Review

Wie(so) man Ilsa gucken kann, ohne ausschließlich Scham zu empfinden

Irgendwann zur Zeit von "Film Socialisme" (2010) sorgte unter Cineasten die Meldung für Furore, Jean-Luc Godard wolle einen Film über den Holocaust drehen; ausgerechnet Godard, der wegen scharfer und nicht immer geschmackvoller Israel-Kritik seit 1967 - Stichwort: Nazisrael! - immer wieder dem Verdacht des Antisemitismus ausgesetzt war und in seinem Beitrag "Dans le noir du temps" in "Ten Minutes Older: The Cello" (2002) den Holocaust über die verzögert wiedergegebene Archivaufnahme eines davongetragenen, abgemagerten Leichnams bei stiller Tonspur als dasjenige thematisierte, wovon man im Sinne Wittgensteins nicht sprechen könne und worüber man folglich schweigen müsse - was sich aber aber zeige: als Gefühl bei Wittgenstein, als Gefühle auslösendes Bild im Kino, als Bild unfassbarer Trauer, unfassbaren Schreckens bei Godard. Lanzmanns bis heute unerreichter Dokumentarfilm "Shoah" (1985) zeigt Sprechen und Schweigen von Tätern und Opfern gleichermaßen in teilweise schwer erträglichen Bildern, in denen Tränen, das Ringen um Sprache, die Ratlosigkeit in Gestik und Mimik angesichts eines ungeheuerlichen Verbrechens und erlebten Leidens keinesfalls weniger einen Zugang zu den Konzentrationslagern ermöglichen als die verbal vermittelten Infos über die Ausübungen der Gewalt oder die Aufnahmen der einstigen Lager. Lanzmann zeigte nur die Gegenwart (gealterte Opfer, gealterte Täter, gealterte Tatorte) und ließ über das Vergangene berichten, Godard zeigte das Vergangene in Archivaufnahmen und schwieg darüber - zumindest 2002, nicht aber (beispielsweise) 1989 in "Histoire(s) du cinéma: Toutes les histoires", als er den Werdegang der Regielegende George Stevens zwischen seinen dokumentarischen Arbeiten in Auschwitz und Ravensbrück und seinem Meisterwerk "A Place in the Sun" (1951) anschnitt.
Dagegen bieten die - nicht von Zeitzeugen stammende - Kommentierung von Archivbildern, die Nachstellung des Vergangenen und ganz besonders eine teils fiktionale Narration samt konventionellen Spannungsdramaturgien eine weit größere Angriffsfläche als die bloße Auswahl und Montage des vorhandenen Materials. (Und Angriffe - berechtigte und weniger berechtigte - gab und gibt es bei diesem Thema zuhauf; berüchtigt ist etwa das Debakel von Philipp Jenningers Gedenkrede im November 1988 angesichts der Novemberpogrome 1938: die Wahl des Begriffs 'Faszinosum' und das Stilmittel der erlebten Rede reichten aus, um letztlich - in Verbindung mit Missverständnissen und einem Nicht-Verstehenwollen - Jenningers Rücktritt zu bewirken. Und symptomatisch war vor wenigen Jahren, dass man Eva Herman wegen ihrer in der Tat befremdlichen Äußerungen über Werte im Dritten Reich lieber aus der Talkshow Kerner herausschmiss, anstatt sich noch intensiver um einen konstruktiven Dialog mit ihr zu bemühen.
