Review
von Leimbacher-Mario
Die Puffmutter des Nazisploitation
Darf man über KZs und die unsagbaren Verbrechen Naziseutschlands lachen? Und geschieht das in einem derart überzogenen, comichaften „Schund“ wie „Ilsa - She Wolf of the SS“ überhaupt? Zu beiden Fragen habe ich keine total klare Antwort (mehr), gerade weil „Ilsa“ diese einst feststehenden Werte und Grenzen gnadenlos einreißt... Erzählt wird von einem abgeschiedenen Konzentrationslager, in dem die titelgebende Kommandantin grausame Experimente an den Insassinnen durchführt und die Männer als ihre Sexsklaven nächtlich zu sich ruft - bis sie auf einen mehr als standfesten Amerikaner trifft und sich ihr Niedergang abzeichnet, sich die sexuellen Abhängigkeiten drehen...
DAS IST KEIN SCHNITZELBANK!
„Ilsa“ ist in etwa Softcore meets „The Great Escape“ in billig, Torture Porn küsst Nazisploitation, Kult trifft schlechten Geschmack. Ein perverses Bahnhofskino-Schmuddelstück, das kaum legendärer kommen kann. Dyanne Thorne spielt die diabolische Aufseherin ikonisch gut, die Kulisse wurde von einem wesentlich teureren Hollywood-Kriegsfilm wiederverwertet, die Szenen wechseln feuchtfröhlich und gnadenlos geschmacklos zwischen Sex und Folter, zwischen Lecken und Reinstecken, zwischen Peitschen und (abgeschnittenen) Pullermännern, zwischen Leiden und Lenden. „Ilsa“ ist schon ein Kracher und nicht umsonst ein Urgestein seiner fragwürdigen Richtung. Für Mitte der 70er (!) war das definitiv schon harter Tobak, egal wie drüber und kaum ernst zu nehmen sich das alles darstellt. Erst recht, weil es solche Experimente, Psychopathen und Misshandlungen ja wirklich gab, wenn auch wohl nicht derart konzentriert, was immer einen unangenehmen, enorm schmutzigen Beigeschmack hinterlässt. Aber auch das gehört dazu. „Ilsa“ lässt keinen kalt und ist noch immer eine Skandalnudel für sich. Selbst wenn man natürlich mittlerweile Schlimmeres und Härteres und weniger Augenzwinkerndes gewohnt ist. Dennoch: „Ilsa“ und ihre zwei Kanonenkugeln werden immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben. Unangenehm und brachial. Schlecht und doch irgendwie genial.
Fazit: fies, flach, furios, feurig - ein Grindhouse-Urgestein, das seiner Reputation weitestgehend gerecht wird. Schlechter Geschmack „richtig gemacht“?! Thema, Setting, Hintergrund, Wahrheit - alles eigentlich nichts, worüber man auch nur schmunzeln kann. Und dennoch ist „Ilsa“ ein großer, perverser Spaß. Auch 'ne Kunst. Sogar mit feministischen Vibes unter all dem Schmodder. Das Gegenteil von künstlerisch wertvollen Schweinereien derselben Gattung wie „Salo“ oder „The Night Portier“ - aber wesentlich unterhaltsamer und kurzweiliger... Ein schwarz-rot-goldener Schauer.