Manche nannten ihn Gator. Andere wiederum Stick. Einen großen Unterschied hat es nie gemacht. Der Mann dahinter war eben einfach Burt; ein ausgekochter, ausgebuffter Supertyp, der Frauen liebte und die Katzen tanzen ließ. Jemand, der mit ironisch gehobener Augenbraue über den eigenen Schnauzbart lugte und niemals ernstzunehmen schien, was sich ihm dahinter bot. Da musste sich Schriftsteller und Drehbuchautor Elmore Leonard ja eigentlich nicht wundern, dass er seinen eigenen Roman und das daraus entwickelte Skript in der Filmadaption „Sie nannten ihn Stick“ kaum mehr wiedererkannte; die war ja schließlich durch die Brille des verschmitzten Burt gefilmt.
Dabei wollte Burt Elmore ja eigentlich durchaus gerecht werden. Er durfte aber nicht. Nach Fertigstellung trug der Actor-Director seine vierte Regiearbeit voller Stolz und Überzeugung zu den Universal-Bossen, nur um sich von denen einen Rüffel abzuholen. Ferner den Auftrag, noch ein paar Kanten abzufeilen, ach was, den halben Film neu zu drehen. Auf dass der potenzielle Kinogänger sich an noch mehr Action, an noch mehr Tempo und noch mehr Aufregung erfreuen möge.
Nicht, dass man grundsätzlich etwas dagegen hätte, mit seichter Unterhaltung gebauchpinselt zu werden. Nur um das eigentümliche Leonard-Feeling ist es mit derartigen Kompromissen schlecht bestellt. „Sie nannten ihn Stick“ konsumiert sich eben wie ein schablonenhafter 80er-Actionkrimi um einen Rückkehrer in die Zivilisation, der die kriminellen Strukturen in einem gesetzten Nest ordentlich aufmischt. Ob der faszinierende Fremde aus dem Knast, aus dem Krieg oder aus dem Campingurlaub zurückkehrt, ist dabei relativ egal, solange er nur möglichst still in die Handlung gleitet und das Quatschen seinem halb so großen und doppelt so lautstarken Buddy von früher überlässt. Man kennt den Ablauf, man weiß somit, was als nächstes geschieht. Ein gewisser Teil im Gehirn, fast ebenso lautstark wie der redselige Buddy, will ja auch genau das sehen – insbesondere, wenn auf einmal ein Trio aus einem kreidebleichem Albino (Dar Robinson), einem Fettsack im Hawaii-Hemd (Charles Durning) und einem schmierigen Putzlappen (Castulo Guerra) in den Gegnerreihen auftaucht, als wäre es dem hinterletzten Comic entsprungen. Oder einem Spencer-Hill-Vehikel.
Dabei weist der Einstieg in die Handlung sehr wohl ein paar Schmauchspuren aus dem Leonard-Universum auf, gelingt es Burt doch überraschend gut, mit wenig Aufwand eine detailreiche Umwelt entstehen zu lassen, in der fortlaufend Fremdkörper miteinander kollidieren. Natürlich ist es zumeist der namensgebende Stock, an dem die anderen Figuren abprallen – sei es einfach ein aufdringlicher Geschäftsmann an der Bar, ein exzentrischer Geldsack mit besonderer Begeisterung für Stöcke wie Stick (ein wenig überdreht: George Segal) oder eben der übellaunige Albino, der einzige Kerl im gesamten albernen Cast, der es in Sachen Stocksteife mit dem Original-Stick aufnehmen kann. Die erste Begegnung der beiden Sturköpfe macht das zu einem bizarren Starr-Duell mit Blinzel-Risiko, das die Stimmung für den weiteren Verlauf prima aufheizt.