Unter den - weitestgehend als seriös geltenden - Filmemachern erlebte beispielsweise Hans Jürgen Syberberg mit seinem umstrittenen Hitler-Film "Hitler - Ein Film aus Deutschland" (1977) erheblichen Gegenwind: wenngleich er sich die Bewunderung durch Susan Sontag und Francis Ford Coppola zuziehen konnte, stieß die spärliche Behandlung der Opfer des Nationalsozialismus im immerhin siebenstündigen Ungetüm von Film in ihrer Verbindung mit der verführerischen Einfühlung in das romantische, irrationale, faschistische, nationalsozialistische Denken samt der alles durchflutenden Wagner-Musik und dem Wettern gegen sogenannte "linke KZ-Pornos"[1] - zu denen Syberberg keinesfalls (bloß) Salò zu zählen scheint, sondern vielmehr das, was später von Norman Finkelstein als Holocaust-Industrie bezeichnet worden ist - hierzulande auf Irritation und Unmut, für den es 1977 jedoch weit weniger Grund gab als 1990, als Syberberg ausgerechnet bei Matthes & Seitz seine Schrift "Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem letzten Kriege" veröffentlichte, in welcher er unter anderem vom "Fluch der Schuld [...] in unseliger Allianz einer jüdisch linken Ästhetik gegen die Schuldigen"[2] faselte und sich damit endgültig ins Abseits schoss.) Das beste Beispiel der jüngeren Zeit war sicherlich "Schindler's List" (1993): ausgerechnet Steven Spielberg, der in "Indiana Jones and the Last Crusade" (1989) noch Nazis in comichafter Überzeichnung präsentierte, verfilmte nun (übrigens nachdem Martin Scorsese das Angebot der Regie mit dem Argument, ein jüdischer Regisseur solle Regie führen, ablehnte) die Ereignisse um Oskar Schindler und sah sich dann manchmal dem Vorwurf ausgesetzt, antisemitische Klischees zu reproduzieren... und Godard reagierte etwa in "Eloge de l'amour" (2001) - mit dem er seinerseits erneut Antisemitismus-(& Antiamerikanismus-)Vorwürfe auf sich zog - mit heftiger Polemik auf solch einen vermeintlichen Ausverkauf des Holocausts im Spielfilm. Und für Lanzmann war "Schindler's List" ohnehin ein melodramatischer Kitsch, der zu allem Überfluss auch noch die unnötige Perspektive eines Deutschen wähle. (Polanski, der die Regie seinerzeit auch ablehnte, weil er sich dem Holocaust, dem er beinahe selbst zum Opfer fiel, noch nicht filmisch annähern mochte, wählte einige Jahre später in "The Pianist" (2002) durchgängig die Perspektive des polnischen, jüdischen Pianisten Wladislaw Szpilman.) Dabei lag die Intention Spielbergs, welcher sogar auf die Gage verzichtete, auf der Hand - und mittlerweile (bzw. spätestens seit den TV-Ausstrahlungen mit dem öffentlich diskutierten, vollständigen oder teilweisen Verzicht auf Werbeunterbrechungen) überwiegen dann auch die wohlwollenden Besprechungen deutlich, wenn auch der mitunter unpassend rührige Soundtrack John Williams' hin und wieder bemängelt wird.
