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“Ong Bak” war ein storytechnisch und schauspielerisch dilettantischer Streifen, der sich nur durch Eines seine Daseinsberechtigung verdiente: Panom Yeerum. Der inzwischen als Tony Jaa bekannte Darsteller schloss sich zwar in Sachen Ausstrahlung seinen wenig talentierten Co-Stars an, brachte aber durch seine beeindruckende Muay Thai-Darbietung ein konkurrenzloses Element in die Produktion ein, das “Ong Bak” auch im inzwischen durch verschiedenste Martial Arts-Strömungen verwöhnten Westen interessant machte. Thailand hatte als Filmexporteur mit einem Mal einen Quantensprung vollzogen und Tony Jaa konnte fast im Alleingang den Martial Arts-Film revolutionieren. Das wird spätestens dann offensichtlich, wenn Laien gewagte Quervergleiche ziehen und einen Jackie Chan, bald sicher auch einen Jet Li, als abgedankte Könige darstellen, die vom neuen König mit einem Ellbogenschlag vom Thron gestoßen wurden.

Tony Jaas Durchbruch ist nunmehr auch schon wieder drei Jahre alt. Er selbst lieferte mit “Revenge of the Warrior” ein Quasi-Remake von “Ong Bak” (Elefanten statt Buddha-Statuen) und auch sonst bemühte sich Thailand um möglichst schnellen Nachschub der begehrten Sorte Film. Inzwischen auch nicht mehr immer ganz so erfolgreich, denn hierzulande groß angekündigte neue Thaikracher wie “The Tiger Blade” konnten die Erwartungen nicht mehr erfüllen und die erheblichen Mängel ließen sich nicht mehr durch beeindruckende Kampf- und Stuntarbeit kaschieren.

“Born to Fight” stammt noch aus dem Jahr 2004 und hat es nun auch endlich zu einer deutschen Veröffentlichung gebracht. Es gibt stilistische Ähnlichkeiten mit den allseits bekannten Referenzwerken ihrer Art. Treibender Techno- und Metal-Soundtrack, eine Alibi-Geschichte, Demonstration regionaler Stammeszugehörigkeit, viel Schwarzweißmalerei und selbstverständlich spektakuläre, in Zeitlupe gefilmte und aus verschiedenen Perspektiven gezeigte Actionhöhepunkte in einer unwiderstehlichen Kombination aus Muay Thai und Explosionen. Wie kann sich dieses Remake eines landesgenössischen Actioners aus den Endsiebzigern nun der Konkurrenz gegenüber abnabeln? Ist Dan Chupong die Secret Weapon, die Tony Jaa für “Ong Bak” war? Definitiv: nein.

Das liegt zum einen daran, dass der Hauptdarsteller, wenn man ihn denn so bezeichnen will, nicht ganz die akrobatische Formvollendung erreicht wie sein Darstellerkollege, obwohl einige seiner Einlagen denkwürdig bleiben und so schnell nicht aus dem Gedächtnis verschwinden; dazu später mehr. Vor allem aber ist er nicht das Zugpferd des Streifens, das man vom Cover aus geurteilt noch erwarten würde. Er übernimmt dezent die Führungsposition, wird aber immer wieder zugunsten von Einlagen verschiedener Dorfbewohner (!) in den Hintergrund versetzt.

Vor allem eine Sache wird für diesen Film zum Markenzeichen. Hat man die stunttechnisch wahnsinnige Einleitung hinter sich gebracht, ist “Born to Fight” im Anschluss nichts weiter als eine einzige zusammenhängende Situation. Panna Rittikrai lässt die feuchten Träume eines jeden Actionfans wahr werden und bietet bis zum Epilog mehr eine sinneserregende Stuntshow als einen Film. Man wähnt sich in einer Vorstellung, einer Aneinanderreihung von Kampfchoreographien, Schussduellen und Explosionen. Notgedrungen saugen die Autoren sich in den ersten Minuten noch eine spartanische Rahmengeschichte aus den Fingern und stellen ein kleines Dorf einer tyrannischen Erpresserbande entgegen, die scheinbar wahllos die Dorfbewohner tötet, um mit Hilfe der Überlebenden die Befreiung ihres Bosses anzuordnen. Alles weitere ist ein einziger Befreiungskampf der Zivilisten gegen die bewaffneten Terroristen, und dann bricht die Hölle los und der Storybogen vollkommen ab.

So kommt “Born to Fight” gar nicht erst in die Verlegenheit, einer Sache wie der Suche nach dem gestohlenen Buddhakopf oder ähnlichem Quellmaterial, das im Grunde niemanden interessiert, die Show zu überlassen. Freilich bietet auch dieses Werk die Anlagen dafür; schließlich befindet sich Deaw im Rahmen einer Hilfsorganisation in dem Dorf und verteilt in beispielloser Selbstlosigkeit Geschenke an die Alten und die Kinder. Doch diesen Storyauswüchsen wird erst gar kein Raum zur Entfaltung geboten, und so wird das vermieden, was “Ong Bak” bei jeder Gelegenheit ausgebremst hatte. “Born to Fight” besteht nicht aus etappenweiser Anordnung von Kampfszenen, er IST ein einziger großer Kampf.

