"Mr. Sandman, bring me a dream
Make him the cutest that I've ever seen
Give him two lips like roses and clover
Then tell him that his lonesome nights are over" (Pat Ballard, The Chordettes)
"Hush hush hush, here comes the bogey man
Don't let him come too close to you, he'll catch you if he can" (Henry Hall)
"In order to appease the gods,
the Druid priests held fire rituals.
Prisoners of war, criminals, the insane, animals
were burned alive in baskets.
By observing the way they died,
the Druids believed they could see omens of the future.
2.000 years later we've come no further.
Samhain isn't the evil spirits.
It isn't goblins and ghosts or witches,
it's the unconscious mind. We're all afraid of the dark inside ourselves."
(Debra Hill / John Carpenter, Donald Pleasence (Dr. Loomis))
John Carpenters "Halloween" (1978) war [Achtung: Spoiler!] ein immenser Kassenerfolg – und in seine Fußstapfen traten sogleich auch Filme wie "Tourist Trap" (1979), "Friday the 13th" (1980), "Prom Night" (1980), "Terror Train" (1980) – die beiden Letztgenannten mit Halloween-Star Jamie Lee Curtis in tragenden Rollen besetzt! –, "The Boogey Man" (1980), "Graduation Day" (1980), "The Burning" (1981), "My Bloody Valentine" (1981), "Night School" (1981), "Happy Birthday to Me" (1981) oder "The Funhouse" (1981): Filme, die zum Teil "Halloween" deutlich Respekt zollten – oder doch wenigstens dessen großen Bezugspunkt "Psycho" (1960). Früh war – zumindest dem Produzenten Irwin Yablans, der das Budget vervielfachte und kurzzeitig mit 3D-Plänen geliebäugelt haben soll – klar, dass die Zeichen für ein Sequel bestens standen. Seinen Eifer teilten indes kaum die Drehbuchautoren John Carpenter und Debra Hill, die auch für dieses Remake noch einmal das mehrfach überarbeitete Buch verfassten, dessen Inszenierung der lediglich mild TV-erfahrene Kinofilmregie-Debütant Rick Rosenthal übernahm (nachdem Tommy Lee Wallace, art director des Originals, wie zuvor schon John Carpenter selbst abgedankt hatte). Dessen Regieleistung wurde zu Rosenthals Enttäuschung von Carpenter – wie Hill auch einer der Ko-Produzenten – mit einigen Nachdrehs bedacht, die das Sequel mit größeren Schockmomenten ausstatten sollten: nicht die einzige Referenz an die in der Zwischenzeit entstandenen härteren Slasherfilme, die selbst vielfach um einiges reaktionärer daherkamen als der doch recht ambivalente "Halloween", dem der Hang zum Reaktionären späterhin allerdings vielfach zugeschrieben wurde.
Viele Köche verderben bekanntlich den Brei, uninspirierte Köche vermutlich ebenso. Die teils unterschiedlichen Vorstellungen von Moustapha Akkad, Yablans, Hill, Carpenter, Wallace und Rosenthal, die zu Drehbuchüberarbeitungen und Nachdrehs führten und von geringen künstlerischen Ambitionen begleitet wurden, bewirkten neben der Orientierung an aktuelleren Slasherfilmen einen erheblichen Qualitätsabfall, der allenfalls dadurch einigermaßen zu kaschieren war, dass "Halloween II" erneut mit Jamie Lee Curtis und Donald Pleasence besetzt werden konnte und ziemlich nahtlos an den Vorgänger anknüpfen wusste, um sich der zweiten Hälfte dieser verheerenden 1978er Halloween-Nacht zu widmen.