Die löbliche Intention (über die sich ohnehin bloß mutmaßen lässt) hilft generell natürlich wenig, wenn das Endergebnis problematische Aspekte aufweist: bei Spielberg wurde etwa - zu Recht oder zu Unrecht - darüber debattiert, ob das Bild der Juden und der (sich selbst für Arier haltenden) Nazis in seiner Dichte bestimmter Typen eher der Wirklichkeit oder eher dem Klischee zuzurechnen war. (Eine eindeutige Antwort dürfte freilich kaum zu finden sein.) Oder darüber ob einige dramaturgische Freiheiten vertretbar wären. Oder darüber, ob der Film beschönigend sei, wie es etwa eine Zuschauerin in Tel Aviv beurteilte, die einst zu den von Schindler vor dem Schlimmsten bewahrten KZ-Insassinnen zählte.[3] Aber selbst wenn die konkreten Aspekte fehlen, an denen man einen Vorwurf anbringen kann, lässt sich bereits die Form des Spielfilms kritisieren: wenn bereits Diskussionen darüber existieren, ob oder unter welchen Umständen Antikriegsfilme möglich sind oder ob sie nicht doch eher Kriegsfilme wären, dann verschärfen sich die Positionen noch, wenn es darum geht, ob der Holocaust über eine Spielfilmhandlung mit ihrer Mitleid und Spannung erzeugenden Dramaturgie thematisiert werden sollte (oder gar: dürfte). Gerade wenn es um Komödien geht, dann stellt sich seit Chaplins "The Great Dictator" (1939) immer wieder die Frage, ob man über solch ein Thema lachen dürfe. Auch die Frage, ob man die Verbrechen innerhalb der Gaskammern inszenieren dürfe, erregt seit langem die Gemüter - und auch hier stehen sich wieder Lanzmann, der überliefertes Bildmaterial für unnötig oder gar vernichtenswert hält, und Godard, der mit Vorliebe auf Archivmaterial zurückgriff, gegenüber. Und jüngst brachte sich Uwe Boll sehr polterig mit seinem "Auschwitz" (2011) ins Gespräch, der sich ganz bewusst dieser Diskussion entzog und einfach machte, was man womöglich besser nicht machen sollte: die Verbrechen ganz direkt und ungeschönt zeigen, zudem noch als relativ banalen Alltag in den Lagern; und dabei stets in jeder Einstellung auf den Skandal abzielend, der reichlich Werbung liefert. Empörend ist nicht so sehr diese billige Masche (die nochmals unterstrichen wird durch den erzieherischen Gestus, den der Film sich in Prolog und Epilog zuspricht), sondern vor allem auch der Umstand, dass Boll seinen Streifen quasi parallel zu seinem "Bloodrayne: The Third Reich" (2010) anfertigte. In dieser kommerziellen Verwertungslogik liegt ein dritter umstrittener Punkt: Geht es dem Film, gerade auch dem Spielfilm und - ganz besonders - dem für seine überwiegend konventionelle & kommerzielle Ausrichtung berühmten Hollywoodfilm um die Aufarbeitung, das Gedenken, die Aufklärung oder den Gewinn? Gewiss, Spielberg selbst verzichtete auf die Gage und präsentierte seinen Film als nicht auf die Mainstreamschiene schielendes Kunstprodukt, das in s/w-Bildern samt bewusst eingesetzter Rotfärbung daherkam. (Das wäre dann noch ein vierter Punkt: zumindest seit Pontecorvos - übrigens äußerst unspektakulärer! - Kamerafahrt auf die im Stacheldraht hängende Leiche Tereses (Emmanuelle Riva) in "Kapo" (1959) und Jacques Rivettes - ungewöhnlich heftiger - Kritik an diesem inszenatorischen Einfall hat auch die alte Diskussion über die Beziehung von Ethik & Ästhetik in die Debatte um den Holocaust-Film Eingang gefunden.) Aber was ist mit der restlichen Crew, von der keinesfalls jede(r) auf das verzichtete, was Spielberg blood money nannte - und wofür investierte man später die Einspielergebnisse?

