Review

Gesamtbesprechung

Worin liegt es begründet, dass auch der allgemeine Fernsehzuschauer - wie in diesem Fall bei der sehr erfolgreichen Fernsehserie Dr.House - Typen, die er im Normalfall als arrogant und unsympathisch ansehen würde, plötzlich verehrt ?

Ganz profan könnte man festhalten, dass er auf Grund vieler gesehener Folgen, den Menschen hinter der Fassade besser kennen gelernt hat, als ihm das im wahren Leben jemals gelingen würde. Doch damit ist man diesem Typen, den Hugh Laurie überzeugend verkörpert, noch nicht auf der Spur. Denn Dr.House verblüfft immer wieder, mit welcher Konsequenz er sich normalen menschlichen Reaktionen verweigert, wie selbstverständlich er sich für den besten und intelligentesten Arzt hält und wie verletzend er mit seiner Umgebung umgeht. Konventionen scheinen für ihn nicht zu gelten und Regeln sind nur dafür da, gebrochen zu werden. Ein Fakt, der ihn nicht davon abhält, gleichzeitig die genaueste Einhaltung seiner eigenen Regeln von den Anderen einzufordern. Äußerliche Abweichungen vom typischen Arztoutfit sind da noch das harmloseste, bedenkt man, dass er persönliche Begegnungen mit Patienten meidet, um sich so neutral wie möglich den „medizinischen Fällen“ zu widmen – etwas ,was für ihn nur in Frage kommt, wenn diese wissenschaftlich originell und damit reizvoll sind.

Das das Publikum diesen Dr.House, vor dem sie in der Realität als Patient wahrscheinlich schreiend weglaufen würden, so liebt, könnte man als Richtungswechsel im Anspruchsdenken des modernen Fernsehzuschauers deuten, aber tatsächlich ist die Serie vor allem clever gemacht. So konterkariert sie scheinbar die unendlich durchgekaute Geschichte diverser Arzt- und Krankenhausserien, die trotz vieler Unterschiede, immer den aufopferungsvollen Kampf um den Patienten und dessen Gesundung zeigten. Dazu entstand in den vergangenen Jahrzehnten ein immer realistischerer Blick auf das schwierige Treiben hinter den Krankenhauskulissen, dass sich mehr den menschlichen Seiten des Personals widmete und deren Fehlbarkeit. „Dr.House“ geht diesen Weg äußerlich weiter, ist aber hinsichtlich seiner Hauptfigur ein Rückschritt in selige 50er Jahre Zeiten, als Ärzte noch „Götter in Weiß“ waren.

Nichts anderes ist Dr.House – ein Gott. Zwar ein schlampiger, unrasierter Gott, der dazu dank eines ärztlichen Kunstfehlers humpelt und ständig starke Schmerztabletten nehmen muss, aber ohne seine (nur kurzzeitigen Irrtümern unterworfene) Unfehlbarkeit würde die Serie nicht funktionieren. Gerade in heutigen Zeiten, in denen die Skepsis gegenüber Ärzten immer mehr zunimmt, ist „Dr.House“ ein gewünschter Anachronismus. Ein Typ, der sich nicht wie ein Arzt benimmt, aber gleichzeitig der Beste seines Faches ist. Nur dank seines absoluten Könnens und seines sperrigen Charakters, der sowohl Alkohol und Nikotin nicht verachtet, gerne pokert und Motorrad fährt, akzeptiert der Zuschauer, dass er ständig seine intellektuellen Fähigkeiten demonstriert, selbstverständlich belesen und ein guter Klavierspieler ist, und nur so mit Fachbegriffen um sich wirft.

Nicht zu Trennen ist diese Charakterisierung vom konzeptionellen Aufbau der Serie, die immer mit einem neuen „Fall“ beginnt und die medizinische Aufklärung im Stil eines Kriminalfilms betreibt. Zu Beginn wird meist eine kleine Szene dargestellt, in der die Krankheit ausbricht. Dabei gefallen sich die Macher darin, den Zuschauer an der Nase herumzuführen. So kann es vorkommen, dass eine Person kräftig husten muss oder sich den Bauch hält, aber ausgerechnet Derjenige, der zu Hilfe eilt, plötzlich bewusstlos zusammenbricht. Dann tritt der Meister in Aktion und beginnt mit seinem Team, das aus einer Frau und zwei Männern besteht, mit den Nachforschungen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn oft muss Einer von ihnen zu dem Patienten ins Haus gehen und nach Viren oder sonstigen Erregern suchen – nicht ausgeschlossen, dass dafür auch einmal ein kleiner Einbruch fällig ist.

Dr.House’ Aufklärungstechnik erinnert trotz der wissenschaftlichen Untermauerung mehr an einen detektivischen Spürsinn, der schon an kleinsten Anzeichen erkennt, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Oft weiß er schon lange vor den anderen Ärzten, was wirklich los ist, wodurch immer wieder Konflikte mit seiner Vorgesetzten Dr. Lisa Cuddy (Lisa Edelstein) entstehen, die ihm im Stile eines Polizeikommissars den „Fall“ dann entzieht, weshalb er gezwungenermaßen „auf eigene Faust“ der Sache nachgeht. Hugh Laurie legt seine Rolle im Stile eines zynischen, immer treffsicher formulierenden Philip Marlowe an und diesem Typen konnte noch nie Jemand widerstehen – weder die Frauen (die natürlich auf ihn stehen, aber mit denen es nur Probleme gibt), noch die Gangster (hier sinngemäß Krankheiten) und schon gar nicht die Auflösung eines Falles.

Fazit : „Dr.House“ beweist, dass man den Fernsehzuschauer an der Nase herumführen kann ,indem man eine intelligente Story so anlegt, dass plötzlich Millionen Zuschauer es ungeheuer spannend finden, wenn aus Dantes Werken zitiert wird und man mit medizinischen Fachbegriffen nur so um sich wirft. Dazu verzichtet die Serie auf jegliches Krankenhaus-Gesülze und gibt Dr.House regelmäßig Gelegenheit, sich über seine „emotionale“ Mitarbeiterin Dr.Cameron lustig zu machen. Allerdings gelingt den Machern auch hier fast immer der schmale Grat zwischen Betroffenheit und Respektlosigkeit.

Doch die Qualität der Serie hängt ausschließlich an Hugh Laurie’s Darstellung, der seinen „Dr.House“ überzeugend als eine Mischung aus medizinischem Gott und desillusioniertem Privatdetektiv gibt – der Arzt, dem das heutige Fernsehpublikum vertraut (9/10).

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