Doch gleich in der ersten Sekunde irritiert "Halloween II" sein Publikum erst einmal auf humorvolle Weise: immerhin beginnt – und endet – "Halloween II" mit dem Hit "Mr. Sandman", vorgetragen von The Chordettes. Eine ironische Stimmungslage wird kurz aufgebaut, die aber auch inhaltlich zwei Punkte vorwegnimmt bzw. weiterführt: zum einen wird Laurie Strode hier weite Teile des Films narkotisiert im Krankenhaus verschlafen, ehe sie im Finale dann wieder vor dem Slasher fliehen und ihn letztlich bekämpfen muss; zum anderen werden hier die im Vorgänger ausgestellten heimlichen Sehnsüchte Lauries aufgegriffen – und das Erste, was am Anfang von "Halloween II" steht, ist der Taum einer Teenagerin vom idealen Lover.
Als solchen hatte Laurie Strode in "Halloween" den Mitschüler Ben Tramer gegenüber ihrer – bald von Michael Myers ermordeten – Freundin und Sherrifstochter Annie Brackett ausgewiesen. In "Halloween II" wird man Tramer dann aush erstmalig sehen – und doch nicht sehen. Denn Tramer, der inmitten dieser Halloween-Nacht maskiert durch die Straßen schleicht, trägt eine Maskierung, die derjenigen Michael Myers' erheblich gleicht – weshalb er dann auch, von einem bewaffneten Dr. Loomis verfolgt, vor ein Auto rennt und kurz darauf eingeklemmt bis zur Unkenntlichkeit verbrennt, sodass er dann späterhin auch als Leichnam quasi noch gesichtslos bleibt.
Es ist eine engere Koppelung von Laurie Strode und Michael Myers, die im Vorgänger beide – zumindest solange man Myers einer vom Film nur unvollkommen entwickelt angebotenen psychologischen Lesart unterziehen wollte – als Gegenstücke auftraten: Dort der pathologische Fall, der mit sechs Jahren seine Schwester nach erotischer Betätigung tötete und mit 21 Jahren dieselbe Tat an anderen jungen Frauen und ihren Liebhabern (sowie an hinderlichen Zeugen) wiederholte, dort die Teenagerin voller geheimer Sehnsüchte und erotischer Bedürfnisse, die jedoch das Begehrte stets furchtsam mied. Ihre erzwungene Fähigkeit zu Aktivität und Wehrhaftigkeit wies die eingangs mehr theorie- denn praxissichere, etwas schüchterne Laurie in "Halloween" als gewissermaßen geheilt aus; "Halloween II" spinnt das – obgleich ja Laurie Strodes Initiationsritus hier dann doch noch die andere Nachthälfte andauert und obgleich sie narkotisiert lange Zeit abwesend bleibt – zaghaft weiter, indem der Sanitäter Jimmy ernstes Interesse an der frisch im Haddonfield Memorial Hospital eingelieferten Laurie zeigt, indem er ihr Unterstützung zukommen lassen will... und – allerdings bloß im Television Cut – indem er im selben Krankenwagen mit Laurie Strode einer womöglich glücklichen gemeinsamen Zukunft entgegenfährt. Auch er wird aber inszenatorisch wie schon vorher Ben Tramer mit Michael Myers verglichen, indem er das Bildfeld mit dem unter einem Leinentuch hochkommenden Oberkörper betritt und noch einmal eine letzte Rückkehr des Slashers vermuten lässt. (In "Halloween II" werden also gleich zwei love interests als Michael-Myers-Doubles in Szene gesetzt. Ganz so wie in "Halloween" zwei kläffende, röchelnde Todeslaute – des Wachhundes und Lyndas – als echte oder zumindest scherzhaft imitierte Lustlaute fehlgedeutet werden; oder ganz so wie Myers in "Halloween" mit der Maske des Lovers seiner Schwester oder mit der Brille von Lyndas Freund an die Sexualpartner seiner Opfer angeglichen wird.)