Ob nun eine Skepsis gegenüber Archivbildern an den Tag gelegt wird (wie es bei Lanzmann geschieht), ob die Form des kommerziell orientierten Unterhaltungsfilms abgelehnt wird (wie Godard es handhabt) oder ob ein emotionaler Zugang angestrebt wird (wie bei Spielberg), ob eine zu wenig drastische Form der Darstellung kritisiert wird (wie bei Boll) oder ob eine zu kunstvolle, schöne Inszenierung attackiert wird (wie in Rivettes Pontecorvo-Kritik): Fernab reiner Logik wird es neben letztlich unbeweisbaren Thesen immer auch letztlich unbeweisbare Gegenthesen geben - und mit guten Gründen kann kaum eine Inszenierung der (hoffentlich produktiven) Kritik entgehen. Für die Behandlung des Holocausts gilt das ganz besonders: angesichts des Ausmaßes des Verbrechens wachsen auch - noch nach Jahrzehnten! - die Empörung und die Heftigkeit beim Debattieren. Die durchaus angebrachte Empfindlichkeit - die keineswegs mit Überempfindlichkeit zu verwechseln ist! - führt jedoch nicht bloß dazu, dass etwa äußerst detailliert auf die konkrete Wortwahl der Beteiligten Diskussionspartner eingegangen wird (etwa im Fall von Eva Hermans Wahl des Wortes der 'gleichgeschalteten Presse'), sondern auch dazu, dass manche Debatten schnell ins Persönliche rutschen; diese persönlichen Vorwürfe, die weniger an einer konstruktiven Diskussion, sondern vielmehr an einer gezielten Diffarmierung - der mal mehr, mal weniger förderliche Vorlagen vorausgegangen sind - interessiert sind, folgen bisweilen eher den Regeln der Ökonomie und weniger dem moralischen Empfinden: als Udo Kier 1993 im Gespräch mit Herlinde Koelbl - in seiner Wortwahl ungeschickt - äußert, dass in Hollywood "die Filmindustrie [...] in jüdischer Hand ist"[4], kam es nicht ansatzweise zu solchen Skandalen, wie sie etwa weit bekanntere Stars & Filmemacher wie Marlon Brando oder Jean-Luc-Godard mit ähnlichen Aussagen erregt haben.
Beim exploitativen Nazilagerfilm muss man zumindest in einer Hinsicht gar nicht erst diskutieren - dass hier ein Thema ausgeschlachtet wird, um daran sein blood money zu verdienen, liegt auf der Hand: Und wenn das Spekulieren auf Spannung, auf Schocks, auf Gewaltdarstellung oder - vermutlich noch unangemessener (da noch willkürlicher) - nackte Haut unverschleiert zutage tritt, wenn also das Abzielen auf den kommerziellen Erfolg recht deutlich an vorderster Stelle steht, dann relativiert dieser Umstand, relativiert diese Haltung jede Aussage - sei sie auch noch so begrüßenswert - erheblich. Die exploitativen Nazilagerfilme waren - wie grundsätzlich jeder Exploitationfilm - heuchlerisch und unglaubwürdig, reißerisch und unsensibel; in ihnen konnte bei halbwegs vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten allenfalls Spannung oder Ekel erzeugt werden, in einigen Fällen sogar - zumeist über die Musik! - ein Gefühl der Trauer erweckt werden, das dann aber spätestens in den besonders exploitativen Nummern schnell wieder einem Unverständnis angesichts des haarsträubenden Umgangs mit der Geschichte weichen musste.
Gerade zu einer Zeit, in der überlebende ehemalige KZ-Insassen oder deren Kinder, Groß- & Urgroßkinder - die deren Erlebnisberichte noch direkt erzählt bekommen konnten! - noch leb(t)en, muss(te) ein Film wie "Ilsa - She-Wolf of the SS" ganz besonders geschmacklos wirken; und es verwundert nicht, dass sich (nicht nur) der Produzent recht verschämt hinter einem Pseudonym verborgen hat: David F. Friedman, der unter seinem Namen bereits die nudies und Splatterfilme H. G. Lewis' produziert hatte ("Living Venus" (1961), "Blood Feast" ("1963)), nannte sich nun Herman Traeger (und verweist in einer einführenden Texttafel darauf, dass alles auf wahren Ereignissen und Personen basiere, wenngleich diese aus dramaturgischen Gründen anders zusammengefügt worden wären), Drehbuch-Co-Autor John C.W. Saxton, der später die Bücher für die Thriller "Happy Birthday to Me" (1981) & "Class of 1984" (1982) schrieb, wurde gar nicht mehr namentlich genannt (wie auch einige der Kleindarsteller(innen) - z.B. Russ Meyer-Star Uschi Digard). Und ob der Schnitt tatsächlich von einem (ansonsten vollkommen unbekannten) Kurt Schnit (!) erstellt worden ist, ist fraglich. "Ilsa - She-Wolf of the SS" ist sich seines geschmacklosen Tabubruchs durchaus bewusst, der auch dadurch nicht weniger problematisch wird, dass vergleichbare Phänomene in Groschenheft-Form schon seit einigen Jahren auch in Israel existierten: nicht allein deshalb, weil man in Israel zwangsläufig in einem anderen Verhältnis zur Massentötung stand als in Kanada oder den USA, sondern auch deshalb, weil der Antisemitismus in "Ilsa - She-Wolf of the SS" nahezu gar keine Rolle spielt - stattdessen präsentiert der Film ein Bild des generell sexualpathologischen, sadistischen Nazis (wenn nicht gar: Deutschen), wobei er sich vor allem an seine an Ilse Koch und Irma Grese angelehnte Hauptfigur Ilsa hält.