Erstaunlicherweise wird man der Action in der ganzen Zeit nie überdrüssig; im Gegenteil, es sind jene actionarmen Übergänge am Anfang und am Ende, die ermüden. Sobald sich jedoch die erste Kugel einem Einheimischen während des Redens durch den Hals bohrt und daraufhin ein wahrer Kugelreigen eröffnet wird, beginnt der Spaß wirklich. Abgesehen von dem sehr hohen Brutalitätsgrad, der in einer fast schon splattrigen “Rambo 2"-Anlehnung seinen Höhepunkt findet, könnte man wirklich glauben, der Stuntshow in einem Erlebnispark beizuwohnen - nur dass alles noch viel echter, größer und beeindruckender ist.

Vermutlich hält auch die Tatsache bei Laune, dass Dan Chupong wie angekündigt bei weitem nicht der einzige ist, der Arschtritte verteilen darf. Die Kamera wechselt permanent zwischen ihm und sämtlichen bis dato namenlosen Dorfbewohnern, die für ein paar Minuten zur Hauptattraktion werden und ihrerseits beweisen dürfen, was sie technisch auf dem Kasten haben. Da ist eine entschlossene junge Frau, die im Capoeira-Style über einen Balken balanciert und den Gegner ausknockt; ein kleines Mädchen, das sich mit leichter Hilfe an einem Fiesling rächen darf, der sie erschießen wollte; ein alter Mann, der seinen Gegner mühelos erledigt und dann mit einer Horde Kinder triumphierend auf die Kamera zuläuft. Einiges davon droht ins Peinliche abzurutschen, was aber aufgrund des Fehlens einer richtigen Story nie richtig passiert.

Zudem ist die Action einfach zu abwechslungsreich, um sich abzunutzen. Visuell ist dem Regisseur ein gestaltwandlerisches Inferno gelungen. Mit stets anderen Perspektiven, anderen stilistischen Mitteln und anderen Inhalten hält er die auf dünnen Federn gelagerte Dramaturgie vollkommen im Gleichgewicht. Der inzwischen als charakteristisch für das Thai-Kino zu bezeichnende Soundtrack braucht eine gewisse Aufwärmungszeit, dann legt er sich wie ein komplett durchlaufendes Album von über einer Stunde Laufzeit über das Szenario und verleiht ihm einen markanten Rhythmus, der nie abebbt. Vor allem aber funktioniert diesmal auch die gewöhnungsbedürftige Technik, besonders spektakuläre Szenen aus unterschiedlichen Perspektiven nochmals zu wiederholen. Da man sich ohnehin eher in einer Stuntshow wähnt als in einem Film, kann man nun wirklich die Wiederholungen genießen.
Sie heben auch einige der Stunts nochmals wirklich heraus, denn gegen Ende - hier häuft sich das Beste - würden einige Sachen nicht entsprechend gewürdigt werden, sähe man sie nur einmal. Wie der Teufelskerl durch das brennende Hausgerippe bricht und anschließend beinahe von einem Auto überfahren wird, ist die Krönung in einer Abfolge von Szenen, die Einzigartigkeit für sich beanspruchen. Da hätte es eigentlich gar keine Anleihen an Genreklassiker (Die Hüttensequenz aus “Police Story” darf sich tatsächlich schon wieder einer Reminiszenz rühmen) gebraucht - die Ideen kommen auch so.

Wo die Inszeniertheit und das komplette Fehlen einer fortlaufenden Storyline so auffällt, ist es beinahe unmöglich zu glauben, dass auch Momente mit emotionalem Bildwert dabei sein können, doch dem ist partikelweise auch noch der Fall. Wenn die eingekerbte Dorfmeute nach der Hymne schreiend aus dem Kreis ausbricht und ins Mündungsfeuer gerät, damit die Überlebenden die überrumpelten Terroristen niederwerfen können, dann kann einem trotz des Kitschpotenzials in dem Zusammengehörigkeitsgefühl mal der Atem stocken. Auch die rigorose Herzlosigkeit der Bösen, die sogar vor dem Erschießen von Kindern nicht Halt machen, zeugt zwar von der naiven, dichotomen Weltauffassung in die beiden Totalextreme Gut und Böse (ein weiteres als prototypisch herausgebildetes Element des gegenwärtigen thailändischen Martial Arts-Films), lässt aber sicher dennoch keinen Zuschauer kalt.

Ich persönlich ziehe “Born to Fight” einem “Ong Bak” vor. Zwar ist Dan Chupong trotz beeindruckender körperlicher Leistungen noch von den Extremtaten Jaas entfernt, doch ihn stören in den 90 Minuten Dauerfeuer wenigstens keine philosophischen Exkurse in die Bedeutung von Buddhaköpfen oder Elefanten für kleine thailändische Dörfer. Wenn Thailand sich erzählerisch mal irgendwann aus dem Mesozoikum entwickelt hat, darf es mich gerne mit philosophischer Tiefe entzücken. Bis dahin nehme ich lieber vorlieb mit Dauer-Sperrfeuer.

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