Aber "Halloween II" baut keinesfalls das Gedankengebäude des Originals stimmig weiter aus, sondern wird – zugleich überambitioniert und inkonsequent – an seinen wichtigen Stützpfeilern sägen. Denn "Halloween II" intensiviert die Koppelung beider Figuren maximal, indem er Laurie Strode auch noch als Schwester von Michael Myers ausweist: Sie selbst – die damit ebenfalls wie Michael Myers ein Kindheitstrauma zugeschrieben bekommt, das ihren vergleichsweise harmlosen Knacks halbwegs erklären könnte – erinnert in einer (in all ihrer Prägnanz doch etwas unfreiwillig komischen) Traumsequenz offenbar die entsprechenden Enthüllungen ihrer Adoptivmutter und die erste Begegnung mit einem jugendlichen, inhaftierten Michael Myers, derweil dieser in einem leeren Klassenzimmer auf der Kinderzeichnung einer vierköpfigen Familie genau der Schwesterfigur ein Messer in den Leib rammt. Dr. Loomis' Kollegin Marion Chambers wird diese Andeutungen bald darauf mit harten Fakten unterfüttern.
Aber hier geht "Halloween II" den entscheidenden Schritt zu weit, denn anstatt mit der stärkeren Angleichung von Täter und Opfer den Subtext weiter auszubauen, wird dieser vielmehr beiseite geschoben von einer – zwar abstrakt bleibenden – Familiendrama-Geschichte, insofern Michael Myers nun ein etwas anderes Opfer-Schema zu verfolgen scheint. Er ist nicht mehr der Stalker und Voyeur, der sich an die junge Frau – so alt wie die einst von ihm ermordete eigene Schwester – und ihre Freundinnen heftet, nachdem sie an der Türschwelle seines Elternhauses aufgekreuzt ist, sondern er ist nunmehr eine Mordmaschine, die mit dieser einen Zielfigur vor Augen allerlei Zufallsopfer meuchelt: Ärzte, Krankenschwestern, Polizisten... also genau jenem Milieu der Erwachsenen entstammend, für dessen Lustfeindlichkeit er in "Halloween" noch symbolisch einstand; eine Lustfeindlichkeit, die sich oft auch in Gestalt schwarzer Pädagogik präsentiert, der früh in "Halloween II" ein kleiner Junge zum Opfer gefallen ist, dem sein "trick or treat" offenbar eine Rasierklinge in den Süßigkeiten bzw. im Mundwerk eingebracht hat... und zu der bekanntlich – im englischsprachigen Raum – der Bogeyman gehört: "[Er] ist eine ziemlich unangenehme Art von Gespenst, das sich ein Vergnügen daraus macht, Menschen zu quälen und zu erschrecken. Man glaubte in England, wo seine Heimat ist, daß diese Geister die Macht hätten, Kinder zu stehlen. Daraus entstand eine in weiten Kreisen oft wiederholte Warnung der Eltern an ungezogene Kinder: 'Du hörst besser auf, sonst holt die dich der Bogie-Mann!'"[1] Mit diesem schwarz-pädagogischen, lustfeindlichen Erziehungskonzept wird Myers in den letzten Dialogzeilen (von Laurie Strode und Dr. Loomis) von "Halloween" identifiziert: "'It was the Bogeyman.' 'As a matter of fact it was.'"
Und zugleich wirkte diese Identifizierung natürlich wie ein Wink mit dem Zaunpfahl, der eine Übernatürlichkeit Myers' behauptete – passend zu seinen überraschenden Kenntnissen und Fähigkeiten, die er sich trotz 15jährigem Klinikaufenthalt zugelegt hatte, und passend zur scheinbaren Unverwundbarkeit, die ihn in "Halloween" nach Stichen, Schüssen und Fenstersturz doch entkommen lässt. Und auch diese Andeutung wird in "Halloween II" intensiviert...