Da der Film zudem in seiner Inszenierung trotz des gelegentlichen Bemühens um einen möglichst elegant schweifenden Kamerablick recht schwach ausgefallen ist und bloß daran interessiert zu sein scheint, seine Softsex-Szenen und die - zugegebenermaßen von Joe Blasco (der auch im Sequel und in den ersten Cronenberg-Kinofilmen für Make-Up-Effekte verantwortlich war) wirkungsvoll umgesetzten - derben Gewaltexzesse festzuhalten, drängt sich die Frage auf, inwiefern dieses "[b]lutrünstige[] Horrorcomic ohne Sinn und Verstand"[5] dennoch in der Lage ist, jenen Reiz zu entfalten, der diesen womöglich umstrittensten aller Skandalfilme des Exploitation-Sektors bei Trashfans nahezu jedweder politischen Couleur bis heute am Leben erhält.

Im Skandal selbst liegt selbstverständlich der Hauptgrund: Was skandalisiert wird, erregt Interesse... und wenn Sexszenen und Splatterszenen (ganz besonders, wenn sie vermengt werden) ohnehin schon zu den verbreitetsten Blickfängern des Exploitationfilms zählen, dann ist ihre explizite Verknüpfung mit einer Ideologie - und zwar ganz besonders mit einer verpönten Ideologie, die mit etlichen Symbolen und Insignien, mit bedeutungsschwangeren Oberflächenreizen so eng verbunden ist, wie kaum eine andere - umso skandalöser & aufsehenerregender, da sich zum gewagten Motiv noch eine fragwürdige Motivation gesellt. Die Verbindung von sexueller Gewalt und Nationalsozialismus, die in den 70er Jahren - vor allem in Italien - die Leinwände unsicher machte und sich zunehmend von durchaus ambitionierten Autorenfilmen in Richtung Exploitation verlagerte, basierte auf den unterschiedlichsten Beweggründen, die von psychologischen Studien masochistischer Lust über Bebilderungen einer neuartig rekonstruierten Tätermentalität bis hin zur kritisch-abwertenden Überzeichnung der jungen Konsumgesellschaften reichten. Zwar war der oberste Beweggrund der Exploitationfilme stets die kommerzielle Verwertbarkeit, aber eine Stoßrichtung, die auch viele der seriöseren Vertreter aufwiesen, ließ sich in nahezu all diesen Filmen bemerken: die naheliegende Überzeichnung des Nazitäters, die eine ideologisch motivierte Bedrohung in die lustvoll um ihrer selbst Willen ablaufende Zerstörung von Körpern und Würde umformte.