Dass der Krimi-Plot zunehmend von Vater-Tochter-Harmonie (noch völlig naiv und unverbraucht: Tricia Leigh Fisher) aufgedunsen wird und dann auch noch aufregende Flirts in Servierschürzen und weißen Bettlaken hinzukommen (dienen als provinzielle Bondgirls: Sachi Parker und Candice Bergen), dafür kann Burt womöglich ungefähr so wenig wie ein zugedröhnter Rockstar etwas dafür kann, wenn ihm die Schlüpper beim Konzert geradewegs um die Ohren fliegen. Wenn ein Mann eben eine solche Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht ausübt, so verlangt es die Pflicht von ihm, diese Beziehungen auch zu pflegen, gell. Und was will man sich beschweren, nicht nur spielen die Begegnungen reizvoll mit der (Un-) Verbindlichkeit, sie schüren darüber hinaus auch ein gehöriges Abenteuer- und Romantik-Flair, gemischt mit einer Prise Sehnsucht nach Stabilität. Nicht zuletzt gipfeln sie in einer der kitschigsten Abspannsequenzen, die jemals unter den Credits laufen durfte, einer leidenschaftlichen Annäherung zweier Autos nämlich auf dem Highway, gefilmt aus der Hubschrauber-Perspektive und unterlegt mit einem Schmachtfetzen von Countrysängerin Anne Murray.
Da droht der Action-Fan am langen Arm zu verhungern, aber wozu hat man denn Dar Robinson auf der Besetzungsliste? Der Stuntman hatte bereits in „Sharky und seine Profis“ mit dem Regisseur / Hauptdarsteller zusammengearbeitet und dort einen Wahnsinnssprung von einem Hochhaus absolviert, mit dem Rücken zum Boden und nur einem Drahtseil als Absicherung. Wenn er nun für das Semifinale wiederum in luftiger Höhe Stick begegnet, führt uns das zurück zu der eingangs aufgestellten These, dass man eben immer weiß, was als nächstes geschieht – was jedoch keine Auswirkungen auf das Erstaunen hat, das man beim Betrachten des Sturzes empfindet. Auf Anhieb wird man sich wieder der Tatsache gewahr, dass man hier einen Film aus der glorreichen Lethal-Weapon-Ära schaut, aus der Zeit jener prägenden Action-Reihe, deren erster Teil nicht zufällig auch zu den letzten Arbeiten Robinsons gehörte, bevor er bei den Dreharbeiten zu Richard Fleischers „4-Millionen-Dollar-Jagd“ tödlich auf dem Motorrad verunglückte.
Weil die meiste Vorbereitung und der höchste Aufwand spürbar in diese Stuntsequenz geflossen ist, verpufft nicht nur der angehangene Showdown gegen Castulo Guerra ohne größere Wirkung, sondern sämtliche vorausgehende Action-Pieces drohen ebenfalls in Vergessenheit zu geraten, weil man sich am Ende nur an den einen großen Sprung erinnert. Dabei brennt auch mal was, es wird wie irre über die Straßen gerast und es gibt natürlich diverse Ballereien und Handgemenge, ferner eine Handlungsmontage in der Mitte, die wenigstens in der Kinofassung durch die skurrile Musikwahl eine aufputschende Wirkung der Marke „Rocky“ bekommt.
In der Summe zehrt „Sie nannten ihn Stick“ aber definitiv nicht von seiner raren Action, sondern von seiner charismatischen, wenn auch eindimensionalen Hauptfigur, von der schrillen Garde an Nebendarstellern und nicht zuletzt von der einladend gefilmten Location. Elmore Leonard beobachtet und schreibt wesentlich besser als Burt Reynolds, gerade unter dem Druck der Studiobosse, Regie führt, weshalb in der Filmversion so manches Mal der Ton entgleist; zu viel Klamauk für einen deftigen Krimi, zu wenig Charakterzeichnung für eine Milieustudie. Zugleich funktioniert er als lockerer Zeitvertreib jedoch besser, als er es eigentlich aufgrund seiner Zutaten dürfte.
(5.5/10)