Michael Myers überlebt hier mehrere weitere Schüsse inklusive Kopfschuss – und kann (in einer Anlehnung an Dario Argentos giallo "Profondo Rosso" (1975), dessen elegante Subjektiven Carpenters "Halloween" geprägt haben dürften) eine Frau in siedendem Wasser ertränken, ohne sich dabei die eigene Hand zu versehren. Gleicht er mit seinem Auftritt als unaufhaltsame Mordmaschine mehr einem im Mai 1981 erstmals mordenden Jason Vorhees, so nimmt er mit seiner hier nunmehr endgültig unnatürlichen Unverwundbarkeit dessen Werdegang in späteren Sequels vorweg. Er ist – Dr. Loomis und Laurie Strode hatten offenkundig recht – hier tatsächlich der Bogeyman, der "dem Teufel als Gehilfe[] dient[]"[2], aber der Film findet eine neue Gestalt der Folklore, mit der er nunmehr in Zusammenhang gebracht wird: Im Klassenzimmer, in dem die bereits erwähnte, aufgespießte Kinderzeichnung liegt, hat Myers mit Blut den Namen Samhain an die Tafel geschrieben. Samhain, das Gegenstück zum heidnischen Frühjahrsfest Beltane, war das keltische Toten- und/oder Sommerendenfest, das – auf denselben Termin fallend – als Ursprung von Halloween gilt und mit der Vertreibung böser Geister, der Heimkehr der Toten, der Wahrsagerei sowie mit Blutopfern in Verbindung gebracht wird; teils wurde Samhain – in der Sekundärliteratur ebenso wie in der Populärkultur, etwa der Real Ghostbusters-Folge "When Halloween Was Forever" (1989) – als keltischer Totengott selbst identifiziert, was als mittlerweile widerlegte Deutung gilt. Dr. Loomis selbst erklärt in "Halloween II" angesichts des Schriftzuges: "Samhain. That means 'The Lord of the Dead', the end of summer. The festival of Samhain, October 31st."
Weshalb schreibt Myers "Samhain" an die Tafel? Will er in heidnischer Tradition ein Blutopfer darbringen (womöglich gar, um die Zukunft enthüllt zu bekommen)? Ist er der Totengott Cenn Crúach, der zu Samhain Blutopfer fordert? Ist er – nach fälschlichem Irrglauben – der vermeintliche Totengott Samhain? In Verbindung mit seiner nicht mehr natürlich zu erklärenden Übernatürlichkeit mag solch eine Dämonisierung konsequent erscheinen, bringt aber alles andere als Mehrwert mit sich... Noch mehr Ratlosigkeit wird Dr. Loomis' Bezugnahme auf Samhain mit sich bringen, denn Loomis weiß genau: "Samhain isn't the evil spirits. It isn't goblins and ghosts or witches, it's the unconscious mind. We're all afraid of the dark inside ourselves." Er, der im Vorgänger vom personifizierten Tod und vom Bogeyman gesprochen hat und in "Halloween II" kein bisschen weniger fanatisch auftritt, weist den Aberglauben hier vollständig zurück und entlarvt den eigenen Geist mit seinen Untiefen als den eigentlichen Dämonen. Und noch verwirrender: Er selbst ist es, der nach seiner Erzählung von Feuertod-Opfern der Druiden an Geisteskranken und anderen im Finale den ausgebrochenen Insassen eines Sanatoriums dem Flammentod zuführt (dem er auch sich selbst bereitwillig hingibt).
"Halloween" erzählte noch ziemlich geschickt von der Konfrontation zweier angeknackster Figuren, die auf Sexualität ganz unterschiedlich ungesund reagieren, wobei Laurie Strode ihre Angst im Rahmen dieser Konfrontation überwinden wird; und "Halloween" erzählte aber eben auch von einer Lust- und Lebensfeindlichkeit, die in der Erwachsenenwelt mit ihrer schwarzen Pädagogik herrscht.