"Ilsa - She-Wolf of the SS" ist da nicht nur keine Ausnahme, sondern ein Extrembeispiel: Die Geschichte der (nicht nur) im Rahmen medizinischer Experimente folternden Nazigröße Ilsa, die ihre Liebhaber vor allem unter den Gefangenen des Lagers 9 findet, um sie jeweils im Anschluss kastrieren zu lassen, bis ihr ein Amerikaner - der mit einem kleinen Kniff der postkoitalen Erschlaffung und damit auch der Kastration entgeht - als potentester Widersacher das Handwerk legt, gehört im Exploitationsektor zu den radikalsten Vertretern, die sexualpathologische Störungen zur unausweichlichen Begleiterscheinung des Nazi-Seins erklärten. Sogar die medizinischen Experimente an Menschen, die (nicht nur) bei den Nationalsozialisten zutiefst unmoralisch dem Gebot der Effektivität folgten, geraten Ilsa zur lustvoll ausgelebten Folterei, die bisweilen Show-Charakter annimmt - wie beim Auspeitsch-Wettkampf! -, kein bisschen ergebnisorientiert verläuft, dafür aber umso mehr der & den Folternden großen Spaß bereitet, was sich am deutlichsten zeigt, wenn die Folterinstrumente selbst aus dem Bereich der Sexspielzeuge kommen (wie der unter Strom gesetzte Dildo). Dort, wo der Gewaltakt nicht mehr nur im Kampf erfolgt und auch nicht einzig der Beseitigung von Personengruppen dient, sondern kühl berechnend und penibel vorgehend möglichst genaue und verwertbare Informationen liefern soll, muss der Lustgewinn als hauptsächliche Motivation natürlich einen erheblichen Störfaktor darstellen. Wenn er also sogar auf diesen Gebieten die Oberhand gewinnt, dann ist er erst recht an alle übrigen Belange und Tätigkeiten geknüpft: an die medizinischen Untersuchungen, an die Besichtigung der neu eingelieferten Gefangenen, an die statuierten Exempel, an die gemeinsamen Feiern und die Zusammenkünfte mit anderen Nazis und Gefangenen unter vier Augen... Sadismus und nahezu pausenlose Geilheit treiben in "Ilsa - She-Wolf of the SS" die Nazis um, die nur zu gerne ihre stolz emporgehaltenen Ideale verraten: man nötigt und vergewaltigt bereitwillig jene, die nicht in das Bild des Ariers passen, um ihnen anschließend den Akt als Unverschämtheit vorzuwerfen, man präsentiert sich stolz als mächtiger Herrenmensch und lässt sich anschließend im stillen Kämmerlein ins Antlitz urinieren oder wälzt sich besoffen am Boden einer Baracke. Der Film desavouiert mit Vergnügen das Bild des akkuraten, adretten und fest zu seiner Ideologie stehenden Nazis, indem er seine Täter als derbe, gehässige, verlogene und nicht sonderlich clevere Typen zeichnet: Am Ende muss Ilsa nicht nur sterben, weil sie geil & dämlich genug war, sich von einem Lagerinsassen beim Sex an das Bett binden zu lassen, sondern auch deshalb, weil - vermutlich durch Viscontis "La Caduta degli dei" (1969) beeinflusst![6] - die eigene Seite das angestrebte Image aufrecht erhalten und die insgeheim begangenen Untaten samt allen Beweisen und Beteiligten verschwinden lassen will. Daraus folgt natürlich nicht, dass Ilsa und Konsorten im Film nicht exemplarisch für all die übrigen Nazis stehen würden - was gerade auch durch den Werbeslogan "She committed crimes so terrible... even the SS feared her" vermittelt zu werden scheint -, sondern dass die Verlogenheit auch außerhalb von Lager 9 herrscht; zudem ist auch Ilsas Mörder durchaus  sadistisch veranlagt, beäugt er doch in genüsslicher Ruhe, mit fasziniertem Blick und amüsierten Lächeln die halbnackte, gefesselte Frau, auf welcher der Leichnam einer mit kochendem Wasser malträtierten Insassin liegt (deren Rache sie kurz zuvor noch entgangen war), ehe er ihr in den Kopf schießt (was diesen geradezu zerbersten lässt).

