertes Leben geführt hatte. Man fragt sich, wieso sie sich nur eine Sekunde mit Kyle eingelassen hatte, dem sie dann zum Schluß sogar noch Moralpredigten hält. Auch ist nur wenig zu verstehen, wieso sie im Kollegenkreis die Meinung als Ehrgeizling genoss, da sie jede Absprache ,die ihr nur Vorteile brächte, abweist und die Gerichtsverhandlung zum bitteren Ende bringen will...
Als ihr Gegenspieler glänzt dabei wieder Ned Beatty, der hier als Staatsanwalt keinen fiesen Trick auslässt. Aber auch er hat viel zu wenig Zeit diese Rolle charakterlich auszuschmücken und wird mit wenigen, typischen Szenen nahezu verschenkt. Man kann dem Film wirklich keine Langeweile attestieren, da er fast atemlos von einer Szene zur nächsten hetzt, immer wieder überraschende Details offenbart, Alibis schafft und wieder gleich versenkt und ständig neue Verdächtige auf dem Tableau auftauchen. Das geht so weit, dass mehrfach Schnitte in Momenten zu sehen sind, denen man noch weiter folgen möchte oder die tatsächlich weitergehen müssten, so unbeholfen wird hier gleich zur nächsten Szene weitergeleitet.
Nur ist es so wie bei jedem Fast-Food-Menü - wenn es zuviel wird und man den Überblick verliert, geht auch der Geschmack daran flöten und so verliert man langsam die Konzentration angesichts des wirren und unlogischen Geschehens, wenn, ja wenn nicht diese herrlichen Dialoge wären. Selten habe ich einen Film gesehen, indem man sich weniger dezent unterhalten hätte (ohne gleich die Vulgär-Keule herauszuholen). Auf Grund der Zeitknappheit werden sämtliche Konflikte im Sekundentempo abgehandelt. Als Anwältin Jenny einmal einen Abend später nach Hause kommt und ihr Yuppie-Freund sein (beim Chinesen bestelltes) Abendessen alleine zu sich nehmen muß, wird daraus sofort ein grundsätzliches Beziehungsgespräch, bei dem quasi schon die Trennung verkündet wird. Oder als Jenny mal wieder in ihr Anwaltsbüro zurückkommt (die einzige Szene nachdem sie den anfänglichen Auftrag bekam), schreit sie ihr Chef nach wenigen Sekunden schon an, weil sie sich nicht auf einen Kompromiss mit dem Staatsanwalt einlassen will.
Und in dieser Art spielt sich das in dem gesamten Film ab und man kann nicht umhin, diesem merkwürdigen Film trotz des idiotischen Drehbuch fasziniert zu folgen.
Fazit : "Die Anwältin" ist der Versuch, einen mysteriösen Mordfall und einen Gerichtsfilm mit unzähligen Verwicklungen und Charakteren in einen 90 minütigen Film zu packen und dabei möglichst auf kein ausgetretenes Klischee zu verzichten.
Für Grotesk-Trash-Fans ist der Film wahrscheinlich noch zu seriös, aber für Freunde eines gepflegt idiotischen Films bietet der Film eine Menge Details, die wirklich amüsieren können. Schön schlecht und man fragt sich, warum Crichton nicht mehr Humor hat (6/10).