"Halloween II" indes greift alle Andeutungen auf, baut sie in unterschiedliche Richtungen weiter aus, reißt aber dabei das Grundgerüst selbst weitgehend ein: Er bindet die Traumata enger aneinander, legt das Dämonische weiter an, verliert aber das Symbolische weitgehend aus den Augen (obwohl er auf Symbolisches setzt, aber dabei in einzelne, unverbindliche wie unverbindbare Punkte zerfällt) und verfolgt auch den sexualpathologischen Aspekt unzulänglich weiter. Laurie Strode und Jimmy wirken – gerade im Wissen um den Television Cut mit seinem alternativen Ende – wie ein nicht zum Ende gedachter, vorzeitig fallengelassener Ansatz; "Mr. Sandman" gibt zwar gleich eingangs ein Thema vor, das Laurie, wie man sie aus dem ersten Teil kennt, unmittelbar betrifft, aber dann darf Laurie nur agieren, indem sie vor Michael Myers flüchtet, indem ihn bekämpft – oder indem sie im Krankenbett dahindämmert und nicht einmal in ihren Traumsequenzen von ihren Traummännern träumt.
Eine Szene gibt es noch, in der immerhin Michael Myers Lebensfeindlichkeit zugleich als Lustfeindlichkeit erscheint: Als eine Krankenschwester mit ihrem Kollegen im hauseigenen Pool intim wird, ermordet Myers wie gehabt den kurz (bzw. endgültig) abtretenden Mann, um dann die Frau zu morden, die ihn – wie Lynda ihren Freund in "Halloween" – für den zurückgekehrten Partner hält. Und Michael legt ihr von hinten erst sanft die Hand auf den Nacken, lässt ihre Streicheleinheiten und das Küssen seines Daumens zu – um erst zu morden, als sie sich umblickt und ihn entsetzt ins Gesicht bzw. die Maske schaut. Ansonsten vertraut "Halloween II" darauf, dass die Annie-, Lynda- und Laurie-Struktur hier weiterwirkt – und über diesen einen Mord eines Pärchens als beibehalten gelten kann –, lässt Myers aber ansonsten eine Reihe unmotiviert wirkender oder rein zweckmäßiger Morde begehen, die keinerlei Schema mehr aufweisen, sich verstärkt gegenüber Zufallsopfern ereignen und deren Lebensfeindlichkeit nicht mehr als Lustfeindlichkeit auftritt, sondern sich auch gegen das geordnete, seinerseits lustfeindliche Milieu der Erwachsenen richtet. Als nahtlos anschließendes Sequel profitiert "Halloween II" kaum vom Original, sondern läuft eher Gefahr, dieses im Nachgang zu verwässern, zu entstellen.
Immerhin sind die Details, die sich zu keinem sinnigen Ganzen mehr fügen, oftmals recht gut gelungen: Der mit einer durchs Auge in den Schädel gerammten Spritze ermordete Arzt wird von einer kurz darauf sterbenden Krankenschwester im Drehstuhl vor seinem Aquarium aufgefunden wie einst Norman Bates' Mutter von Lila Crane, die dann ebenso hinterrücks attackiert wurde wie nun ebendiese Krankenschwester. "Halloween II" weist hier auf einen Slasher-Urahn zurück und verweist zugleich auf seinen Vorgänger, der ebenfalls "Psycho" zitierte. (Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass Marion Crane einst von Janet Leigh gespielt wurde, der Mutter von Jamie Lee Curtis, die ihrerseits zwischen "Halloween" und "Halloween II" noch in zwei weiteren Slasher-Klassikern mitspielte.) Die Konstellation zwischen Leichnam, Täter und Opfer ist hier indes – weit mehr als bei der "Psycho"-Anspielung in "Halloween" – eine völlig andere; die Gleichartigkeit besteht – und das ist bezeichnend für dieses Sequel – allein auf der Oberfläche.