Dass dieser genüsslich beleidigende & verspottende Ton - dessen Respektlosigkeit allerdings auch die Opfer des Nationalsozialismus trifft, die hier ausschließlich als Basis für Schockeffekte eingesetzt werden - geradezu schwarzhumorig anmutet, liegt nicht zuletzt daran, dass "Ilsa - She-Wolf of the SS" als einziges Konglomerat zahlreicher Film-Klischees mit seiner Überbietungstaktik unfreiwillig wie eine satirische Parodie auf diverse Vorbilder wirkt; der Film bündelt nicht bloß die negativsten Eigenschaften früherer Film-Nazis zu einer überzeichneten Karikatur, sondern macht auch derartig exzessiv Gebrauch vom wahllosen Einstreuen deutscher Begriffe - was im US-Kino (im Gegensatz zum osteuropäischen Kino) stets ein zum Scheitern verurteilter Versuch der Authentifizierung war! -, dass es unmöglich ist, den Film nicht als (vermutlich unfreiwillige) Zuspitzung der Klischees & Stereotype aus der Populärkultur zu goutieren: Los!, Schneller!, Jawoll, Herr Kommandant!, Schweinehund! etc. erschallt es in schnöder Regelmäßigkeit, während die Beschriftung der Schilder an Innen- und Außenwänden unter anderem ein dubioses 'Dewachtung' verkündet. Hinzu gesellt sich das Zusammenspiel aus Overacting und Mummenschanz, welches eine heilsame Distanz aufbaut, insofern sich das Geschehen an kaum einer Stelle noch für bare Münze nehmen lässt, sondern immer als die geschmacklose, meist stümperhafte (aber immerhin in den noch vorhandenen Kulissen der Serie "Hogan's Heroes" (1965-1971) gedrehte) Exploitation auftritt, die es letztlich ist. Auch der nicht nur, aber überwiegend gegen die Frauen gerichtete Sadismus, der vor allem von latent homoerotischen Frauen ausgelebt wird, die als mächtige Personen die wenigen Männer, die sie überhaupt quälen, zumeist kastrieren, treibt hier auf die Spitze, was seit zehn Jahren die Sex- & Gewalt-Filme begleitete: Ilsa und ihre Gehilfinnen sind die Nachfahrinnen von den blutrünstigen "Love Goddesses of Blood Island" (1963), von den Satansweibern aus Tittfield ("Faster Pussycat! Kill! Kill!" (1966)), von den "She-Devils on Wheels" (1968), von der lesbischen Dominatrix in "She Mob" (1968) usw., die als homoerotisch ausgerichtete, aber vor allem den Männern zugeneigte Figuren eindeutig zu den Phantasien eines heterosexuellen, männlichen Publikums zählen, gleichzeitig aber als kastrierende Machtmenschen eine Gefährdung des 1974 trotz aller Emanzipation noch recht traditionellen Rollenverständnisses darstellen.[7]
All das macht "Ilsa - She-Wolf of the SS" zu einem zwar reichlich geschmacklosen & hochgradig pietätlosen Streifen, der allerdings dilettantisch genug ist, um einen schwarzhumorigen Reiz auszuüben, und übersteigert genug, um diesen Reiz vor den damals aktuellen Strömungen im Exploitationfilm, aber auch im größer budgetierten Hollywoodfilm und im (vor allem italienischen) Autorenfilm über den Nationalsozialismus und seine sexualpathologischen Vertreter auszustellen, die ihrerseits teilweise auf manchen reißerischen Falschmeldungen fußten, die schon ab 1945 über (beispielsweise) Ilse Koch kursierten. Insofern ist "Ilsa - She-Wolf of the SS" nicht nur ein Sex-Horrorfilm für völlig unpolitische Splatter- & Sexfilm-Fans oder gar für arg rechtslastige Trashfans, die sich an der mangelnden Akkuratesse der Schilderung der Historie - welche sie auf das US-Kino insgesamt ausweiten - erheitern und an der (beinahe) ungehinderten Machtausübung vergnügen, sondern auch ein Film für all jene, die an ihrer Ablehnung nationalsozialistischen Gedankenguts keinen Zweifel lassen möchten und den Film in seiner genüsslich die NS-Täter verspottenden & verhöhnenden Art als respektlosen & rabenschwarzen Gag wahrnehmen. Was Jörg Buttgereit oder Rob Zombie in "Blutige Exzesse im Führerbunker" (1984) & "Der Todesking" (1989) oder "Grindhouse" (2009) & "The Haunted World of El Superbeasto" (2009) unter Rückgriff auf "Ilsa - She-Wolf of the SS" reinszenierten, war hier bereits vorzufinden, wenn man sich nur auf eine camp-Perspektive einlassen kann & möchte, die einen den Film nicht als schockierenden Sex- & Gewalt-Reißer sehen lässt, sondern als derben Scherz über eine abwegige Ideologie und ihre Vertreter, deren Schuld in die Form veräußerlichter Exzesse transformiert und damit als direktere Erfahrung der unmenschlichen Basis ausgestellt wird. Insofern liegen die Schwächen des Films gerade dort, wo die Gewalttätigkeit die Lächerlichkeit der Bilder verdrängt, wo der Film plötzlich wieder als Horrorfilm effektiv wirkt, um zugleich als Verspottung & Schmähung wirkungslos zu bleiben; es sind gerade diese noch heute verstörenden Bilder einer dunkelrot-braun-schwarz gekochten & gebrannten Sterbenden, die mit zerstochenem Auge und blitzendem Messer auf ihre gefesselte Peinigerin zuschwankt, welche so unangenehm & ekelhaft spekulativ aussehen, dass jeder Anstrich schwarzen Humors kurzzeitig völlig verfliegt. Über weite Strecken jedoch lässt sich der Film beinahe anschauen wie eine South Park-Folge: jeglichen guten Geschmack entbehrend, nicht sehr komplex, aber in seinem Spott exzessiv, ausdauernd & heftig.
Das heißt sicher nicht, dass man diesen Film guten Gewissens als einen der sonderbarsten Gipfelpunkte des Exploitationfilms genießen darf - aber dafür, dass doch viele Zuschauer dem Reiz dieses berüchtigten Exploitation-Klassikers mit teilweise schlechtem Gewissen erliegen, gibt es durchaus Gründe. Und dem Reiz verfallen, das kann auch heißen: sich den Film gezielt zu beschaffen & anzuschauen, um sich anschließend darüber auszulassen, wie ungern man das eigentlich getan habe - fast so, wie Ilsa höchstselbst mit manchen Lagerinsassen ins Bett steigt, um diese im Anschluss anzufahren, was ihnen denn einfalle...
7,5/10


1.) Hitler - Ein Film aus Deutschland: Teil 1 - Der Gral.
2.) Hans-Jürgen Syberberg: Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem letzten Kriege. Matthes & Seitz 1990; S. 14.
3.) Trotz dieser bisweilen aufgegriffenen Kritikpunkte konnten es sich zumindest Personen des öffentlichen Lebens nicht unbedingt erlauben, der Premiere des Films fernzubleiben: Helmut Kohl tat genau das und manche Journalistem warfen ihm im Gegenzug ein Desinteresse (nicht bloß am Film, sondern gleich an der gesamten Thematik) vor.
4.) http://www.youtube.com/watch?v=fbiPKTeMwJ4
5.) Marcus Stiglegger: Sadiconazista. Faschismus und Sexualität im Film. St. Augustin 2000; S. 207.
6.) Stiglegger: Nazi-Chic und Nazi-Trash. Faschistische Ästhetik in der populären Kultur. Bertz+Fischer 2011; S. 43-44.
7.) Eine Einschränkung dieser Macht liefert natürlich das Finale und jene Szene, in der Ilsa von einer weiteren Nazigröße zu obszönen Intimitäten genötigt wird, in denen sie bezeichnenderweise aber erneut einen dominanten Part einnimmt: im abgesteckten Rahmen (
des Rollenspiels oder des Spielfilms - so oder so: des Spiels) ist an die Macht der mächtigen Frau keine Bedrohung traditioneller Frauenbilder mehr gebunden.

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