Und nicht nur das: Mit der Attacke auf das Auge, die fast auch der zu ermordenden Krankenschwester droht, verweist der Bogeyman noch auf einen ganz anderen Butzemann der schwarzen Pädagogik... auf den immerhin auch im Titel- und End-Song besungenen Sandmann, von dem es in E. T. A. Hoffmanns klassischer phantastischer Erzählung "Der Sandmann" (1816) hieß: "Das ist ein böser Mann, der kommt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett' gehen wollen und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, daß sie blutig zum Kopf herausspringen, die wirft er dann in den Sack und trägt sie in den Halbmond zur Atzung für seine Kinderchen; die sitzen dort im Nest und haben krumme Schnäbel, wie die Eulen, damit picken sie der unartigen Menschenkindlein Augen auf."[3] Aber das ist dann doch nur ein glücklicher Zufall, der nirgends hinführt, ist doch der Arzt ausgerechnet die am stärksten im geordneten Erwachsenenmilieu verankerte Figur; und werden doch im Finale (wieder einmal) auch Myers' eigene Augen attackiert, durch die auch in diesem Sequel das Publikum früh im Film (und späterhin nochmals) in point of view-Einstellungen blickt.
Gar nichts, so muss man am Ende ernüchtert feststellen, ergibt hier noch Sinn; alles ist bloß noch sinnentleerte Begebenheit. Wie die denkbar simple Handlung selbst, die von Anfang an ohne jeden Aufbau auskommt, episodenhaft Mordszenen vermengt und ganz grundsätzlich an der höchst sonderbaren Prämisse eines scheinbar nahezu menschenleeren Krankenhauses krankt. Wo "Halloween" noch zwei alternative Lesarten anbot, die von unterschiedlichen Bewältigungen einer gestörten Beziehung zur Sexualität bzw. symbolisch von einer Lebens- und Lustfeindlichkeit der geregelten Erwachsenenwelt handelten, da berücksichtigt "Halloween II" zuwenig das Sexualpathologische und das Symbolische der schwarzen Pädagogik, baut zwar entsprechende Details ein, bindet sie aber nicht aneinander, derweil die Familiendrama-Pointe und die deutlichere Dämonisierung (auch über keltische Halloween-Ursprünge, Totenfeste und Totengötter) den Film beinahe auseinanderreißen. So ist "Halloween II" leider ein schlimmes Gestümper zwischen dramaturgisch unbefriedigendem Nummernrevue-Charakter und völlig zerfaserten, nicht in den Griff bekommenen (Semi-)Subtexten; eine Hinwendung zum schablonenhaften Slasher, der gerade seine Hochphase erreicht hat... und als solcher – so hat es nicht bloß John Carpenter 1981 gesehen, dessen wundervoller score aber nach wie vor wieder höchst effektiv ausfällt – leider auch einigermaßen spannungsarm. Und so liegen die Qualitäten letztlich bloß im soliden Handwerk und der Originalbesetzung, stark profitierend vom inhaltlich eng anschließenden Charakter. Das ist schon etwas mehr als das, was einem – Donald Pleasence zum Trotz – die Teile 4 bis 6 bieten sollten. Erst Slasher-Routinier Steve Miner war es mit dem siebten, sich stark an den ersten zwei Filmen orientierenden Teil "Halloween H20" (1998) bei allen inhaltlichen und formalen Verschiebungen vergönnt, qualitativ wieder näher an Carpenters unerreichtes Original zu rücken, was ein bis zwei Dekaden später auch dem Reboot/Remake-Duo von Rob Zombie bzw. dem Reboot/Sequel von David Gordon Green gelingen sollte. (Ironischerweise war es dann wieder Rosenthal, der mit dem Sequel zu Steve Miners Film erstmals seit "Halloween II" einen Halloween-Film drehte; und diesen gehörig versemmelte und den wohl schwächsten Teil der insgesamt recht durchwachsenen Reihe ablieferte.)
5,5/10
1.) Peter Haining: Das große Gespensterlexikon. Ullstein 1983; S. 29-30.
2.) A. a. O.: S. 30.
3.) E. T. A. Hoffmann: Nachtstücke. Klein Zaches. Prinzessin Brambilla. Werke 1816-1820. Deutscher Klassiker Verlag 1985; S. 13.